Toni Erdmann und acht weitere Filme in der Vorauswahl für den Auslands-Oscar 2016

Links: Ein Mann namens Ove © 2016 Concorde Filmverleih
Mitte: Einfach das Ende der Welt © 2016 Weltkino Filmverleih
Rechts: Toni Erdmann © 2016 NFP marketing & distribution 

Quelle: Academy of Motion Picture Arts and Sciences

Nächstes Jahr wird der Oscar in der Kategorie "Bester fremdsprachiger Film" zum 50. Mal verliehen. Es ist schon sieben Jahre her, dass Deutschland in dieser Oscarkategorie vertreten war – damals mit Michael Hanekes Das weiße Band, der trotz Favoritenstatus leer ausging (Japan gewann für Nokan – Die Kunst des Ausklangs). Seitdem kamen zwar drei deutsche Filme nah dran an eine Nominierung und schafften es in die von der Academy veröffentlichte enge Vorauswahl von neun Filmen, doch letzten Endes hat es für Pina, Zwei Leben und Im Labyrinth des Schweigens doch nicht geklappt. Es ist die längste Phase ohne eine Nominierung für Deutschland seit über 40 Jahren, doch nächstes Jahr soll die Pechsträhne endlich ein Ende haben, denn Cannes-Liebling und Arthouse-Hit Toni Erdmann gilt nicht nur als ein sehr wahrscheinlicher Kandidat für eine Nominierung, sondern ihm werden auch gute Siegeschancen zugerechnet. Jetzt hat Maren Ades anspruchsvolle Komödie eine wichtige Hürde geschafft und erreichte gemeinsam mit acht weiteren Filmen die Vorauswahl der Academy.

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Wie auch schon in der Kategorie "Beste visuelle Effekte" wird auch in dieser (als Auslands-Oscar bekannten) Kategorie eine Shortlist zusammengestellt, aus der die finalen fünf Nominees gewählt werden. Der Prozess dabei ist jedoch einzigartig und führt fast jedes Jahr zu diversen Überraschungen im Vorfeld. Überraschungen blieben auch dieses Jahr nicht aus. Von den fünf Filmen, die die Golden Globes in der Kategorie nominiert haben, schaffte es nur Toni Erdmann auch in die Vorauswahl der Academy. Obwohl Paul Verhoevens böse Gesellschaftssatire Elle (Frankreich) zahlreiche Preise gewann, bei den Critics' Choice Awards als "Bester fremdsprachiger Film" prämiert wurde und seine Hauptdarstellerin Isabelle Huppert als heiße Kandidatin für eine Oscarnominierung gilt, ist der Film bereits früh aus dem Oscar-Rennen geflogen. Ein schwarzhumoriger Blick auf eine Vergewaltigung war wohl nicht Jedermanns Geschmack.

Ebenso überraschend (aber zugleich auch nicht so ganz) ist die Abwesenheit von Park Chan-Wooks cleverem Mysteryfilm Die Taschendiebin (Südkorea), der von zahlreichen Kritikerverbänden zuvor ausgezeichnet wurde (darunter in Chicago und Los Angeles). Aufgrund seiner recht expliziten Sexszenen habe ich aber schon damit gerechnet, dass er den im Schnitt eher älteren Academy-Mitgliedern sauer aufstoßen würde. Auch Pablo Larraíns Biopic Neruda (Chile) und Pedro Almodóvars Julieta sind nicht auf der Shortlist. Dadurch, dass diese potenziellen Siegeskandidaten schon früh eliminiert wurden, steigen natürlich die Chancen von Toni Erdmann. Sollte der Film nominiert werden, wäre es die 19. Nominierung für Deutschland insgesamt (inkl. DDR und West-Deutschland). Mehr schafften bislang nur Italien (31) und Frankreich (39). Gewonnen hat Deutschland seit der Wiedervereinigung zweimal: für Nirgendwo in Afrika und Das Leben der Anderen.

Unten findet Ihr die neun Filme, die um die fünf Plätze auf der Nominierungsliste miteinander konkurrieren:

Tanna – Australien
Einfach das Ende der Welt – Kanada
Unter dem Sand – Dänemark
Toni Erdmann – Deutschland
The Salesman – Iran
The King’s Choice – Norwegen
Paradies – Russland
Ein Mann namens Ove – Schweden
Mein Leben als Zucchini – Schweiz

Falls Ihr Euch nun fragt, wie diese Vorauswahl überhaupt zustandekam, hier eine kurze Erklärung:

In der 1. Phase der Abstimmung wurden mehrere Hundert Academy-Mitglieder aus Los Angeles zu den Screenings aller eingereichten Filme (dieses Jahr 85) eingeladen, die zwischen Mitte Oktober und 12. Dezember stattgefunden haben. Die sechs beliebtesten Filme dieser Mitglieder kamen in die Vorauswahl. Drei zusätzliche Filme wurden von einem Sonder-Komitee der Academy für diese Kategorie ausgewählt. Wer in diesem Komitee sitzt und nach welchen Kriterien die drei weiteren Filme gewählt werden, ist, wie bei so vielen Dingen innerhalb der Academy, ein Mysterium…

Zwischen dem 13. und dem 15. Januar werden dann gesondert eingeladene Academy-Wähler in Los Angeles, New York und London die neun Filme aus der Vorauswahl zu sehen bekommen (drei pro Tag) und werden dann über ihre Favoriten abstimmen, von denen fünf eine Oscarnominierung erhalten werden. Die Oscarnominierungen werden am 24. Januar bekanntgegeben werden.

Was fällt beim ersten Blick auf die Vorauswahl auf? Kein einziger Film aus Südamerika ist dabei, Iran ist das einzige asiatische Land und auch die so häufig nominierten Länder Spanien, Italien und Frankreich fehlen. Dafür war es offensichtlich ein sehr starkes Jahr für Skandinavien, das gleich drei Filme auf der Shortlist hat. Auch ein Animationsfilm ist dabei: Mein Leben als Zucchini aus der Schweiz wurde bereits überraschend als "Bester Animationsfilm" bei den Golden Globes nominiert. Das einzige Land in der Vorauswahl, das noch nie in dieser Kategorie nominiert wurde, ist Australien mit Tanna. Allerdings hat Australien auch nur zehn Filme insgesamt eingereicht (da die Landessprache ja Englisch ist). Das alleine erhöht Tannas Chancen sehr, denn die Academy nominiert gerne Länder erstmals, wenn sie es schon in die Vorauswahl schaffen – bei den letzten Oscars waren es Kolumbien (Der Schamane und die Schlange) und Jordanien (Theeb).

Neben Toni Erdmann ist der stärkste Kandidat, der noch im Rennen ist (und dem ich auch voll und ganz den Sieg gönnen würde) ist Asghar Farhadis komplexes Drama The Salesman aus Iran. Farhadi gewann bereits 2012 den Auslands-Oscar für Nader und Simin – Eine Trennung und für Le Passé hätte er zumindest eine Nominierung verdient gehabt. The Salesman wurde diesen Monat von der National Board of Review als "Bester fremdsprachiger Film" ausgezeichnet und es würde mich sehr überraschen, wenn er eine Oscarnominierung verpassen würde.

Eine potenzielle Überraschung könnte allerdings Schwedens Ein Mann namens Ove darstellen, der als Feelgood-Film, dessen Hauptfigur im Durchschnittsalter der Academy-Wähler ist, den richtigen Nerv treffen könnte. Auch an den nordamerikanischen Kinokassen hat Ein Mann namens Ove für einen fremdsprachigen Film relativ gut abgeschnitten.

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