Starred Up, GB 2013 • 106 Min • Regie: David Mackenzie • Mit: Jack O’Connell, Ben Mendelsohn, Rupert Friend, Sam Spruell • FSK: ab 16 Jahren • Vertrieb: Ascot Elite Home Entertainment • Heimkinostart: 28.10.2014 • Offizielle Facebook-Seite
„Mauern der Gewalt“ ist ausnahmsweise mal kein misslungener deutscher Titel. Er ist zwar vielleicht nicht der klangvollste, aber trifft den Kern des britischen Knast-Films „Starred Up“. „Starred up“ bedeutet frei übersetzt „hochgestuft“ oder „aufgestiegen“ (starred ~ Hauptrolle spielen), was auf den 19 Jährigen Eric Love zutrifft, der auf Grund seiner aggressiven Ausfälle und handgreiflichen Ausraster aus dem Jugendstrafvollzug in ein Gefängnis für erwachsene Straftäter verlegt wird. Zumal wird immer wieder deutlich, dass der Junge enormen emotionalen Ballast auf den Schultern trägt, was zu Fehlurteilen in der Bewertung sämtlicher sozialen Prozesse führen kann – ergo: Gewalt als Lösung. Diese Rolle spielt Jack O’Connell mit einem enormen Krafteinsatz und einer präsenten Authentizität. Eine Tour de Force, die hoffentlich mit guten Angeboten belohnt werden wird. Die kleineren Schwächen des Films liegen bei den leider nicht neuen Einsichten in das harte Dasein hinter Gittern.
In dem Gefängnis herrscht eine raue Stimmung vor. Es gibt Rang- und Hackordnung und jeder sollte seinen Platz kennen, um nicht zur Zielscheibe von Wärtern oder Mitgefangenen zu werden. Eric Love (Jack O’Connell) ist alles andere als anpassungswillig und ist allzeit zum Angriff oder zur Verteidigung bereit – mit allen fiesen Mitteln. Sein Vater Neville Love (Ben Mendelsohn) ist auch Dauer-Insasse und hat sich über Jahre einen Ruf und Respekt erarbeitet. Jetzt soll er dafür sorgen, dass Eric seinen Platz findet, weil die Gang-Führer im Knast keine Querschläger gebrauchen können. Zum ersten Mal scheint sich Neville um seinen Sohn kümmern zu müssen.
Stopp. Das hier ist auf keinen Fall eine rührselige Vater-Sohn-Zusammenführung. Nein, eigentlich stehen sich zwei völlig entfremdete Menschen gegenüber, die zufällig im selben Knast einsitzen, aber die nun mal verwandt sind. Die Beziehung der beiden ist unterkühlt bis eiskalt. Zu viel wurde verpasst. Zu viel Zeit ist vergangen, um sich zu öffnen. Manchmal verlaufen die Begegnungen in offener, unverhohlener Anfeindung, wo Enttäuschung auf Frust und Wut trifft. Manchmal wiederum besitzt kleine, beinah bloß angedeutete Körpersprache umso härtere Wucht. Gerade dieser Umstand macht die explosive Atmosphäre so greifbar, oder so real, damit eine Szene überschäumender Gewalt auch wirklich weh tut beim Zuschauen.
Rupert Friend („Homeland“) spielt Oliver, einen freiwilligen (?), ehrenamtlichen (?) soziale Arbeit leistenden Gruppentherapeuten, der versucht, eine lockere Gesprächsrunde zu etablieren und sich immer wieder schweigend, deeskalierend und Augenkontakt vermeidend zwischen die Streithähne stellt. Sicher, paradox-pädagogische Interventionen haben ihre Daseinsberechtigung, finden jedoch hier eher einen unpassenden Rahmen. Vielleicht entzieht sich dies jetzt auch der Fähigkeit zur Beurteilung, weil solche Settings hochsensibel sein können wie ein Pulverfass. Nun ja, jedenfalls gehört dieser Charakter zu der Sorte, die sich berufen fühlen und proaktiv für ihre Mitmenschen einstehen. Ben Mendelsohn als Erics Vater spielt wieder einmal einen heruntergekommenen Gesetzesbrecher (vergleiche den Kleinkriminellen in „Killing Them Softly“ oder „Place Beyond the Pines“). Er hat die wirklich intensive, subtile Gestik drauf, wenn er abgespannt, ausgezehrt und abgekämpft durch die Szenerie schaut. Die kompromisslose Härte erinnert an Genrevertreter wie „Bronson“ oder „Chopper“, sodass sich ab und an ein Déjà-Vu-Erlebnis einstellen kann. Sofern dieses dann überhaupt auffällt, wirft der Film die Frage auf, ob ein Gefängnis als Resozialisierungsinstrument überhaupt geeignet ist. Sind Kinderheime als Erziehungsstätte geeignet („Short Term 12“)? Sind Kirchen ein Ort der Vergebung („Am Sonntag bist du tot?“)? Genau in derlei spannungsreichen Gefilden, wo mehrwertige Antworten und das Abwägen des größten Nutzens und des kleinsten Übels regieren, bewegt sich auch der Subtext von „Mauern der Gewalt“.
DVD-Extras
Interviews mit Jack O’Connell und David Mackenzie sind gut. Mackenzie erzählt davon, dass es sein erster Genre-Film ist und über die Erfahrungen, die er damit gemacht hat. Noch interessanter ist der B-Roll. Dabei handelt es sich um einen Blick über die Schulter bei den Dreharbeiten für vielerlei Szenen und ist definitiv einen Blick wert. Es ist definitiv mehr als das übliche zweiminütige Making-Of mit Promocharakter.
Information zur Veröffentlichung
Die DVD und die BluRay im Vertrieb von Ascot Elite Home Entertainment sind seit dem 28.10.2014 im Handel erhältlich. Neben dem ungekürzten Film in deutscher und englischer Sprachfassung (deutsche Untertitel) liegen bei der Veröffentlichung folgende Extras vor:
• B-Roll
• Interviews
• Trailershow
DVD-Cover © Ascot Elite Home Entertainment