Fantasy Filmfest 2013 Tagebuch – Tag 5

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Fantasy Filmfest 2013

Sie musste natürlich irgendwann kommen – die Gurke des Fests. Obwohl noch drei Tage vor mir liegen, wäre ich sehr überrascht, wenn irgendein Fim mein aktuelles "Lowlight", Revenge for Jolly!, unterbieten kann. Dafür wurde ich aber im Laufe des Tages mit zwei durchaus gelungenen Streifen entschädgt, die zugleich nicht unterschiedlicher sein können: Odd Thomas und A Field in England – effektreiches Popcornkino von Stephen Sommers versus experimentelle Schwarzweiß-Kunst von Ben Wheatley.

TAG 5

Revenge for Jolly!

Fantasy Filmfest 2013 - Revenge for JollyJolly ist tot. Der Chihuahua des Nichtsnutzes Harry (Brian Pestos) wurde offensichtlich als Racheaktion für eine nicht unausgeführten Job ermordet. Harry ist am Boden zerstört, denn für ihn war Jolly alles. Wenn es legal wäre, hätte er den Hund sogar geheiratet (okay, das ist im Film nicht so creepy, wie das hier klingt). Warum jedoch Harrys Leid und sein Wunsch nach Vergeltung den Zuschauern kümmern sollte, wird nie klar. Weder die Beziehung zwischen Harry und seinem Hund wurde gut etabliert noch ist Harry in irgendeiner Hinsicht ein sympathischer und/oder interessanter Charakter. Er ist ein Nichts und Pestos' stets emotionsloser Gesichtsausdruck ändert an dieser Wahrnehmung wenig. Gemeinsam mit seinem leicht psychisch angeschlagenen, aber loyalen Cousin Cecil (Oscar Isaac), gegibt er sich auf einem blutigen Rachefeldzug, bei dem vor allen unbeteiligte Dritte ins Gras beißen.

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"Warum?". Das war die Frage, die ich mir während des Films immer und immer wieder gestellt habe. Warum haben sich so viele bekannte Schauspieler dazu bereit erklärt, in nutzlosen Gastauftritten diesen Film zu beehren? Elijah Wood, Kristen Wiig, Adam Brody, Garret Dillahunt, Gillian Jacobs und Ryan Phillipe sind nur einige der Namen, die unseren "Helden" auf deren Odyssee begegnen. Haben der Regisseur Chadd Harbold und Brian Pestos (der hier aus als Drehbuchautor fungierte) so viele Freunde in Hollywood oder haben sie einfach nur beeindruckendes Erpressungsmaterial gegen alle Beteilitgen gehabt? Oder haben die Schauspieler tatsächlich geglaubt, dass dieser Möchtegern-Tarantino/Shane Black in die Fußstapfen seiner Vorbilder treten könnte? Zugegeben, die Prämisse klingt gut und scheint sich bestens dazu zu eignen, bitterbösen schwarzen Humor auf die Zuschauern loszulassen. Humor? Fehlanzeige. Das Wort müssen die Macher erst einmal im Lexikon nachschlagen. Denn zwischen der endlosen Sauferei der beiden durchweg unsympathischen Hauptcharaktere, dem ellenlangen sinnlosen und schwerfälligen Geschwafel und einigen Tötungsorgien hat sich kein Funken an Humor verirrt. Jemand müsste die Macher davon unterrichten, dass die bloße Existenz von Celebrity-Cameos kein Selbstzweck sein darf.

Dass es auf dem Fantasy Filmfest jedes Jahr unvermeidlich den einen oder anderen Reinfall gibt, ist selbstverständlich, doch ich muss schon weit zurückdenken, um mich an einen schlechteren Film beim Fest zu erinnern als diesen Uwe-Boll-für-Arme. Pfui! 0,5/5

Odd Thomas

Fantasy Filmfest 2013 - Odd ThomasWenn Stephen Sommers, der Regisseur von Hollywood-Blockbustern wie Die Mumie und G.I. Joe einen Horrorfantasy-Roman von Dean Koontz adaptiert, dann wundert es einen doch, dass der Film, knapp zwei Jahre nach Fertigstellung, immer noch nicht das Licht der Projektoren erblickt hat. Ist er denn so schlecht? Diese Frage kann ich mit gutem Gewissen verneinen. Die Geschichte von Odd Thomas (Anton Yelchin), der mit einer Gabe ausgestattet ist, die Toten zu sehen und es sich deshalb zur Aufgabe macht, ihnen nach Möglichkeit zu helfen, erfindet das Genre-Rad nicht neu. Doch trotz einiger wirklich mäßíg aussehender Green-Screen-Effekte (Sommers musste hier mit dem geringsten Budget seit den Anfängen seiner Karriere auskommen) und eines, insbesondere zu Beginn übertriebenen Einsatzes von Zeitlupe, wartet Odd Thomas mit schräger Popcorn-Unterhaltung à la "Dead Like Me" auf. Yelchin beweist, wie schon im Fright-Night-Remake durchaus Hauptdarsteller-Qualitäten (auch wenn man anfangs eingestreute Kampfszene ihm nicht wirklich abkauft) und bekommt mit Addison Timlin als die süße und schlagkräftige Stormy die perfekte Partnerin an seiner Seite. De beiden haben eine tolle Chemie miteinander und im Gegensatz zu vielen Filmen dieser Gattung steht die Liebesgeschichte nicht im Weg der Handlung, sondern bildet sogar einen der stärksten Aspekte des Films. Zu den heimlichen Highlights gehört aber auch der Gastautritt der "Mumie" höchstpersönlich – Arnold Vosloo.

Am Ende bleibt Odd Thomas charmante Unterhaltung, nicht mehr und nicht weniger. Doch manchmal muss es auch nicht unbedingt mehr sein. Niemand wird Odd Thomas zu einem Genre-Meisterwerk erklären oder einem Film, der den Test der Zeit bestehen wird (erst recht nicht mit diesen Effekten), doch er macht es einem auch wirklich schwer, ihn nicht zu mögen. Und genau das tat ich.  3,5/5

A Field in England

Fantasy Filmfest 2013 - A Field in EnglandA Field in England in wenigen Worten zusammenzufassen wäre wie einen Kurzabriss von Nietzsches "Also sprach Zarathustra" zu geben – und in großen Teilen nicht minder faszinierend. Nachdem Ben Wheatley mit dem letztjährigen Eröffnungsfilm Sightseers eine sehr gelungene und verhältnismäßig sehr zugängliche schwarze Komödie abgeliefert hat, ist er diesmal scheinbar darauf versessen, allen zu beweisen, dass er sich nicht gerne wiederholt, denn A Field in England ist von Sightseers sehr weit entfernt. Genau genommen sind die meisten Filme zugänglicher als Wheatleys neustes Werk, eine hypnotischer Trip nach England in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Während der Englische Bürgerkrieg im Land wütet, trennen sich drei Soldaten und ein Astrologe von den Truppen. Auf dem Weg zu einer Schenke treffen sie auf einem Feld auf den mysteriösen O’Neill, den der Astrologe Whitehead aus seiner Vergangenheit kennt. O’Neill zwingt die anderen, von denen sich zwei unter Einfluss halluzinogener Pilze befinden, auf dem Feld nach einem Schatz zu suchen. Ab da wird es noch viel viel seltsamer…

Mit A Field in England sträubt sich Wheatley gegen alle Konventionen  der klassischen Erzählstruktur und bewirbt sich als legitimer britischer Nachfolger von David Lynch. Sicher, zuweilen droht der Film ins Prätentiöse abzuschweifen und wer sich schon nach der ersten Sichtung einen Reim auf das Gesehene machen möchte, wird hoffnungslos verloren sein. Dafür belohnt er einen mit grandiosen Kameraaufnahmen, einem idiosynkratrischen, häufig unheilvollen und geradezu verstörenden Score und tollen Darstellerleistungen. Insbesondere Reece Shearsmith als der feige Whitehead, der seinen Mut erst finden muss und Michael Smiley als das personifizierte Böse (vielleicht sogar im wahrsten Sinne des Wortes) bleiben in Erinnerung, während der von Richard Glover gespielte Friend als Dumpfbacke für einige unerwartete Lacher sorgt. Denn eins lässt sich Wheatley sogar bei einem surrealen Werk wie diesem nicht nehmen – seinen Sinn für Humor. Herausragend bleibt auch eine Szene, die ein für alle Mal beweist, dass die Andeutung von etwas Schrecklichem viel unheimlicher und gruseliger sein kann als, wenn man es tatsächlich sieht. Ich sage nur: Schreie aus einem Zelt. Letztlich schaut man sich aber A Field in England wegen eines Gesamterlebnisses an, bei dem man (nicht unähnlich Terrence Malicks The Tree of Life) das Kino als ein Kunstwerk erlebt, welches man noch lange interpretieren kann oder auf welches man sich einfach einlässt und den gebotenen Bilderrausch genießt. 4/5

Bisherige Ausgaben:

Tag 1

Tag 2

Tag 3

Tag 4

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