Links: Aus dem Nichts © 2017 Warner Bros. Pictures
Rechts: The Square © 2017 Alamode Filmverleih
Quelle: Academy of Motion Picture Arts and Sciences
Deutschland hat die Chance auf seine 11. Oscarnominierung in der Kategorie "Bester fremdsprachiger Film" seit der Wiedervereinigung. Fatih Akins NSU-Terrorismusdrama Aus dem Nichts, für das Diane Kruger bereits in Cannes als "Beste Darstellerin" ausgezeichnet wurde, hat es in die Vorauswahl in der Kategorie geschafft. Wie bereits in der Effekte-Kategorie bestimmt ein Teil der Academy noch vor den endgültigen Nominierungen eine Vorauswahl, aus der dann die finalen Nominees gewählt werden.
Die Vorauswahl enthält insgesamt neun Filme, von denen fünf nominiert werden. Eingereicht wurden ursprünglich Filme aus 92 Ländern (immer ein Film pro Land), was einen neuen Rekord darstellt. Sechs Länder haben dieses Jahr erstmals einen Film eingereicht und einer davon schaffte es sogar direkt in die Vorauswahl (Senegal mit Félicité). Zustandegekommen ist die Vorauswahl folgendermaßen: Zwischen Mitte Oktober und dem 11. Dezember wurden mehrere Hundert Academy-Mitglieder aus Los Angeles zu den Screenings aller eingereichten Filme eingeladen. Daraufhin stimmten sie über ihre Favoriten ab. Die sechs beliebtesten Filme kamen in die Vorauswahl. Diese wurde dann durch ein etwas nebulöses Sonder-Komitee der Academy durch drei weitere Filme ergänzt.
Dass Aus dem Nichts es so weit geschafft hat, ist ein gutes Zeichen, doch man sollte sich nicht zu früh freuen. Auch Zwei Leben, Im Labyrinth des Schweigens und Pina landeten in der Vorauswahl, wurden aber später nicht nominiert. Toni Erdmann beendete dieses Jahr eine lange Durststrecke und wurde als erste deutsche Einreichung seit Das weiße Band von 2009 nominiert.
Sollte Aus dem Nichts nominiert werden, was ich dem Film angesichts seiner brisanten Thematik und der Cannes-Auszeichnung für Kruger zutraue, wird Deutschland, einschließlich der vorherigen Nominierungen für die DDR (1) und Westdeutschland (8), an Spanien vorbeiziehen als die Nation mit den drittmeisten Nominierungen in der Kategorie. Gewonnen hat Deutschland seit der Wiedervereinigung zweimal: für Nirgendwo in Afrika und Das Leben der Anderen.
Zwei weitere Cannes-Favoriten haben es auch in die Vorauswahl geschafft: Russlands Loveless, der den Preis der Jury bei den Filmfestspielen gewonnen hat, und die schwedische Satire The Square, die mit der Goldenen Palme, dem Hauptpreis des Festivals, prämiert wurde.
Die größte Überraschung der Liste ist jedoch, dass Frankreichs Einreichung 120 BMP über die Aktivisten, die AIDS in den frühen Neunzigern in Frankreich thematisierten, abwesend ist. Der Film gewann in Cannes den Großen Preis der Jury und räumt aktuell bei den Kritikerpreisen die meisten Auszeichnungen für den "Besten fremdsprachigen Film" ab. Damit ist ein früher Favorit aus Frankreich zum zweiten Mal in Folge früh ausgeschieden, nachdem Elle letztes Jahr ebenfalls überraschend die Vorauswahl verpasste. 120 BMP wurde eigentlich als Favorit für den Sieg in der Kategorie gehandelt. Auch Michael Hanekes Happy End und Angelina Jolies kambodschanische Einreichung Der weite Weg der Hoffnung sind bereits rausgeflogen.
Doch der Auslands-Oscar spielte schon immer nach eigenen Regeln und vermeintliche Favoriten wie 4 Monate, 3 Woche und 2 Tage, Höhere Gewalt und Ziemlich beste Freunde haben allesamt keine Nominierung erhalten.
Hier sind die neun Filme, die noch im Rennen verbleiben:
Eine fantastische Frau – Chile
Aus dem Nichts – Deutschland
The Square – Schweden
Die Wunde – Südafrika
Loveless – Russland
The Insult – Jordanien
Körper und Seele – Ungarn
Félicité – Senegal
Foxtrot – Israel
Zwischen dem 12. und dem 14. Januar werden dann Academy-Wähler in Los Angeles, New York, San Francisco und London dazu eingeladen, die neun Filme bei speziellen Screenings zu sehen (je drei am Tag). Für einige weitere Mitglieder wird es die Möglichkeit geben, die neun Filme auch zu streamen. Die Voraussetzung, in der Kategorie abstimmen zu dürfen, ist, dass man alle neun Filme gesehen hat. Am 23. Januar werden dan die fünf Finalisten bekanntgegeben.
Wenn ich mir die letzten fünf Jahre in dieser Kategorie anschaue, dann fällt mir auf, dass in jedem Jahr mindestens ein Film nominiert war aus einem Land, das zuvor noch nie eine Nominierung bekommen hat. Die Academy strebt an, möglichst vielen Ländern die Anerkennung zukommen zu lassen. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb die zwei mit Abstand meistnominierten und meistprämierten Länder der Academy-Geschichte in dieser Kategorie (Italien und Frankreich), schon zum zweiten Mal in Folge vor der Vorauswahl aus dem Rennen geflogen sind. Letztes Jahr wurde erstmals ein Film aus Australien nominiert. Im Vorjahr waren Kolumbien und Jordanien zum ersten Mal dran. Chile, Kambodscha, Estland und Mauretanien waren in den drei Jahren davor zum ersten Mal nominiert.
Von den verbleibenden neun Filmen kommen zwei aus Ländern, die noch nie eine Nominierung erhalten haben: The Insult aus Lebanon und Félicité aus Senegal, wobei letzterer sogar die allererste Einreichung des Landes ist. Ich könnte mir gut vorstellen, dass mindestens einer der beiden, oder gar beide, nominiert werden.
Sehr gute Chancen haben auch Chiles Die fantastische Frau und Südafrikas Die Wunde, gerade wegen der Thematik (Transsexualität und Homosexualität). Foxtrot aus Israel rechne ich ebenfalls gute Chancen zu. Israel hält aktuell als das Land mit den meisten Nominierungen (10), das noch nie einen Oscar in der Kategorie gewonnen hat. Die National Board of Review zeichnete Foxtrot zu Beginn der Oscar-Saison in der Kategorie aus. Die Organisation hat auch letztes Jahr als erste den späteren Oscarsieger The Salesman als besten fremdsprachigen Film prämiert.