Quelle: American Society of Cinematographers
Die American Society of Cinematographers (ASC), ein etwa 450 Mitglieder starker US-Verband von professionellen Kameraleuten, die bereits ausgezeichnete Referenzen in der Filmindustrie gesammelt haben, hat soeben seine Nominierungen für die Beste Kameraarbeit des vergangenen Jahres bekanntgegeben. Wie bei allen Industriepreisen (siehe PGA oder ADG) geben auch diese Auszeichnungen einen Ausblick auf die entsprechende Oscarkategorie (in diesem Fall natürlich "Beste Kamera"), zeigen aber auch, welche Filme generell viel Beachtung bekommen. Als Faustregel gilt: je mehr Nominierungen ein Film von den Gewerkschaften und Industrieverbänden bekommt, desto stärker ist seine Position im Oscar-Rennen.
Nachdem die ASC letztes Jahr erstmals sieben Filme nominiert hat (vermutlich aufgrund eines Gleichstands), kehrt der Verband dieses Jahr wieder zu fünf Nominees zurück. Die folgenden fünf Filme sollen also die am schönsten abgefilmten Bilder von 2014 beinhalten:
Birdman (Emmanuel Lubezki)
Grand Budapest Hotel (Robert Yeoman)
The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben (Óscar Faura)
Mr. Turner – Meister des Lichts (Dick Pope)
Unbroken (Roger Deakins)
Es konkurrieren also wieder die zwei vermutlich besten Kameraleute Hollywoods gegeneinander – Roger Deakins (Unbroken) und Emmanuel Lubezki (Birdman). Die beiden bringen es zusammengerechnet auf 18 ASC-Nominierungen und sechs Siege. Letztes Jahr waren sie erstmals gegeneinander nominiert gewesen, wobei Lubezkis grandiose (wenn auch umstritten CGI-basierte) Arbeit bei Gravity sich gegen die Old-School-Arbeit von Deakins bei Prisoners durchsetzen konnte. Deakins und Lubezki haben den ASC Awards jeweils dreimal gewonnen, wobei Deakins dafür 12-mal nominiert werden musste und Lubezki lediglich viermal. Aktuell gilt Lubezki dank seiner erstaunlichen Arbeit bei Birdman, bei dem erfolgreich vorgetäuscht wird, der Film wäre in einem einzigen Take gedreht worden, als haushoher Oscarfavorit, nachdem er schon im Jahr zuvor für Gravity gewonnen hat. Sollte er bei der ASC gewinnen, wird er mit dem verstorbenen Conrad L. Hall gleichziehen als der meistprämierte Kameramann in der Geschichte der ASC-Awards. Hall gewann vier Preise von fünf Nominierungen, bei Lubezki wäre es dann identisch. Dass Deakins stattdessen für Unbroken gewinnt und Halls Rekord einstellt, halte ich für eher unwahrscheinlich. Seine Bilder bei Unbroken sind toll, gehören jedoch bei weitem nicht zu den besten des Jahres.
Unter den anderen drei Nominees gibt es zwei ASC-"Neulinge" – Wes Andersons Stamm-Kameramann Robert Yeoman (Grand Budapest Hotel) und Óscar Fauro (The Imitation Game). Ganz besonders freut mich die Nominierung von Dick Pope für Mr. Turner – Meister des Lichts, der in meinen Augen nach Lubezki die zweitbeste Kameraarbeit des Jahres abgeliefert hat – schaut Euch doch einfach das Artikelbild an für ein Beispiel der tollen Shots aus dem Film. Pope wurde in Vergangenheit für seine Arbeit an The Illusionist sowohl von der ASC als auch von der Academy nominiert.
Was mich überrascht ist, dass sowohl Interstellar als auch Gone Girl den Einzug unter die Nominees hier verpasst habe, vor allem zugunsten einer doch recht gewöhnlichen und unauffälligen Kameraarbeit wie Fauros bei The Imitation Game. Mich beschleicht das Gefühl, dass der Film vor allem nominiert wurde, weil er generell als starker Oscarkandidat gilt und hier einfach auf der Welle des Erfolgs mitschwimmt.
Doch wie verhalten sich die ASC Awards zu den Oscars? Was Vorhersage der Nominierung angeht sehr gut. In den letzten zehn Jahren wurden nur neun Filme von der Academy für ihre Kamera nominiert, ohne zuvor von der ASC auch nominiert worden zu sein (dazu gehören u. a. Gefährten, Django Unchained und The New World). Als Faustregel kann man davon ausgehen, dass mindestens vier der von der ASC nominierten Filme, auch von der Academy nominiert sein werden. Als absolut sicher sehe ich hier nur Birdman und Unbroken. Jeder der anderen drei könnte zugunsten von Ida (die Academy liebt Schwarzweiß!), Gone Girl oder Interstellar rausfliegen.
Was die Vorhersage der Gewinner angeht, schneidet die ASC deutlich schlechter ab. Die Kameraleute haben scheinbar ganz andere Kriterien als die Academy (dort stimmen ja bei der Vergabe der Preise alle Mitglieder in fast allen Kategorien ab). Nur in 11 von 28 Jahren stimmte der Gewinner der ASC mit dem der Oscars überein. Zweimal kam es sogar vor, dass der spätere Oscargewinner für "Beste Kamera" von der ASC nicht einmal nominiert wurde (Glory und Pans Labyrinth).
Die ASC vergibt ihre Preise am 15.02. Genau einen Monat zuvor werden wir schon erfahren, welche Kameraleute auch bei den Oscars auf einen Preis hoffen dürfen.