Killer Joe, USA 2011 • 102 Min • Regie: William Friedkin • Drehbuch: Tracy Letts • Mit: Matthew McConaughey, Emile Hirsch, Juno Temple, Gina Gershon, Thomas Haden Church • Kamera: Caleb Deschanel • Musik: Tyler Bates • SPIO/JK: keine schwere Jugendgefährdung • Verleih: WVG Medien • Website
Irgendwo in Dallas gibt es einen Mann mit dem Namen Joe Cooper. Joe (Matthew McConaughey) ist ein Cop – und gleichzeitig ein Auftragskiller. „Killer Joe“ lautet dann passenderweise der Titel des neuen Werkes von Oscar-Preisträger William Friedkin („French Connection“, „Der Exorzist“), welches auf einem Bühnenstück von Tracy Letts basiert. Friedkin und Letts haben bereits bei dem intensiven Psychokammerspiel „Bug“ von 2006 zusammengearbeitet, doch ihre erneute Kollaboration erweist sich als ungleich bissiger pulp fiction-Beitrag. In dieser Geschichte leben die Protagonisten in einem Trailerpark, vor der Tür liegt der Wachhund zähnefletschend an der Kette, im Fernsehen laufen Monstertruck-Shows und das Abendessen stammt von KFC. Willkommen in diesem White Trash-Universum – Willkommen bei der Familie Smith, deren Sohnemann Chris (Emile Hirsch) ganz gewaltigen Ärger am Hals hat: Der kleine Drogendealer schuldet einem ungeduldigen Gangsterboss einen schönen Haufen Geld. Wenn er nicht zahlt, wird das Konsequenzen für ihn haben, die nicht mit seinem Leben vereinbar sind. Chris ist nicht gerade eine große Leuchte, aber seine auswegslose Situation kann er durchaus einschätzen. „Killer Joe“ ist ein Film über eine dumme Idee und wie diese letztlich alle Beteiligten in einen finsteren Abgrund reitet. Chris will seine verhasste Mutter, die nun mit einem anderen Mann zusammenlebt und angeblich eine dicke Lebensversicherung auf seine jüngere Schwester Dottie (Juno Temple) ausgeschrieben hat, von Joe beseitigen lassen. Der Plan klingt zunächst narrensicher, doch natürlich läuft am Ende nicht alles rund: Der Killer folgt festen Regeln und erwartet bis zur endgültigen Auszahlung für den Auftrag einen Pfand – Chris' geliebtes Schwesterherz …
William Friedkin ist ein Profi auf dem Gebiet, raue, dreckige Bilder für seine oftmals knallharten Themen zu finden. Sein „Killer Joe“ schildert abermals keinesfalls die Sonnenseiten des Lebens, sondern folgt seinen zwielichtigen Figuren durch den Regen in heruntergekommene Spelunken, wo kaltblütige Morde an Familienmitglidern ausgesprochen werden. Neben Chris, Dottie und Joe sind außerdem Papa Ansel (Thomas Haden Church) und dessen neue Frau Sharla (Gina Gershon) in das geplante Verbrechen eingeweiht. Wie bei der Bühnenvorlage hängt sich die Story nicht an spektakulären Schauwerten oder Spezialeffekten auf, sondern konzentriert sich gänzlich auf ihre Figuren. Allen voran natürlich auf die des mysteriösen Killers. Matthew McConaughey hat dieses Jahr bereits in Steven Soderberghs „Magic Mike“ eine beeindruckende Performance vorweisen können, aber toppt seine bisherigen Arbeiten mit dieser Rolle nachdrücklich. Man verbringt gern die 100-minütige Spieldauer mit dessen charismatischen Scheusal, das sich wie eine Zecke in das Leben der Smiths festgesaugt hat. Er ist am Ende vielleicht nicht der einzige Charakter, der hier eine Chance erkannt hat, aber er ist zumindest derjenige, der letztlich als Einziger den Überblick über die Hintergründe des totsicher geglaubten Coups behält. Schließlich ist er auch immer noch ein waschechter Cop. Und ein solcher riecht eben schnell, wenn an der Sache etwas stinkt.
Auch wenn „Killer Joe“ als lupenreine, pechschwarze Crimecomedy funktioniert, ist das Werk bereits bei der US-Prüfstelle MPAA angestoßen, die dieses mit der kommerziell tödlichen NC-17-Plakette (keine Freigabe unter 17 Jahren) versehen hat. „Rated NC-17 for graphic disturbing content involving violence and sexuality, and a scene of brutality“, lautet die offizielle Begründung. Und tatsächlich mag man sich weitgehend der Entscheidung der Organisation anschließen, verfügt der Film doch über allerhand grafische Grausamkeiten (unter anderem gibt es eine Misshandlung durch eine Hähnchenkeule zu sehen), die zumindest für minderjährige Zuschauer ganz bestimmt nicht geeignet sind. Die Grenze zwischen Gut und Böse wird geradezu aufgelöst, wenn Gesetz und Kriminalität von ein und derselben Person vertreten werden. Friedkin biegt die Moral in einem seiner unbeschwertesten Filme so genüsslich, bis sie letztlich völlig zerbricht. Wenn Gerechtigkeit nur von Unschuldigen verübt werden kann, so bleibt hier dafür am Schluss lediglich eine Figur übrig. In dieser verkorksten Welt laufen die Protagonisten stets halbnackt durch die Gegend, haben wenige warme Worte füreinander übrig und Skrupel kommen immer entschieden zu spät auf. Hätte Chris seinen Verstand schon vor Planung der Tat eingeschaltet, wäre der Schlamassel in dieser Form wohl nicht entstanden. Aber dann hätten auch wir auf diese kantige wie amüsante Kinoperle verzichten müssen, die neben den erwähnten Gemeinheiten vor allem von den Leistungen seiner bestens aufgelegten Darsteller lebt. Altmeister Friedkin hat während seiner über vierzigjährigen Karriere gute und auch schlechte Arbeiten abgeliefert. Der zügellose „Killer Joe“ gehört zu seinen Gewinnern.
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