M3GAN, USA 2022 • 102 Min • Regie: Gerard Johnstone • Drehbuch: Akela Cooper • Mit: Allison Williams, Violet McGraw, Ronny Chieng, Brian Jordan Alvarez, Jen Van Epps, Lori Dungey, Stephane Garneau-Monten, Amie Donald • Kamera: Peter McCaffrey • Musik: Anthony Willis • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universal Pictures • Kinostart: 12.01.2023 • Deutsche Website
Gerard Johnstones „M3GAN“ beginnt mit dem Werbespot zu einem fiktiven Spielzeug: Ein Kind trauert an dem Grab seines Haustieres, doch soll es bald mit dem beworbenen Produkt von seinem Leid erlöst werden. Ein flauschiges Geschöpf, das die Bedürfnisse eines Kleinkindes simuliert, wird digital per Tablet mit Nahrung versorgt und kann auditiv mit Fürzen oder dem Ausscheiden von Plastikkot demonstrieren, dass es nicht ordnungsgemäß vom Besitzer behandelt worden ist. Bereits dieser Anfang des von Jason Blum („Der Unsichtbare“) und James Wan („Conjuring“) erstmals gemeinsam produzierten Sci-Fi-Horrors führt vor Augen, was die Zukunft 2.0 für uns bereit hält. Selbst eigentlich dem Zwischenmenschlichen vorbehaltene Tätigkeiten können nun über Computerprogramme aus der Distanz bedient werden – so wird es dem Nachwuchs zumindest von Kleinauf vermittelt. Eine schöne neue Welt?
An der Entwicklung der zwischen Robotik, Software und Plüsch pendelnden Kreation ist die geniale Ingenieurin Gemma (Allison Williams) beteiligt gewesen, die zusammen mit ihrem kleinen Team nun ohne Kenntnis ihres cholerischen Chefs David (Ronny Chieng) an dem Prototyp eines enorm kostspieligen KI-Androiden namens M3GAN (kurz für Android der M3-Generation) arbeitet. Der karrierefixierten Frau kommt mitten in der heißesten Phase urplötzlich der Tod ihrer Schwester und ihre dadurch verwaiste Nichte Cady (Violet McGraw) zwischen die Planungen. Pflichtbewusst aber auch ohne angebrachte Selbstreflektion, übernimmt Gemma Cadys Sorgerecht und integriert sie in ihr eigentlich nicht auf Familie ausgerichtetes Leben. Doch schon bald zeichnet sich ab, dass sie der Herausforderung nicht gewachsen ist und das trauernde Mädchen von ihr nicht den notwendigen Halt bekommt. Wie schon bei ihrer Arbeit, gelingt es Gemma scheinbar, das Problem mit ihrem technischen Know How zu lösen: M3GAN (unter der künstlichen Fassade gespielt von Amie Donald und gesprochen von Jenna Davis) soll Cadys neue beste Freundin werden und gleichzeitig soll die hier wachsende Beziehung zwischen Mensch und Maschine als Anschauungsmaterial für den geplanten Verkaufsschlager dienen. Wäre da nicht das Problem mit M3GANs mörderisch ausgeprägtem Beschützerinstinkt und das Erwachen eines eigenen Bewusstseins …
Das Drehbuch zu „M3GAN“ stammt aus der Feder von Akela Cooper nach einer Story von James Wan. Zusammen hat das Duo zuvor den äußerst wilden und reichlich bizarren Grindhouse-Schocker „Malignant“ erschaffen, mit dem sich der neue Stoff die Fülle an irren Einfällen teilt. Als „Terminator“ meets „Annabelle“ hat Wan unlängst das Projekt zusammengefasst, doch lässt sich nach Sichtung festhalten, dass eine Mischung aus dem „Chucky“-Reboot „Child’s Play“ und Alex Garlands smartem „Ex Machina“ dem Werk eher gerecht wird. „M3GAN“ ist ohne Frage beste Genre-Unterhaltung, wie man sie eben von den Studios Blumhouse und Atomic Monster erwartet, doch entpuppt sich der Film zugleich als intelligentere Zeit-Satire als es zunächst den Anschein hat. Diesen als erfrischend feminine und deutlich weniger blutrünstige (trotz PG-13 und ohne Gore schocken einige Szenen dennoch mit ihrer bösartigen Konsequenz) Antwort auf „Child’s Play“ anzupreisen, wäre nicht verkehrt, doch würde dies die weiteren Themen der Geschichte völlig unterschlagen.
So ist die lebensechte Roboter-Puppe mit ihren krassen Skills vordergründig klar die Antagonistin des Films. Doch fällt schon bald auf, dass man diese eigentlich kaum für ihre Taten verantwortlich machen kann. Es ist eine hypermoderne, hektische und auf ständige Leistung getrimmte Gesellschaft, die Schöpfungen wie M3GAN befördert, weil es mit der sogenannten Work-Life-Balance dann eben doch nicht immer gelingt. In Zeiten von Erzieherinnen- und Lehrkräftemangel werden dann die Kleinen gerne mal vor den Smartphones oder anderen technischen Gimmicks geparkt, ohne diese anzuleiten oder die Zeit in der virtuellen Welt einzuschränken. Auch M3GAN ist trotz ihres nahezu menschlichen Anlitzes immer noch eine digitale Kreatur. Wie stark die Bindung zum Androiden werden kann, erklärt im Film Cadys Psychologin: Ein verwaistes Kind baut eine besonders intensive Beziehung zur ersten Person auf, die sich seines annimmt – eben auch, wenn es sich dabei um ein menschliche Gefühle perfekt simulierendes Kunstprodukt handelt. Somit prägt sich Cady nicht nur M3GAN mit ihrem Daumendruck als erste Bezugsperson ein, sondern auch umgekehrt.
Während Cady als genau das dargestellt wird, was sie ist – nämlich ein schwer traumatisiertes und verwirrtes Kind -, konzentriert sich der neuseeländische Regisseur Gerard Johnstone im Nachfolgewerk seiner vorzüglichen Horrorkomödie „Housebound“ im Zentrum auf die von Allison Williams („Get Out“) gespielte Gemma. Die erfolgreiche Nerd-Frau ist, ähnlich wie M3GAN ihr Produkt ist, selbst ein Produkt ihres Karrieredrucks. Im Herzen versteht sie die Bedürfnisse ihrer Nichte und möchte bestmöglich für sie sorgen. Auf der anderen Seite ist sie selbst an der auch emotionalen Ausbeutung des Kindes von Seiten ihrer Firma beteiligt – der grausamste Aspekt des Films! Es ist Gemmas schwierige Lernphase, die hier vermittelt wird und welche stellvertretend für wohl viele überforderte Eltern heutzutage steht. So etwa auch für die Mutter eines reichlich auffälligen Jungen, der während einer Szene seine Zeugerin wild beschimpft und sich später wie ein psychopathischer Triebtäter über den Androiden beugt. Da hat es jemand verpasst, diesem liebevoll die Ohren langzuziehen, bevor dies auf grausame Weise nachgeholt wird.
Tonal bewegt sich das Werk überwiegend auf einem fies-schwarzhumorigen Pfad. Wenn Cady im Film von Trauer überwältigt wird und ihre Roboter-Gefährtin ihr in bester Disney-Tradition ein kitschiges Lied trällert, auf welches Teile des Firmenvorstandes wiederum mit Tränen reagieren, geht der Witz jedoch nicht auf Kosten des Kindes sondern spiegelt zynisch eine plumpe und auf einfache Lösungen bedachte Gesellschaft wider. Trauriges Kind plus singendes Spielzeug gleich Glück gleich Erfolg zum Quadrat, lautet die Formel. Den zunächst gar nicht so in den Vordergrund gerückten Horror steigert Johnstone dann nach einer Anspielung auf Wes Cravens Frankenstein-Verschnitt „Der tödliche Freund“ im letzten Drittel. Auch wenn der Klimax relativ vorhersehbar abläuft und dann der von James Wan angeführte „Terminator“ etwas bemüht zur Geltung kommt, ist „M3GAN“ ein unerwartet cleverer kleiner Techno-Schrecken mit einer definitiv prägnanten Titel-Schurkin.
Ein potenzielles Sequel hat man bei der Ausarbeitung der Geschichte schonmal eingeplant, weshalb man sich hoffentlich auf eine ähnlich bissige wie unterhaltsame Fortsetzung freuen darf.