Killing Them Softly, USA 2012 • 104 Min • Regie & Drehbuch: Andrew Dominik • Mit: Brad Pitt, Richard Jenkins, James Gandolfini, Ray Liotta, Scoot McNairy, Ben Mendelsohn • Kamera: Greig Fraser • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Central Film/Wild Bunch Germany • Kinostart: 29.11.2012 • Website
Am Ende zählt nur das Geld. In „Killing Them Softly“, dem neuen Spielfilm von Andrew Dominik („Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“), töten und sterben die Charaktere einzig und allein für den schnöden Mammon. „Amerika ist kein Land, sondern ein Geschäft“ – das weiß Jackie Cogan (Brad Pitt), ein Mann für besonders schmutzige Angelegenheiten. Cogan wird von dem Unterhändler eines kriminellen Syndikats (Richard Jenkins) angeheuert, um zwei offensichtlich lebensmüde Kleinganoven zur Strecke zu bringen, die bei einem Überfall auf ein illegales Pokerspiel 50 000 Dollar erbeutet und damit ein wahres Desaster ausgelöst haben. Die Verantwortlichen sind schnell identifiziert: Die Ex-Knackis Frankie (Scoot McNairy) und Russell (Ben Mendelsohn) hätten den vermeintlich totsicheren Plan, der ihren Coup eigentlich dem großmäuligen Veranstalter Markie Trattman (Ray Liotta) in die Schuhe schieben sollte, besser noch einmal überdenken sollen. Jetzt stecken ihre Loser-Köpfe böse in der Schlinge und Vergebung ist nicht in Aussicht …
Inmitten der Finanzkrise des Jahres 2008 und vor der Kulisse eines heruntergekommenen Post-Katrina-New Orleans entbrennt in Dominiks Crimestory ein zynisches Machtspiel, das von Beginn an keinen Zweifel daran lässt, dass hier die kleinen Fische gegenüber den Mächtigen am Ende nur den Kürzeren ziehen können. Auch wenn im Hintergrund die Ansprache des damaligen Präsidentschaftskandidaten Obama von Selbstverwirklichung träumen lässt: Die beiden reichlich abgewrackten Möchtegerngangster Frankie und Russell haben sich für ihren Neustart eindeutig den falschen Ansatz ausgewählt. Sie torpedieren mit ihrer Tat unwissentlich ein System im System: Ihr Raubzug zwingt das betroffene Unternehmen zum Handeln, möchte es nicht bald ebenfalls wirtschaftlich vor die Hunde gehen. Die direkten Auftraggeber des erbarmungslosen Jägers bleiben dabei eine gesichtslose Vorstellung – eine prall gefüllte Brieftasche. Diese reicht als Motivation völlig dafür aus, anderen Menschen eine Kugel durch den Kopf zu schießen. Ein dreckiges Geschäft bleibt eben dennoch ein Geschäft. Doch auch Cogan ist kein großer Freund kaltblütiger Methoden. Entsprechend des Filmtitels zieht er es vor, seine Opfer „sanft“, aus der Distanz heraus, zu erledigen. Das verhindert die emotionale Involvierung in den Job, der eigentlich zwei Männer bedarf. Gutes Personal ist jedoch schwer aufzutreiben. Geld regiert die Welt und frische Dollarbündel scheinen in „Killing Them Softly“ die einzige Brücke zu sein, die die Figuren miteinander verbindet. Endet das Business, steht jeder wieder für sich allein da. Die Einigkeit, die Barack Obama während einer Rede nach seinem Amtsantritt angeschürt hat, ist letztlich so greifbar wie eine Seifenblase. Und so langlebig.
Lässt man seinen Blick hier nur über die Oberfläche schweifen, so funktioniert Andrew Dominiks auf dem Roman „Cogan’s Trade“ von George V. Higgins basierendes Werk außerdem als simpler, pechschwarzer Thriller, der episodenhaft und redselig sein Szenario vorantreibt. Die Inszenierung gleicht einem intensiven Rausch. Man sieht beispielsweise nicht nur, wie Drogen konsumiert werden, man wird audiovisuell mitten in die gedämpfte Wahrnehmung hineingezogen. Ebenso – im Kontrast – fährt die effektiv eingesetzte Gewalt direkt ins Zuschauermark. „Killing Them Softly“ entpuppt sich aber keinesfalls als plumpe Blut- und Bleiballade, sondern drückt unsere Nasen nur selten, aber dafür nachhaltig und unangenehm, in die menschlichen Trümmer, die der wütende Rachesturm zurücklässt. Leben sind hier nicht viel wert und wer sich gegen bestehende Regeln auflehnt, wird gnadenlos aussortiert. Es sind natürlich die Figuren, die die Zuschauer im finsteren Drama verankern und einen Bezugspunkt für das Geschehen schaffen. In erster Linie ist das aber nicht der vom wunderbar aufspielenden Superstar Pitt verkörperte Hitman, sondern Scoot McNairys im Kern sympathischer und aufgewühlter Krimineller Frankie. Ein Charakter, der lediglich versucht, aus seiner persönlichen Misere herauszukommen, sich aber auf diesem Weg nur sein eigenes Grab schaufelt.
Einen Kritikpunkt muss sich die insgesamt spannende Arbeit jedoch gefallen lassen: Im Quentin Tarantino-Zeitalter ist man ausschweifende Dialoge unter den Protagonisten zwar durchaus gewohnt, allerdings bremsen in diesem Fall einige Szenen, wie etwa das zu lang geratene, private Gejammer vom unfähigen Backup-Killer James Gandolfini, die ansonsten straffe Handlung merklich ab und wirken wie ein Fremdkörper im morbiden Gesamtbild. Aber trotz dieses kleinen Schönheitsfehlers überzeugt „Killing Them Softly“ noch immer in seiner Funktion als Crimereißer, wie auch als etwas andere Sicht auf die amerikanische Gesellschaft. Zu großen Worten von Bush, Obama und Co. fließt hier Blut und kleine wie große Scheine wechseln ihren Besitzer. Der zweite US-Film des gebürtigen Neuseeländers Andrew Dominik gibt sich mit Sicherheit nicht sonderlich spektakulär, noch ist er ein Meisterwerk oder gar der Film des Jahres. Das muss er auch gar nicht sein. Gut aufgelegte Darsteller bis in die Nebenrollen, eine innovative Umsetzung und die interessante Kopplung mit einem realen Ereignis bieten schon genügend Anlass für eine ausdrückliche Empfehlung.
Trailer
https://youtu.be/Uh3U5kQMIOw