Pet Sematary, USA 2019 • 101 Min • Regie: Kevin Kölsch, Dennis Widmyer • Drehbuch: Jeff Buhler • Mit: Jason Clarke, Amy Seimetz, John Lithgow, Jeté Laurence, Alyssa Brooke Levine, Obssa Ahmed • Kamera: Laurie Rose • Musik: Christopher Young • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Paramount Pictures • Kinostart: 04.04.2019 • Deutsche Website
Man sollte vorsichtig mit dem sein, was man sich wünscht. Im Gegensatz zu W. W. Jacobs' berühmter Kurzerzählung "Die Affenpfote" gibt es in Stephen Kings Bestseller "Friedhof der Kuscheltiere" keine Möglichkeit, das selbst heraufbeschworene Grauen noch in letzter Sekunde ungeschehen zu machen. Der Roman wurde bereits 1989 erfolgreich von Regisseurin Mary Lambert für die Leinwand aufbereitet und erhält nun von dem Newcomer-Duo Kevin Kölsch und Dennis Widmyer ("Starry Eyes") eine Neuinterpretation. Auch in ihrem "Friedhof der Kuscheltiere" steht freilich eine junge Familie buchstäblich zwischen zwei Ruhestätten – der der Akzeptanz und der der Ignoranz. Während der Verlauf zunächst weitgehend dem der Vorlage und des Vorgänger-Drehbuchs von King höchstselbst entspricht, nimmt diese Version jedoch an einer prominenten Stelle eine Wendung mit haarsträubenden Konsequenzen. Neben einer knackigen und atmosphärisch dichten Inszenierung mit engagierten Darsteller-Performances, birgt der Film leider ebenso einige dramaturgische Schwächen und tonale Unebenheiten.
Zu Beginn gleitet die Kamera über die üppigen Wälder der Kleinstadt Ludlow und zeigt zunächst ein Haus in Flammen, bevor das Bild bei einem scheußlichen Schauplatz direkt gegenüber Halt macht: Ein Auto mit blutigem Handabdruck an der geöffneten Tür. Dazu eine Blutspur, die von einem Hauseingang in den anliegenden Wald führt. Wie es zu dieser Szene gekommen ist, erfahren wir erst am Ende der Geschichte. Nachdem wir miterlebt haben, wie der Bostoner Arzt Louis Creed (Jason Clarke) mit seiner Frau Rachel (Amy Seimetz) und den beiden Kindern Ellie (Jeté Laurence) und Gage (Hugo und Lucas Lavoie) hinaus in die abgelegene Idylle gezogen ist, um ein ruhigeres Leben mit Anstellung am örtlichen College zu beginnen. Direkt am ersten Tag wird Ellie Zeugin einer mysteriösen Prozession, bei der Kinder in Tiermasken einen toten Hund eine Lichtung entlang transportieren. Wie sie schließlich von dem alteingesessenen Nachbarn Jud Crandall (John Lithgow) erfährt, gehört zu dem riesigen Grundstück auch ein Tierfriedhof, in welchem die Anwohner ihre kuscheligen Freunde zur letzten Ruhe betten. Aufgewühlt von dem Anblick und der Konfrontation mit dem Thema Tod, lässt sie sich von ihrem Vater beruhigen: Der Tod sei etwas natürliches, vor dem man sich nicht fürchten müsse. Doch schon kurz darauf soll sich der Sensenmann seinen Weg auch in das Zentrum der Familie bahnen. Das schockierende Ableben des Studenten Victor Pascow (Obssa Ahmed) und der anschließende Tod von Ellies geliebtem Kater Church sind die ersten Vorboten einer Tragödie, die durch die Leichtsinnigkeit des alten Jud in Gang gesetzt wird. Entgegen seines Wissens, dass der Tod manchmal besser ist, führt er Louis mit dem Tierkadaver zu einem geheimen Ort jenseits der Barriere des Tierfriedhofs, dessen Macht die Trauer des Mädchens noch einmal abwenden soll …
Einen Teil ihres Reizes hat diese Neuverfilmung leider bereits im Vorfeld aufgrund eines unglücklich zusammengestellten Trailers eingebüßt, der einige prägnante Änderungen unnötigerweise vorweggenommen und den Überraschungseffekt in der zweiten Hälfte reduziert hat. Wer also das Glück hatte, die Werbekampagne weitgehend verpasst zu haben, ist als Zuschauer hier im Vorteil. Schließlich funktioniert der Schocker genau dann am besten, wenn er recht unerwartet in ein anderes Subgenre schaltet und mit der zynisch-bösen Pointe eines EC Comics endet. Anders als beim Film von Lambert konfrontieren Kölsch und Widmyer ihr Publikum direkt mit dem Schrecken, um dann unter einem Mantel aus dunklen Prophezeiungen, verstörenden Visionen und rabenschwarzem Humor noch einmal zu demonstrieren, wie es zu dem Unheil gekommen ist.
Leider ist es der Auftakt, der mit seinem etwas zu zügigen Verbinden der Stationen wie eine Plotmaschine wirkt und den emotionalen Kern oftmals überrumpelt. So sind es vor allem die kleinen Momente, die in dieser Phase herausragen: Beispielsweise in einer Szene nach dem Unfalltod Victor Pascows, in der Louis in seinem Wagen vor einer roten Ampel wartet, während ihm der Vorfall noch sichtlich in den Knochen steckt. Unbedacht fährt er plötzlich los und wird dabei beinahe von einem Lastwagen auf der Kreuzung erfasst. Hier tritt das Regie-Duo nicht nur angenehm auf die Bremse, um dem Innenleben des Protagonisten Luft zu verschaffen, sondern findet gleichzeitig ein markantes Bild für die Folgen des Überschreitens einer verbotenen Grenze.
Mit ihrem Indie-Debüt "Starry Eyes" haben Kevin Kölsch und Dennis Widmyer bereits ein Händchen für stimmungsvolles Horrorkino mit morbider Note bewiesen. In diesem Punkt enttäuschen sie auch bei ihrer ersten Studioproduktion keinesfalls und haben mit Laurie Rose ("Operation: Overlord") einen Kameramann ausgewählt, der mit Bravour die trügerische Idylle vor und das unheimliche Schattenreich hinter der Barriere stilistisch separiert, bis beide Welten schließlich gnadenlos zusammenprallen. Auch der im Genre verdiente Komponist Christopher Young ("Hellraiser") steuert mit seinen sublim einwirkenden Klängen nachhaltig zum Gänsehauteffekt bei.
Im Zentrum des Geschehens stehen aber selbstverständlich die Figuren. Obwohl Jason Clarke ("Zero Dark Thirty") als fürsorglicher Familienvater, der im Verlauf zunehmend in den Wahnsinn gleitet, und John Lithgow ("Interstellar") als dessen freundlicher aber verschwiegener Nachbar am häufigsten im Bild zu sehen sind und auch ordentliche Performances an den Tag legen, brennen sich die weiblichen Stars Amy Seimetz ("Stranger Things") und die beeindruckende Neuentdeckung Jeté Laurence am meisten im Gedächtnis ein. Seimetz' Rachel ist seit ihrer Kindheit vom Tod ihrer Schwester Zelda (weniger grotesk als ihr männlicher Kollege in der ersten Adaption: Alyssa Brooke Levine) traumatisiert und baut jedes Mal einen instabilen Schutzwall auf, wenn das Thema der Sterblichkeit aufkeimt. Als schließlich eine bösartige Macht von einem geliebten Verstorbenen Besitz ergreift, wird ihre schlimmste Angst mörderische Realität. Als junge Ellie muss Jeté Laurence einen deutlich schwierigeren Sprung als ihre Rollen-Vorgängerin wagen, da ihr Charakter am deutlichsten von den zuvor besprochenen Abänderungen betroffen ist. Und ohne hier zu viel zu verraten: Sie ist der heimliche Star des Films. Wobei man auch Kater Church zumindest am Ende erwähnen muss – dessen tierischer Darsteller hat den wohl besten "Das-kriegst-du-zurück"-Blick aller Zeiten drauf!
Für Mainstream-Horrorverhältnisse ist "Friedhof der Kuscheltiere" sicher ein respektabler Schritt in die richtige Richtung, weg vom CGI-Overkill und hin zu einer fast schon klassischen Gruselatmosphäre mit behutsam dosierten Gewaltspitzen. Das Drehbuch von Jeff Buhler muss dabei allerdings als zweischneidiges Schwert vermerkt werden. Der Autor war sowohl an der sehr gelungenen Clive-Barker-Verfilmung "Midnight Meat Train", als auch an dem eher drögen Killerkind-Beitrag "The Prodigy" beteiligt – und "Friedhof der Kuscheltiere" sitzt strukturell mit einem generischen Auftakt und wahnwitzigen Finale irgendwo zwischen diesen Werken. Besser als Lamberts Version ist die Neuauflage nicht, da hier einfach alles etwas zu schnell abgehandelt wird (man erfährt beispielsweise nur rudimentär von vergangenen Ereignissen, dafür wird allerdings kurz auf die Mythologie hinter der Begräbnisstätte eingegangen) und das Grauen eher in die Eingeweide zielt, als sich tief in die Psyche zu fressen. Neulinge des Stoffes kommen am Ende definitiv auf ihre Kosten, während bei Kennern die Toleranz der zwar gelungenen aber auch wilden Modifikationen Voraussetzung ist. Nicht so modrig-morbide wie der Erstversuch, ist dies ein solider und unerwartet schwarzhumoriger Beitrag zur aktuellen Stephen-King-Renaissance.
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