High-Rise, USA 2015 • 112 Min • Regie: Ben Wheatley • Drehbuch: Amy Jump • Mit: Tom Hiddleston, Luke Evans, Jeremy Irons, Sienna Miller, Elisabeth Moss, James Purefoy, Sienna Guillory, Peter Ferdinando, Reece Shearsmith • Verleih: DCM • Kinostart: 30.06.16 • Deutsche Website
Mit High-Rise adaptiert Ben Wheatley (Sightseers) nach Steven Spielberg (Das Reich der Sonne) und David Cronenberg (Crash) und der untergegangenen Adaption The Atrocity Exhibition als vierter Regisseur einen J.G. Ballard-Roman als Langspielfilm. Dessen literarische Werke schildern oft den Zerfall sozialer Strukturen innerhalb dystopischer Weltuntergangsszenarien. Den Umkehrschluss beschreibt High-Rise, in dem der Zerfall der sozialen Strukturen und allem, was mit ihnen einhergeht, das Epizentrum einer sich ausweitenden Gesellschaftsdystopie bildet. Der Startschuss für den Anfang des Endes hat keine rationale Ursache, sondern wirkt wie vorbestimmt.
Das Gesellschaftsbild, das High-Rise entwirft, ist zum Scheitern verurteilt. Das Hochhaus, in das Hauptcharakter Dr. Robert Laing (Tom Hiddleston) einzieht, verkörpert in seiner gewiss etwas plakativen Struktur die gesellschaftliche Hierarchie. Unten in der Arbeiterklasse lebt Richard Wilder (Luke Evans) mit seiner schwangeren Frau (Elisabeth Moss) und seinen Kindern, in der Oberschicht findet sich Jane Sheridan (Sienna Guillory) mit ihrem kleine Sohn wieder, ganz an der Spitze wohnt natürlich Jeremy Irons als Architekt und Kopf der Nahrungskette Anthony Royal (ähnlich wie Lockführer Ed Harris in John-ho Bongs Snowpiercer). Irgendwo dazwischen, in der Mittelklasse bezieht gerade Laing seine neues Heim, in dem er sich eigentlich etwas Anonymität gewünscht hat.
Hiddlestons Figur ist keine mit Ambivalenz oder emotionalem Potenzial, sondern eher eine Leitfigur, durch dessen Augen Ben Wheatley den von Ballard erdachten Mikrokosmos etablieren kann. Das High-Rise funktioniert scheinbar nach seiner eigenen Logik, bis man merkt, dass die Gegebenheiten, wie ein hauseigener Supermarkt, nicht Teil eines futuristischen Immobilien-Entwurfs sind, sondern dazu beitragen, den Geist einer gesamten Gesellschaft innerhalb einer Lokalität einfangen zu können. So stechen au ch die wenigen herausgearbeiteten Charaktere in Laings Umfeld eher durch Charakteristiken ihrer gesellschaftlichen Gruppierung heraus, anstatt wirklich individuelle Personen zu sein.
Den schleichenden Zerfall und die nahende Apokalypse beschreibt Wheatley in einer dichten, poetischen Bildsprache, die den Worten Ballards nahe kommen dürfte – Laurie Roses Kameraarbeit erzählt in teils unglaublichen Bildern. Die Fassaden der Gesellschaft bröckeln wortwörtlich im Zerfall des High-Rise, dessen graue Farbe Laing zunehmend verschlingt. Dabei brüstet sich Amy Jumps Drehbuch nicht nur mit Plattitüden, sondern entlarvt das System unterschwellig als Illusion. In diesem ganzen Abwärtsstrudel scheint nur Luke Evans’ Charakter auch die Logik des von Ballard etablierten Systems, der auch wir als Zuschauer blind folgen, auch als das zu erkennen.
Ein großes Problem hat High-Rise jedoch. Die berauschende Sogwirkung, die solch eine Abwärtsspirale erzeugen kann, geht in der Länge der thematischen Ausschlachtung verloren. Zudem wird der finale Zustand, auf den der Zerfall hinausläuft, schon in der ersten Szene des Films vorweggenommen. Am Ende bleibt trotz all der Faszination auch ein Gefühl von Übersättigung zurück. Man könnte eine Äußerung von Jeremy Irons’ Charakter Royal in diesem Sinne fast selbstreflektiv verstehen, wenn er sich eingestehen muss, dass er sein Werk wohl mit zu vielen Elementen vollgestopft hat.
Fazit
High-Rise schildert in seinem einnehmenden Mikrokosmos den vorbestimmten Zerfall der Gesellschaft und kreiert dabei eine faszinierende Sogwirkung. Zum Ende hin geht dem Film in seiner etwas redundanten Weltuntergangs-Darstellung leider die Luft aus.