Anora räumt bei den Filmkritikern von Los Angeles und Boston ab

Das Oscar-Rennen nimmt deutlich Fahrt auf und Favoriten in mehreren Kategorien haben sich inzwischen herauskristallisiert. Da jede Oscar-Saison jedoch aus Kritikerpreisen wie den Golden Globes, den Critics' Choice Awards und den Preisen verschiedener Filmkritikerverbände einerseits und Industriepreisen andererseits besteht, sollte man nicht vergessen, dass Kritikerlieblinge nicht zwingend auch die späteren Oscarsieger sind. So haben beispielsweise The Social Network, Boyhood und The Power of the Dog in ihren Jahren die Kritikerpreise dominiert, die Oscars gingen jedoch stattdessen jeweils an The King’s Speech, Birdman und CODA.

Das bedeutet natürlich nicht, dass die Kritikerpreise keinen Ausblick auf potenzielle Oscarnominierungen und -sieger gewähren können. Filme wie Parasite, Everything Everywhere All at Once und Oppenheimer vereinten Kritiker und Academy-Mitglieder in ihrer Begeisterung.

Dieses Jahr scheint es einen klaren Favoriten der Filmkritiker geben. Sean Bakers Tragikomödie Anora, die als erster US-amerikanischer Film seit 2011 mit der Goldene Palme in Cannes ausgezeichnet wurde, tauchte bislang auf mehr Top-10-Listen des Jahres auf und belegte häufiger den ersten Platz als jeder andere Filme dieses Jahr. Beim New York Film Critics Circle (NYFCC) wurde der Film zwar lediglich für sein Drehbuch ausgezeichnet und bei der National Board of Review reichte es nur für eine Erwähnung als einer der elf besten Filme des Jahres und eine Auszeichnung für Mikey Madison als beste Newcomerin, doch zwei weitere renommierte Filmkritikerverbände der USA haben den Film mit Preisen überschüttet.

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Bei der Los Angeles Film Critics Association (LAFCA), die neben dem NYFCC als einer der angesehensten und ältesten Filmkritikerverbände der USA gilt und seit 1975 die besten Leistungen im Bereich Film auszeichnet, hat Anora drei Auszeichnungen als bester Film und für Mikey Madisons und Yura Borisovs Performances geholt sowie den zweiten Platz in den Drehbuch- und Regie-Kategorien belegt. Letztes Jahr zeichnete LAFCA The Zone of Interest in vier Kategorien aus. Später wurde das Ausschwitz-Drama für fünf Oscars nominiert und hat zwei gewonnen. Im Gegensatz zu seinem Ostküsten-Pendant aus New York, das häufig größere Oscarfavoriten auszeichnet, sind die LAFCA Awards etwas alternativer und neigen dazu, anspruchsvollere, kleinere Arthouse-Kost zu prämieren und sie dadurch gelegentlich im Oscar-Rennen zu pushen.

Eine statistische Kuriosität stellt bei den LAFCA Awards die Regie-Kategorie dar. Seit 1996 wurden nur drei Regisseure von der LAFCA ausgezeichnet, die später nicht für einen Oscar nominiert wurden und zweimal kam es in Jahren vor, in denen LAFCA zwei Regisseure prämiert hatte, von denen jeweils der andere eine Oscarnominierung erhalten hat. Debra Granik (Leave No Trace) ist die einzige alleinige LAFCA-Regiepreis-Siegerin, die nicht für einen Oscar nominiert wurde. Das lässt natürlich die Frage aufkommen, ob der im Exil lebende iranische Systemkritiker Mohammad Rasoulof, der für seine Regie des deutschen Oscar-Einreichung Die Saat des heiligen Feigenbaums von LAFCA ausgezeichnet wurde, Außenseiter-Chancen auf eine Oscarnominierung als bester Regisseur hat.

Alle Siegerinnen und Sieger der diesjährigen LAFCA Awards, deren Darstellerpreise inzwischen geschlechtsneutral, verliehen werden, könnt Ihr unten nachlesen. Neben den Auszeichnungen für Anora freut mich auch sehr der Preis für die großartige Filmmusik von Challengers – Rivalen, die hoffentlich auch bei den Oscars Beachtung finden wird.

Bester Film

Anora
2. Platz – Der Brutalist

Beste Regie

Mohammad Rasoulof (Die Saat des heiligen Feigenbaums)
2. Platz – Sean Baker (Anora)

Beste Performance in einer Hauptrolle

Marianne Jean-Baptiste (Hard Truths) und Mikey Madison (Anora)
2. Platz – Demi Moore (The Substance) und Fernanda Torres (I’m Still Here)

Beste Performance in einer Nebenrolle

Yura Borisov (Anora) und Kieran Culkin (A Real Pain)
2. Platz – Clarence Maclin (Sing Sing) und Adam Pearson (A Different Man)

Bestes Drehbuch

Jesse Eisenberg (A Real Pain)
2. Platz – Sean Baker (Anora)

Beste Kamera

Jomo Fray (Nickel Boys)
2. Platz – Lol Crawley (Der Brutalist)

Bestes Szenenbild

Der Brutalist
2. Platz – Blitz

Bester Schnitt

Nickel Boys
2. Platz – September 5 – The Day Terror Went Live

Beste Filmmusik

Trent Reznor & Atticus Ross (Challengers – Rivalen)
2. Platz – Eiko Ishibashi (Evil Does Not Exist)

Bester fremdsprachiger Film

All We Imagine as Light
2. Platz – Die Saat des heiligen Feigenbaums

Bester Dokumentarfilm

No Other Land
2. Platz – Dahomey

Bester Animationsfilm

Flow
2. Platz – Linda will Hühnchen!

Bester Nachwuchs

Vera Drew (The People’s Joker)
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Die Boston Film Critics Society (BSFC), die letztes Jahr The Holdovers mit dem Hauptpreis und in drei weiteren Kategorien ausgezeichnet hat, hat Anora dieses Jahr besonders ins Herz geschlossen. Die Geschichte der Stripperin, die den Sohn eines russischen Oligarchen heiratet, wurde von den Bostoner Filmkritikern in vier Kategorien prämiert, darunter als bester Film und für die beste Regie. Sehr gut abgeschnitten hat bei der BSFC die Bob-Dylan-Filmbiografie Like a Complete Unknown, die die Preise für Timothée Chalamets und Edward Nortons Performances holte. Den Film sollte man im Oscar-Rennen definitiv im Auge behalten.

Alle Preisträger:innen der Boston Society of Film Critics Awards aus diesem Jahr könnt Ihr unten nachlesen:

Bester Film

Anora

Beste Regie

Sean Baker (Anora)

Bester Hauptdarsteller

Timothée Chalamet (Like a Complete Unknown)

Beste Hauptdarstellerin

Mikey Madison (Anora)

Bester Nebendarsteller

Edward Norton (Like a Complete Unknown)

Beste Nebendarstellerin

Danielle Deadwyler (The Piano Lesson)

Bestes Ensemble

Sing Sing

Bestes Originaldrehbuch

Sean Baker (Anora)

Bestes adaptiertes Drehbuch

RaMell Ross & Joslyn Barnes (Nickel Boys)

Bester Schnitt

Challengers – Rivalen

Beste Kamera

Lol Crawley (Der Brutalist)

Beste Filmmusik

Daniel Blumberg (Der Brutalist)

Bester Dokumentarfilm

No Other Land

Bester Animationsfilm

Flow

Bester fremdsprachiger Film

Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt

Beste(r) neue(r) Filmemacher(in)

Annie Baker (Janet Planet)
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Quellen: Los Angeles Film Critics Association, Boston Society of Film Critics

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