Lost River (2014) BluRay-Kritik

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Lost River, USA 2014 • 95 Min • Regie & Drehbuch: Ryan Gosling • Mit: Christina Hendricks, Iain De Caestecker, Matt Smith, Saoirse Ronan, Ben Mendelsohn, Eva Mendes • Kamera: Benoît Debie • Musik: Johnny Jewel • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Tiberius Film • Kinostart: 28.05.2015 • Heimkinostart: 8.10.2015 • Deutsche Website

lostriverx7Die ehemalige Industriehochburg Detroit dient heute, infolge der verheerenden Wirtschaftskrise, gern als ein Symbol für den Untergang des American Dream. Viele Menschen, vor allem Künstler, pilgern inzwischen in die von Kriminalität und Armut geplagte Stadt, um die auf morbide Weise anziehenden Ruinen der früher stolzen Bauwerke einzufangen. Als Ruin Porn wird diese Bewegung dann auch manchmal etikettiert. Verlassene Wohnblocks und Hallen, verrammelte und brennende Häuser – von diesen Eindrücken ist nun auch „Lost River“, das Regiedebüt von Schauspieler Ryan Gosling, geprägt. Nur interessiert sich der „Drive“-Star in seinem Werk nicht ausschließlich für die starken Bilder, die von dem prägnanten Drehort ausgehen, sondern fügt seinem bitter-realen Hintergrund magische Aspekte hinzu. Es ist die Geschichte einer kleinen Familie am finanziellen Abgrund, deren Schicksal scheinbar nur durch das Brechen eines mysteriösen Fluchs gewendet werden kann. Der Schatten eines skrupellosen Bankunternehmens liegt über dem im Film fiktiv Lost River benannten Ort. Mittellose Menschen werden zu Objekten schaulustiger und sadistischer Geldgeber und das Gesetz scheint schon lange das Weite gesucht zu haben.

lostriverx6Im Mittelpunkt steht die alleinerziehende Mutter Billy (Christina Hendricks), die aufgrund eines aufgenommenen Kredites akut Gefahr läuft, ihr Heim zu verlieren und mit ihren zwei Jungen auf der Straße zu landen. Sollte sie nicht auf das zwielichtige Angebot ihres Beraters Dave (Ben Mendelsohn), der sie für seinen obskuren Fetischclub vorgesehen hat, eingehen, scheint sie keine Chance bei der Tilgung der hohen Schulden zu haben. Ihr jugendlicher Sohn Bones (Iain De Caestecker) steht zu ihr und versucht durch den Diebstahl von Kupfer aus leerstehenden Gebäuden Geld beizutragen. Dabei legt er sich jedoch mit dem psychotischen Bully (Matt Smith) an, der sich gern als Herrscher über Lost River darstellt und vor brutaler Gewalt keinesfalls zurückschreckt. Wie Bones bald von seiner schüchternen Nachbarin Rat (Saoirse Ronan) erfährt, hängt der Verfall des Ortes mit einem alten Zauber zusammen: Nur wer sich hinab zu der am Grund des Flusses liegenden Stadt begibt und ein Ungeheuer aus der Tiefe mitbringt, kann den dunklen Bann zerschlagen …

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lostriverx1„Lost River“ ist Ryan Goslings ganz persönliche Spielwiese. Auch wenn böse Zungen von der Erstaufführung in Cannes gern behaupten, dass der Drehbuch/Regie-Newcomer sein Werk lediglich auf die schicken Bilder von Kameramann Benoît Debie („Spring Breakers“) sowie auf Zitate im Feld zwischen David Lynch und Nicolas Winding Refn stützt, so ist sein Baby dennoch von einer ganz individuellen Atmosphäre geprägt, in der die vordergründig bodenständige Story von einer verträumten Märchenromantik geradezu aufgesogen wird. Gosling wollte in seinem Werk seine Eindrücke der Stadt Detroit reflektieren, doch anstatt sich hier nur im Elend zu wälzen, nutzt er geschickt die surreal anmutende Kulisse, um ein in seiner Schlichtheit gleichzeitig bedrückendes wie wunderschönes Familiendrama zu zeichnen: Die zerbrochenen, schwachen Einheiten müssen erst zusammenwachsen, damit sie sich selbstbewusst erheben und gemeinsam dem nur von Muskelkraft und Geld dominierten System entkommen können. Nicht nur die meisten Kritiker, sondern auch der US-Verleiher Warner Bros. hat sich in Anbetracht des nicht wirklich mainstreamfreundlichen Experimentes vor den Kopf gestoßen gefühlt – doch was hat man schließlich von dem oscarnominierten Querdenker erwartet, dessen Indie-Band Dead Man’s Bones mindestens ebensowenig für den gemeinen Chartshörer ins Leben gerufen worden ist? Hier lässt sich bereits ein Fazit ableiten, denn so hypnotisch und nachhaltig „Lost River“ auf manche Zuschauer wirken kann, so sehr kann er andere ungläubig mit den Köpfen schütteln lassen. Der Film polarisiert, und das ist auch gut so.

lostriverx8Zugegeben, die Kritik an den Ausbeutern der Wirtschaftsopfer ist hier wenig subtil ausgefallen, doch Ryan Gosling gelingt in Form des sinistren Nachtclubs ein vortreffliches Bild einer Zweiklassengesellschaft. Zum Beispiel wenn die verzweifelte Billy letztlich gar in einer hautengen Schale eingeschlossen hilflos die Lust eines Peinigers ertragen muss, wird uns spielerisch vor Augen geführt, welche Erniedrigungen für das Bestreiten des Lebensunterhaltes heute noch so möglich sind. Fundamental wichtig sind natürlich die Figuren, die von Gosling liebevoll entworfen wurden und sich bereits mit ihren ikonischen Namen (Bones, Rat, Bully) einer gewissen Märchenästhetik anpassen. Ob man den Film am Ende gänzlich metaphorisch verstehen will oder im übertragenden Sinne ein Bauernjunge einen Fluch brechen muss und so einen Drachen und grausamen Herrscher besiegen kann, liegt beim Rezipienten selbst. Wenn auch bestimmt kein ausgereiftes Meisterwerk, so gehört „Lost River“ doch mit Sicherheit zu den außergewöhnlichsten und faszinierendsten Werken des Kinojahres. In Anbetracht der optimistischen Auffassung, dass nicht ein Gebäude, sondern die Familie das Heim ausmacht, funktioniert die finale Aufnahme eines abbrennenden Hauses gar wie ein magisches Festfeuer. Vielleicht ist es gerade diese naive Annäherung, die Goslings intimem Einstand seine besondere Energie verleiht.


Information zur Heimkinoveröffentlichung

Ab dem 8. Oktober 2015 ist Lost River im Verleih von Tiberius Film in deutscher und englischer Sprachfassung (mit wahlweise deutschen Untertiteln) als DVD, Blu-Ray, 3D-Blu-Ray, Limited Collector’s Edition im Mediabook (inklusive DVD, Blu Ray, Poster und Booklet) und als 2-Disc Blu Ray O-Card (inklusive 10 Minuten längerer Extended Version) erhältlich.

LostriverbluNeben dem Hauptfilm liegen der DVD- und BluRay-Veröffentlichung folgende Extras vor:

• Interviews mit Ryan Gosling, Iain De Casestecker, Saoirse Ronan, Christina Hendricks, Matt Smith, Eva Mendes, Adam Siegel
• Kinotrailer in deutscher und englischer Fassung

(Mediabook-Cover © Tiberius Film)


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Lost River, USA 2014 • 95 Min • Regie & Drehbuch: Ryan Gosling • Mit: Christina Hendricks, Iain De Caestecker, Matt Smith, Saoirse Ronan, Ben Mendelsohn, Eva Mendes • Kamera: Benoît Debie • Musik: Johnny Jewel • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Tiberius...Lost River (2014) BluRay-Kritik