Foto Credit: James Gillham / StingMedia für Disney
Es ist eine tolle Zeit, Comic-Fan zu sein. Nachdem sie jahrzehntelang die Fans über mehrere Generationen auf den Seiten von Comicheften begeisterten, kommen die Lieblingshelden von Millionen endlich auf die Leinwände. Was Marvel Studios 2008 mit dem ersten Iron Man angelegt hat ist vermutlich eins der ambitioniertesten und zugleich erfolgreichsten Kino-Großprojekte aller Zeiten. Acht Jahre später zeigt The First Avenger: Civil War (unsere Kritik), der 13. Film des Marvel Cinematic Universe, das dem Studio in puncto Comicverfilmungen aktuell wirklich niemand etwas vormachen kann. Was angesichts der Vielzahl von Charakteren und einer komplexen Erzählung, in der die Grenzen zwischen Richtig und Falsch verschwimmen, hätte auch in die Hose gehen können, wurde stattdessen zu einem der gelungensten Comic-Blockbuster der letzten Jahre und lässt jeden Zweifel an Marvels Kreativität und Bereitschaft, neue Wege zu beschreiten, verschwinden.
Vergangenen Montag und Dienstag hatte ich die einzigartige Gelegenheit, in London die Pressekonferenz anlässlich der großen Europapremiere von The First Avenger: Civil War zu besuchen und anschließend Interviews mit den Regisseuren und den meisten Stars des Films zu führen. Diese werdet Ihr in den folgenden Tagen auf unserer Website zu lesen bekommen. Im Folgenden werde ich die wichtigsten Highlights von der 40-minütigen Pressekonferenz zusammenfassen, bei der Marvel-Studios-Chef Kevin Feige, das Regie-Duo Joe und Anthony Russo sowie die Darsteller Chris Evans (Captain America), Robert Downey Jr. (Iron Man), Paul Rudd (Ant-Man), Anthony Mackie (Falcon), Elizabeth Olsen (Scarlet Witch), Jeremy Renner (Hawkeye), Emily VanCamp (Sharon Carter), Paul Bettany (The Vision), Daniel Brühl (Helmut Zemo) und Sebastian Stan (Winter Soldier) dem Journalistenpublikum Rede und Antwort über den neuen Blockbuster aus Marvels Schmiede standen.
Zwar habe ich in Vergangenheit schon einige Schauspieler aus Marvel-Verfilmungen interviewt (wie Chris Hemsworth oder James McAvoy), jedoch noch nie zu einer Marvel-Adaption selbst. Deshalb war es für einen langjährigen Marvel-Fan wie mich ein leicht surreales Erlebnis, direkt vor dem (nahezu) gesamten Cast des Films zu sitzen. Ich war schließlich in einem Raum mit Cap, Iron Man und Ant-Man! Doch Fanboy-Begeisterung beiseite. Obwohl einige der Schauspieler von der Pressetour sichtlich etwas müde waren, sah man den Darstellern ihre Verspieltheit und Kameraderie untereinander an, durch die auch ihre Ensemble-Arbeit in den Filmen geprägt ist. Es gab viel zu lachen (insbesondere dank Anthony Mackie und Jeremy Renner), einige interessante Einsichten und erwartungsgemäß auch eine Portion gegenseitiger Lobhudelei (es ist schließlich eine Werbeveranstaltung für den Film!).
Trotz der starkräftigen Besetzung vor Ort ging ein großer Teil der Fragen an Kevin Feige, denn er ist schließlich das Superhirn hinter dem Marvel Cinematic Universe, wie wir es kennen (und zudem stand er als einer der wenigen später nicht für Einzelinterviews zur Verfügung). So erzählte er, dass die Idee, die "Civil-War"-Storyline aus den Comics filmisch umzusetzen, zum ersten Mal vor etwa zehn Jahren aufkam, gerade als Marvel Studios noch im Aufbau war und die Comicreihe publiziert wurde. Allerdings habe er sich damals nicht träumen lassen, dass man irgendwann in der Lage sein würde, tatsächlich eine Verfilmung auf die Beine zu stellen. Erst vor zweieinhalb Jahren wurde es konkret und man hatte das Gefühl, genug Charaktere im Kino eingeführt zu haben, um "Civil War" auf der Leinwand gerecht zu werden. Zudem verriet Feige, dass die Idee, Black Panther in dem Film einzuführen, relativ früh im Entwicklungsprozess aufkam. Er wollte einen Charakter in dem Film, der weder auf Captain Americas noch auf Iron Mans Seite steht, sondern eine eigene Agenda verfolgt. Eine Frage fand Kevin Feige besonders interessant, und zwar, welcher Superheld seiner Meinung nach in der realen Welt die meisten Probleme lösen könnte und gab die diplomatische Antwort, dass es eine Führungsperson wäre, die die Moral von Tony Stark und Steve Rogers in sich vereinen würde. Für Paul Bettany war die Antwort hingegen offensichtlich: natürlich ist es The Vision, denn er ist schließlich allmächtig und kann sogar Thors Hammer heben. Robert Downey Jr. nominierte stattdessen Hawkeye, weil er alle zehn Minuten in den Ruhestand zieht, wenn es ihm zu stressig wird.
Auf eine Mauer des Schweigens stieß man, wenn man jegliche Informationen zu künftigen Plänen erfahren wollte. Auf meine Frage hin, ob Daniel Brühl für mehr als einen Film unter Vertrag stünde, schaute dieser schulterzuckend in Feiges Richtung und konnte (oder durfte) nicht mehr dazu sagen, äußerte aber die Hoffnung, dass er zurückkehren dürfte. Dazu betonte er, dass ihn die Rolle vor allem interessierte, weil sein Schurke ambivalent und nicht unsympathisch sei. Einen kleinen Brocken an neuer Information konnte ich aber den beiden Regisseuren Joe und Anthony Russo tatsächlich herauskitzeln. Diese betrifft Samuel L. Jacksons Nick Fury und seine treue S.H.I.E.L.D.-Agentin Maria Hill (Cobie Smulders), deren Abwesenheit von Civil War mir schon seit geraumer Zeit recht suspekt erschienen ist. Da Marvel das Universum aber meist sehr durchdacht konstruiert, fehlen die beiden offenbar nicht ohne Grund. Während Robert Downey Jr. bei meiner Frage nach deren Verbleib wissend lächelte und nickte, erklärte Joe Russo, dass wir es bald herausfinden werden. Anthony Russo ergänzte, dass es eine Geschichte dazu gibt, wo sie sich aufhalten, die wir aber erst in einem künftigen Film herausfinden werden.
Natürlich wurde während der Pressekonferenz auch DC einmal erwähnt und so kam es zu der Frage, ob die Justice-League-Pläne dazu geführt hätten, dass die Avengers noch eine Schippe drauflegen mussten. Daraufhin stellte Chris Evans klar, dass niemand von ihnen etwas macht basierend darauf, was andere Leute machen. Sie tun es, weil sie es gut können, ergänzte Robert Downey Jr. und fügte verschmitzt hinzu: "Wenn sie einen Bucky haben, dann können wir reden!"
Eine der cleversten Fragen der Pressekonferenz wurde an die beiden Regisseure Joe und Anthony Russo gerichtet und betraf Spider-Mans Einführung in den Film, die in gewisser Hinsicht als Tonys Rekrutierung eines Kindersoldaten gesehen werden könnte. Nach einem kurzen Augenblick der Verdutztheit, erklärte Russo, dass Peter Parker in dem Fall wohl der mächtigste Kindersoldat der Welt wäre. Für Tony sei er die stärkste nicht-tödliche Waffe, die es gibt. Der narzisstische Teil von Tony will den Kampf unbedingt gewinnen und sieht Spider-Man als seine Gelegenheit dazu, sorgt sich aber dennoch um ihn und ermahnt ihn, im Kampf Distanz zu bewahren. Dennoch sei Tonys Verhalten tatsächlich sehr unverantwortlich, ergänzte Anthony Russo, um die durchaus heikle Frage möglichst diplomatisch zu beantworten. Anthony erzählte außerdem, dass Joe und er sich als Action-Fetischisten sehen. Jedoch muss die Action, egal wie fulminant sie ist, die Geschichte und die Charaktere vorantreiben, ansonsten sei es nur stumpfsinnige Action, von der die Zuschauer nicht mehr als 30 Sekunden ertragen können, ohne sich zu langweilen. Stattdessen soll sie dabei helfen, den Zugang zu den Figuren auf eine dynamische Art und Weise zu finden. Davon könnten sich so manche Filmemacher eine Scheibe abschneiden, würde ich sagen.
Ein für manche vielleicht überraschendes Geständnis gab es seitens Chris Evans, der erklärte, dass wenn Superhelden wie die Avengers real wären, er auf jeden Fall auf Iron Mans Seite stünde, denn schließlich müssten sie sich vor jemandem verantworten und könnten nicht einfach tun und walten wie sie wollten. Downey Jr. erzählte wiederum scherzhaft, dass sein Sohn Captain-America-Pyjamas trägt und Captain-America-Bettwäsche hat, was ihn dann doch automatisch leicht verärgerte, was er aber – Profi, der er ist – sich am Set nicht anmerken ließ.
Weitere Highlights von der Pressekonferenz in Stichpunkten:
– Als Evans und Downey Jr. aufgefordert wurden, den Filmcharakter ihres Gegenübers mit einem Wort zu beschreiben, wählte Evans für Tony das recht konventionelle "charismatisch", während Downey Jr. sich nach kurzer Überlegung für "radass" (radical badass) entschieden hat. Danke, urban dictionary!
– Auf die Frage hin, mit welchen Charakteren sie ihre Kräfte tauschen würden: Chris Evans würde die Kräfte mit The Vision tauschen jedoch nicht das Makeup (welches Paul Bettany als sehr heiß beschrieb), Bettany selbst war eigentlich ganz zufrieden mit The Vision, wäre aber ab und zu gerne Iron Man, während Jeremy Renner gerne sein Kindheitsheld wäre – Spider-Man.
– Sebastian Stan erzählte, dass die große Flughafen-Kampfszene stückweise über fünf Monate gedreht wurde und zu keinem Zeitpunkt alle an ihr beteiligten Schauspieler gleichzeitig am Set waren.
– Auf die Frage hin, wie Stan Lees Gastauftritte geplant werden: Im Falle von Civil War war er bereits im Drehbuch eingeplant gewesen, wird aber gelegentlich auch davon abhängig gemacht, wann er verfügbar ist und wohin er reisen kann. So wurde sein Cameo in Guardians of the Galaxy erst nach Drehschluss gefilmt.
– Chris Evans betonte, dass man in der aus den Trailern bereits bekannten Szene, in der er einen Hubschrauber zurückhält, seine echten Armmuskeln sieht, ohne jegliche CGI-Bearbeitung. Die Einstellung beschrieb er als wenig zweckmäßig und die Haltung als sehr unnatürlich, mit der Hauptintention, eben die vorhandenen Muskeln zu zeigen. Es sehe gut aus, aber er habe sich wohl auch etwas gezerrt und musste Wochen später zu Robert Downey Jr.s Wohnwagen zur Physiotherapie. Den Wohnwagen beschrieb er übrigens als ausgestattet mit verschiedenen Gadgets, nicht unähnlich einem DC-Superhelden (vermutlich beginnend mit Bat und endend mit Man).
– Die Frage, wie Jeremy Renners Hawkeye und Anthony Mackies Falcon auch ohne wirkliche Superkräfte zum Kampf beitragen können, artete in einer amüsanten Diskussion zwischen Mackie und Paul Bettany über den Unterschied zwischen Oberschenkelmuskeln und dem Quadrizeps aus. Jep.
– Emily VanCamp war froh, mehr an der Action beteiligt zu sein in dem Film. Auf die Frage hin, ob die Romanze ihrer Figur mit Captain America nicht etwas seltsam ist, weil er zuvor auf ihre Tante stand, erwiderte sie, dass es dadurch abgemildert wird, dass Peggy (Hayley Atwell) eigentlich die Großtante ihres Charakters sei. Dann wäre das Verwandtschaftsverhältnis in den Filmen wohl geklärt.
– Die Pressekonferenz endete mit einer amüsanten Konversation über den größten Wohnwagen am Set. Dieser gehörte nicht Robert Downey Jr. – aber nur, weil er eigentlich fünf Wohnwagen hatte. Daniel Brühl erzählte eine amüsante Anekdote vom Set, als er bei seiner Ankunft von Robert Downey Jr. nach seinen Allergien gefragt wurde und er sich über den Grund dieser Nachfrage wunderte. Später kam jemand in einem Golfcart an seinem kleinen Wohnwagen vorbei und überreichte ihm die Einladung zum Mittagessen in Robert Downey Jr.s Dorf (!), wo ihm dann ein 3-Gänge-Menü serviert wurde. Anthony Mackie erzählte daraufhin, dass es das Ziel von jedem immer gewesen sei, in Downey Jr.s Dorf zum Mittagessen eingeladen zu werden und man immer auf denjenigen neidisch war, der dorthin gehen durfte. Tja, das ist Tony Stark wie er leibt und lebt.
Fotos © 2016 Filmfutter
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Ich hoffe Ihr habt den Bericht genossen. In den nächsten Tagen könnt Ihr Euch dann auf meine ausführlichen Interviews mit den Stars des Films freuen. Hier könnt Ihr bereits unseren Bericht von der Berliner Premiere finden.
The First Avenger: Civil War läuft ab heute in unseren Kinos. Verpasst nicht den Blockbuster, der die Messlate für diesjährige Sommerfilme hoch legt!