Jurassic World, USA 2015 • 124 Min • Regie: Colin Trevorrow • Mit: Chris Pratt, Bryce Dallas Howard, Ty Simpkins, Nick Robinson, Vincent D’Onofrio, Jake Johnson, Omar Sy, Irrfan Khan, BD Wong • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 11.06.2015 • Deutsche Website
Handlung
Mehr als zwanzig Jahre nach dem ersten katastrophalen Versuch, einen Dinosaurier-Freizeitpark zu eröffnen und der Menschheit ausgestorbene Tiere als Attraktion zu bieten, ist John Hammonds Vision Wirklichkeit geworden. Jurassic World heißt der neue Park, der nun wie eine gut geölte futuristische Maschine seit einigen Jahren unter der Ägide der stets gestressten und pedantischen Parkverwalterin Claire (Bryce Dallas Howard) erfolgreich läuft. Tausende von Menschen besuchen täglich den Jurassic World, der sich wie eine Art Sea World/Erlebnistierpark mit Dinos präsentiert, samt Streichenzoo, Fütterungen und Safari-Touren. Das läuft nun schon so lange gut, dass die Menschheit sich langsam an die Vorstellung der lebenden Dinosaurier gewöhnt hat. Damit das Interesse an der teuren Attraktion aber trotzdem nicht nachlässt, müssen Claire und das Genlabor von Jurassic World stets mit Innovationen aufwarten und die neuste davon heißt Indominus Rex, ein durch Genexperimente erschaffener, ultraintelligenter Über-Saurier, der bald als neues Highlight den Massen präsentiert werden soll. Lediglich das Gehege muss noch auf Sicherheit getestet werden und dazu eignet sich keiner besser als der Ex-Navy-Mann Owen (Chris Pratt), der auf der Insel Raptoren trainiert hat, auf seine Befehle (mehr oder weniger) zu reagieren. Weil Betreiber von Dinosaurierparks offensichtlich nie aus ihren Fehlern lernen, bricht die monströse Schöpfung aus und läuft Amok. Zu allem Übel befinden sich aber im Park auch Claires junge Neffen (Ty Simpkins und Nick Robinson), die ihr von ihrer Schwester (Judy Greer) über das Wochenende anvertraut wurden. Hier kann natürlich nur der Draufgänger Owen helfen und den Tag retten, bevor Jurassic World zum Schauplatz eines Massakers wird…
Kritik
Erinnert Ihr Euch daran, wie Ihr das erste Mal eine ganz neue leckere Speise gegessen habt oder wie Ihr zum ersten Mal eine coole neue Stadt bereist habt? Es mag danach noch viele andere, ähnlich leckere Speisen und noch viele weitere tolle Trips in die gleiche Stadt gegeben haben, doch es ist das erste Mal, das einen prägt und das häufig eine unerreichbare Messlatte bildet. Mit Jurassic Park hat Steven Spielberg 1993 die Dinosaurier auf der Leinwand zum Leben erweckt. Er war nicht der erste, der die Riesenechsen, die die Menschheit bereits seit über einem Jahrhundert faszinieren, auf Film gebannt hat, doch keiner tat es so überzeugend und glaubwürdig wie er. Star Wars entführte die Zuschauer in fremde Welten, Richard Donners Superman hat einen glauben lassen, ein Mensch könnte fliegen und Spielbergs perfekt kalibrierter Blockbuster zeigte, wie Dinosaurier Seite an Seite mit Menschen existieren könnten. In der ersten Begegnung mit dem Brachiosaurus fällt nicht nur den Protagonisten des Films die Kinnlade runter, sondern auch den damaligen Zuschauern.
Damit war die Katze jedoch aus dem Sack. Nach Jurassic Park wusste jeder Kinogänger, wie Dinosaurier aussehen. Das Gefühl des Staunens kann man kein zweites Mal so einfangen, im Vordergrund stand also die Frage, wie man das Gesehene sonst noch toppen kann. Die Fortsetzungen befolgten das Hollywood-Rezept: "Größer, schneller, lauter". Im zweiten Film gab es also zwei T-Rex und im dritten dann noch Flugsaurier und den Spinosaurus, der erst einmal den Publikumsliebling T-Rex töten (großer Fehler!) und damit zeigen durfte, dass er der ultimative Badass unter Dinos ist. An dieser Stelle muss ich mich outen, dass auch der zweite und der dritte Film mir Spaß gemacht haben, was an meiner ununterbrochenen Affinität für Uhrzeitechsen liegen mag, doch es steht außer Frage, dass weder Die verlorene Welt noch Jurassic Park III an den ersten Film herankamen. Waren die Ansätze immer falsch oder war der erste Jurassic Park einfach ein Zaubertrick, der nur funktioniert, wenn man ihn das erste Mal sieht?
Colin Trevorrow, der Regisseur und Co-Autor von Jurassic World, scheint sich selbst nicht ganz sicher zu sein, was die Beantwortung dieser Frage angeht. Während die anderen Sequels versucht haben, eine neue Geschichte auf einer neuen Insel zu erzählen, will Jurassic World gar nicht ein eigenes Ding sein. Getreu dem Motto "das Original ist das Wahre" strotzt der Streifen vom Anfang bis zum Ende (und viele Male zwischendurch) nur so vor Referenzen, Hommagen und Verbeugungen vor Steven Spielbergs Meisterwerk (da habe ich es gesagt!). Sei es die Gestaltung bestimmter Szenen, die Figurenzeichnung (waren Lexi und Tim im Originalfilm Scheidungskinder, so stehen die Eltern von Claires Neffen auch hier kurz vor der Scheidung) oder ein Mitarbeiter, der dafür ermahnt wird, ein Original-"Jurassic Park"-T-Shirt zu tragen – der Einfluss von Jurassic Park ist jederzeit zu spüren. Vielleicht war das gerade die richtige Entscheidung, denn mit Jurassic World erschufen Trevorrow und sein Team die bislang beste Fortsetzung des Dino-Abenteuers. Dadurch, dass der Park uns wieder durch die staunenden Augen eines Jungen präsentiert wird, gelingt es Jurassic World zumindest teilweise, die Magie und das Gefühl des Staunens einzufangen, durch welches der erste Film sich auszeichnete.
Wer ins Kino geht und eine deftige Portion an Dino-Action erwartet – also die meisten Kinogänger, die ein Ticket für den Film lösen werden – werden genau das bekommen und dann noch mit großzügigem Nachschlag. Es gibt Dinos gegen Menschen, Dinos gegen Dinos und Dinos gegen Menschen gegen Dinos en masse. Das Tempo wird sehr schnell im Film angekurbelt und lässt nie nach. Es ist vielleicht irgendwie zu bemängeln, dass man sich bei den Dinosauriern nahezu komplett auf Computereffekte verlassen hat und die Effekte eigentlich keinen enorm großen Sprung seit 1993 gemacht zu haben scheinen, doch andererseits gibt es an der visuellen Seite des Films trotzdem nichts auszusetzen und sogar das 3D wurde stellenweise überraschend gut umgesetzt, was man ja heutzutage nicht von vielen Filmen behaupten kann.
Die menschlichen Charaktere sind nicht der Rede wert. Chris Pratt spielt eine Version von Peter Quill aus Guardians of the Galaxy nur mit weniger flotten One-Linern und sollte der Film seine Bewerbung um die Indiana-Jones-Rolle sein, so hat er sich gut geschlagen, doch eine weitere Dimension hat der Charakter nicht. Ebenso geht es Bryce Dallas Howard, die eisig-unterkühlt anfängt und natürlich mütterliche Gefühle für ihre Neffen und romantische für Owen entwickelt. Vincent D’Onofrio spielt den Militär-Fiesling, wie er im Buche steht, und der Ziemlich-beste-Freunde-Star Omar Sy ist sträflich unterfordert als Owens bester Kumpel und Kollege. Doch Menschen waren nie die größte Stärke von Jurassic Park, sondern Dinos und daraus macht Jurassic World auch keinen Hehl. Es ist schon ein amüsanter Meta-Kommentar, dass die Parkbesucher sich nur noch von größeren, böseren und furchterregenderen Dinosauriern begeistern lassen. Neben den altgedienten Raptoren und dem T-Rex muss also auch der Indominus Rex herhalten, eine Gen-Mischung aus T-Rex, Tintenfisch, Fröschen und X (die letzte Zutat dürfte den meisten Zuschauern aber recht schnell klar werden). Natürlich stehen die Parkbesucher stellvertretend für die Kinogänger und Jurassic World unterwirft sich eben jenem Zwang zu "mehr". Ob man sich dann noch auf der Meta-Ebene befindet, ist vor lauter Referenzen und Ehrerbietungen auch nicht mehr klar, doch zum Glück auch irrelevant, denn bereits die nächste dicht aneinander gereihte Dino-Actionszene weiß es gut, von solchen Gedanken abzulenken. Wer sich fragt, wie die unvermeidliche Fortsetzung aussehen soll (schließlich kann man ja so ein Park-Desaster nicht zum dritten Mal zeigen), sei unbesorgt: der Film sät Samen für ein Sequel, das eine ganz neue Richtung einschlagen sollte und das wird hoffentlich besser klappen als bei den Vorgängern.
Fazit
Niemandem wird bei Jurassic World die Kinnlade herunterfallen, wie bei Spielbergs Originalfilm, und der eine oder andere Purist wird sich am enorm hohen CGI-Anteil des Films stören, doch wie auch der titelgebende Park steht Jurassic World für abwechslungsreiche, fantasievolle und außerordentlich spaßige Unterhaltung. Die dritte Fortsetzung von Jurassic Park kommt am nächsten an den Zauber des Originals heran, wenn auch einige Sequel-Macken nicht ausbleiben.