
In der Antike gab es Hercules, Odysseus und die Götter des Olymps, im Mittelalter waren es König Artus und Robin Hood und heute haben wir Batman, Spider-Man und den Hulk. Comic-Superhelden sind die Mythen der Moderne. Sie sind immer am Puls der Zeit, spiegeln die Entwicklungen der Gesellschaft wider und repräsentieren die moralischen Werte einer idealen Welt, die wir vielleicht nie ganz erreichen werden, nach der wir aber immer streben. Die Comichelden sind stets im Wandel der Zeit, manchmal ihr sogar voraus. Wer Superhelden-Comics als bunte Heftchen mit oberflächlicher Kinder-Unterhaltung abtut, hat sich nie ernsthaft mit ihnen auseinandergesetzt.
Lange Zeit waren moderne Superhelden hauptsächlich ein US-amerikanisches Phänomen. In New Yorker Verlagsgebäuden von DC und Marvel wurden die meisten modernen Comichelden geboren – ein Produkt ihrer Zeit und ihrer Kultur. Von Superman, Spider-Man, Batman und den X-Men abgesehen, waren sie lange Zeit höchstens einem Nischenpublikum außerhalb der USA bekannt. Das änderte sich mit dem präzedenzlosen Marvel Cinematic Universe (MCU), das Superhelden endgültig zu einem weltweiten Phänomen und obskure Figuren wie die Guardians of the Galaxy zu Mainstream-Lieblingen gemacht hat. Die 35 Filme des MCU haben bis heute mehr als 31 Milliarden US-Dollar weltweit eingespielt. Auch wenn es in letzter Zeit qualitativ und kommerziell deutliche Schwankungen im MCU gab und die Medien sich gerne darauf gestürzt haben, darf man nicht vergessen, was das MCU vollbracht hat. Es ist das erfolgreichste Film-Franchise aller Zeiten und wird auch nicht in absehbarer Zeit getoppt werden.
Es sollte deshalb auch nicht überraschen, dass die offizielle Marvel-Ausstellung, die nach Zwischenstopps in Wellington, Basel und Madrid seit gestern im Kölner Odysseum zu sehen ist, einen Vorverkaufsrekord für das Erlebnismuseum aufgestellt hat, das auch schon erfolgreiche "Harry Potter"-, "Jurassic World"- und "Star Wars"-Ausstellungen beherbergte. Mehr als 35.000 Tickets wurden noch vor der Eröffnung verkauft. Ein Höhepunkt zum Abschied: Nach der Marvel-Ausstellung wird das Odysseum zumindest an seinem aktuellen Standort in Kalk nach 16 Jahren dauerhaft die Pforten schließen. Stattdessen wird das Gebäude per Stadtbeschluss zu einer Gesamtschule umgebaut. Das Odysseum sucht derweil nach einem neuen Zuhause, die Zukunft ist noch unklar.
Doch bevor das Odysseum schließt, haben große und kleine Marvel-Fans bis zum 22. Juni die Gelegenheit, in die Geschichte der Marvel-Superhelden einzutauchen. Als Marvel-Fan seit meiner Kindheit, lange bevor die Avengers die Kinos erobert haben, war ich natürlich begeistert, als "Marvel: Die Ausstellung – Universe of Super Heroes" als Abschieds-Event des Odysseum angekündigt wurde.
Am Donnerstag, einen Tag vor der offiziellen Eröffnung, wurden Journalisten zu einer Presse-Preview eingeladen, um sich ein Bild von der Ausstellung zu machen, abseits der Menschenmengen, die in den nächsten Monaten ins Odysseum strömen werden. Nach einer kurzen, von Dominik Porschen moderierten Einführung durch den Explorado-Geschäftsführer Andreas Waschk, der neben dem Odysseum auch das Abenteuermuseum Explorado in Troisdorf betreibt, sowie die Ausstellungs-Kuratoren Ben Saunders und Patrick A. Reed, gab es ein Gruppenfoto mit Spider-Man, Iron Man, Deadpool und Co. Dann ging es auch schon im eigenen Tempo rein in die Ausstellung und in der nächsten Stunde wich mir das fette Grinsen nicht mehr vom Gesicht. "Marvel: Die Ausstellung" entführt die Besucher:innen in die Welt von Comicheldinnen und -helden, aber auch in die Geschichte ihrer Schöpfer, der Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert waren (Stichwort: Comics Code) und der Bedeutung, die sie für die gesellschaftliche Entwicklung hatten und haben.
Auch wenn das Marvel Cinematic Universe natürlich eine zentrale Rolle in der Ausstellung spielt, reicht sie zum Glück auch über die Filme und Serien hinaus, die die Superhelden zum Teil des modernen Zeitgeists gemacht haben, und geht dorthin zurück, wo alles begonnen hat: die Comics. Marvel-Ikonen wie Stan Lee, Steve Ditko und Jack Kirby, ohne die das Marvel-Universum, wie wir es heute kennen, nicht existieren würde, werden in der Ausstellung ebenso gewürdigt wie die späteren Autoren und Zeichner (wie Todd McFarlane), die die moderne Ära der Marvel-Comics prägten und etablierten Figuren ihren eigenen Stempel aufgedrückt haben.
War die effektreiche "Jurassic World"-Ausstellung im Odysseum hauptsächlich für Kinder ein Highlight (und das sage ich als absoluter Jurassic-Fan seit 30 Jahren), ist die Marvel-Ausstellung viel ausbalancierter und hat unterschiedlichen Zielgruppen etwas zu bieten. Eingefleischte Comic-Fans können hier die begehrte Originalausgabe des allerersten Marvel-Comics und eine Seite aus dem einzigen erhaltenen Originalskript von Stan Lee sehen, mehr über die Geschichte und die Evolution der Marvel-Comics und ihrer Figuren erfahren und faszinierende Einblicke in den Schaffensprozess der Marvel-Autoren und -Zeichner gewinnen, die sogenannte "Marvel-Method", die die Entstehung der Comics revolutionierte. Wer sich nur für die Filme und die Serien des MCU interessiert, kann mehr als 200 Original-Requisiten und -Kostüme aus MCU-Produktionen sehen, wie Captain Americas Schild, Thors Hammer Mjölnir, Thanos' Infinity-Handschuh oder die exquisiten, oscarprämierten Kostüme aus beiden Black-Panther-Filmen.
Doch Eltern von kleinen Marvel-Fans müssen sich keine Sorgen machen, denn auch Kinder kommen hier auf ihre Kosten. Der Iron-Man-Simulator, in dem jeder selbst in die Rolle von Tony Starks Alter Ego schlüpfen kann, ist ein interaktiver Spaß für Jung und Alt, während sich große Figuren von Ms. Marvel, Hulk, Black Panther und dem Ding aus den Fantastic Four perfekt für Fotos anbieten. Ergänzt wird der Spaß auch durch als Marvel-Figuren verkleidete Performer, die durch die Ausstellung laufen und auch gerne für Fotos posieren. Welches Kind will nicht gerne mal ein Foto mit dem echten Spider-Man? Beim Ausgang durch den Souvenir-Shop kann man dann natürlich noch einen kleinen Baby Groot oder Mini-Iron-Man nach Hause mitnehmen – für den entsprechenden Preis.
Die Marvel-Ausstellung ist ab sofort im Odysseum zu sehen. Um Enttäuschungen vorzubeugen, sollte man die Tickets mit einem festen Timeslot am besten im Voraus online buchen. Bis zum 22. Juni habt ihr Zeit, das Odysseum ein letztes Mal noch zu besuchen und 85 Jahre Marvel-Geschichte hautnah zu erleben. Es lohnt sich!