Quelle: The Academy of Motion Picture Arts and Sciences
Als am 16. Januar die diesjährigen Oscarnominierungen verkündet wurden, gab es natürlich die übliche Dosis von kleineren und größeren Überraschungen, wobei sich dieses Jahr insgesamt nicht als sonderlich auffällig erwiesen hat, was überraschende Nominierungen oder Verpasser in den wichtigen Kategorien betrifft. Eine Nominierung stach jedoch als eine Kuriosität hervor, und zwar von der Sekunde an, als Chris Hemsworth bei der Bekanntgabe der Nominees in der Kategorie "Bestes Filmlied" "Alone Yet Not Alone" aus dem Film Alone Yet Not Alone vorgelesen hat. Diejenigen, die das Oscar-Rennen bis zu dem Zeitpunkt verfolgt haben, reagierten prompt mit einem "WTF?" Dazu muss ich sagen, dass ich mich persönlich mit mehr als 200 Kinobesuchen pro Jahr und noch zahlreichen Filmsichtungen zu Hause sowie durch meine Arbeit an dieser Website für ziemlich bewandert halte, was aktuelle Filme angeht, egal, ob sie bereits in Deutschland erschienen sind oder nicht. Nichtsdestotrotz, habe ich zuvor noch nie von Alone Yet Not Alone gehört. Wie sich herausgestellt hat, tat es auch sonst kaum jemand. Dabei setzte sich der Song gegen Lana del Reys "Young and Beautiful" aus Der große Gatsby und Coldplays "Atlas" aus Die Tribute von Panem – Catching Fire durch. Fast ist diese Nominierung in die Oscar-Annalen als eine der größten Kuriositäten der letzten 20 Jahre eingegangen…wäre da nicht ein klitzekleines Problem:
Die Nominierung für die Musik zu diesem Lied, das für einen sich an ein christliches Publikum richtenden Low-Budget-Streifen, der in nur wenigen Kinos in den USA angeklaufen war, ging an einen gewissen Bruce Broughton. Broughton schrieb die Musik für viele Filme in Vergangenheit und erhielt auch eine Oscarnominierung für seine Arbeit an Silverado. Das Problem ist jedoch, dass Broughton ein ehemaliges Mitglied der Board of Governors, des Verwaltungsorgans der Academy war und aktuell eine hohe Position innerhalb der Filmmusik-Zweigs der Academy belegt. Diese Position soll er ausgenutzt haben, um der Nominierung für sein Lied auf die Sprünge zu helfen, indem er E-Mails an die Wähler dieses Zweigs verschickt hat. Seine Position innerhalb der Academy in Kombination mit der Oscarnominierung erschien bereits kurz nach der Bekanntgabe der Noms als recht dubios, jetzt folgen die Konsequenzen – die Academy hat entschieden, die Nominierung für "Alone Yet Not Alone" zu annullieren. Begründet wurde diese Entscheidung in der Pressemitteilung der Academy-Präsidentin Cheryl Boone Isaacs folgendermaßen:
No matter how well-intentioned the communication, using one’s position as a former governor and current executive committee member to personally promote one’s own Oscar submission creates the appearance of an unfair advantage.
Kein fünfter Film wird nachnominiert, es bleibt also bei nur vier Einträgen in der Kategorie:
"Happy" (Ich – Einfach unverbesserlich 2)
"The Moon Song" (Her)
"Let It Go" (Die Eiskönigin – Völlig unverfroren)
"Ordinary Love" (Mandela: Der lange Weg zur Freiheit)
Falls sich jemand fragt, ob in Vergangenheit es schon vorgekommen ist, dass vergebene Nominierungen für ungültig erklärt wurden – die Antwort lautet: ja, aber sehr selten. Viermal, um genau zu sein:
2011 – in der Kategorie "Bester Kurzfilm". Tuba Atlantic wurde erst nach der Verleihung am 26.02.2012 disqualifiziert, als bekannt wurde, dass der Film bereits 2010 im norwegischen Fernsehen gezeigt wurde.
1992 – in der Kategorie "Bester fremdsprachiger Film". Die Nominierung für A Place in the World ging an Uruguay, doch kurz darauf wurde bekannt, dass der Film eigentlich komplett in Argentinien produziert wurde.
1968 – in der Kategorie "Bester Dokumentarfilm". Young Americans gewann bei der 41. Oscarverleihung am 14. April 1969 sogar den Oscar in seiner Kategorie, doch der Preis wurde im Mai zurückgenommen wurde, als ans Licht kam, dass der Film bereits 1967 gezeigt wurde.
1931/1932 – in der Kategorie "Bester Kurzfilm (Komödie)". Warum Stout Hearts and Willing Hands nach der erfolgten Nominierung disqualifiziert wurde, ist nicht dokumentiert worden. Bekannt ist nur, dass Scratch-As-Catch-Can seinen Platz einnahm.
Da haben wir es also – Alone Yet Not Alone wird also als eine Kuriosität der anderen Art in die Oscargeschichte eingehen und als wahrscheinlich der größte Skandal, den es in der Kategorie "Bestes Filmlied" je gab.