Leonie Benesch in Das Lehrerzimmer © 2023 Alamode Filmverleih
Quelle: Academy of Motion Picture Arts and Sciences
Am 23. Januar wird die Academy of Motion Picture Arts and Sciences die Nominierungen der 96. Oscarverleihung offiziell verkünden. Eine kleine Vorschau, wie diese in zehn Kategorien aussehen könnten, gibt es jedoch schon diesen Monat. Traditionell veröffentlicht die Academy im Dezember eine Vorauswahl an Filmen in zehn hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, technischen Kategorien, die sogenannten "Shortlists", aus denen dann die endgültigen Nominees gewählt werden. Während beispielsweise für den Ton-Oscar erst seit drei Jahren eine Vorauswahl getroffen wird, ist das in der Kategorie "Bester internationaler Film", ehemals als "Bester fremdsprachiger Film" oder gemeinhin als Auslands-Oscar bekannt, schon länger das Vorgehen.
Ursprünglich wurde die Vorauswahl in der Kategorie von einer kleinen Gruppe der Academy-Mitglieder getroffen, bevor später die gesamte Academy zur Abstimmung über die finalen Nominees eingeladen wurde. Inzwischen sind alle (rund 10.500) Mitglieder der Academy dazu eingeladen, an der Vorauswahl teilzunehmen. Die Voraussetzung dafür ist, dass sie nachweislich eine Mindestzahl der eingereichten Filme sichten. Aus diesen werden dann 15 Filme mit den meisten Stimmen ausgewählt und kommen in die zweite Runde. Für die finale Auswahl der fünf Oscarkandidaten müssen die Wähler alle 15 Filme gesehen haben, becor sie abstimmen.
Nachdem Im Westen nichts Neues dieses Jahr erstmals seit Das Leben der Anderen den Oscar nach Deutschland geholt hat, ist mit Das Lehrerzimmer wieder ein deutscher Kandidat im Rennen, der zumindest schon die erste Hürde geschafft hat und in die Vorauswahl gekommen ist. Nach seinem Oscarsieg ging Im Westen nichts Neues vergangenen Mai mit insgesamt 12 Nominierungen als haushoher Favorit in die Verleihung des Deutschen Filmpreises (Lola). Zwar gewann der Kriegsfilm auch neun Lolas, in der Hauptkategorie "Bester Film" setzte sich Ilker Çataks siebenfach nominierter Berlinale-Beitrag Das Lehrerzimmer durch, der insgesamt fünf Lolas, darunter auch für seine Regie, seine Hauptdarstellerin und sein Drehbuch holte. Völlig verdient, wie ich finde, denn während Im Westen nichts Neues ein solider (Anti-)Kriegsfilm war, war Das Lehrerzimmer trotz seiner sehr simplen Geschichte einer der packendsten Filme, die ich dieses Jahr im Kino gesehen habe.
Einige Monate nach seinem überraschenden Triumph beim Deutsche Filmpreis wurde Das Lehrerzimmer als Deutschlands Beitrag für den Auslands-Oscar 2024 eingereicht und hat es zumindest shcon in die nächste Runde geschafft. Ilker Çatak ist jedoch nicht der einzige deutsche Filmemacher in der Vorauswahl. Auch Regielegende Wim Wenders ist mit seinem Film Perfect Days für Japan im Rennen. Beide Filme haben für die Endrunde harte Konkurrenz. Mit Beiträgen aus Spanien, Frankreich, Japan, Dänemark und Italien sind alle fünf meistprämierten Länder in der Geschichte des Auslands-Oscars in der Vorauswahl repräsentiert. Als klarer Favorit gilt Jonathan Glazers Auschwitz-Drama The Zone of Interest, das in Cannes den Großen Preis der Jury gewonnen hat. Großbritannien hat als primäres Produktionsland den deutschsprachigen Film mit Sandra Hüller eingereicht. Hüllers anderer Cannes-Sieger Anatomie eines Falls wurde von Frankreich überraschenderweise zu Gunsten von Geliebte Köchin übergangen. Jedes Land darf nämlich nur einen Film einreichen.
Insgesamt 88 Länder reichten dieses Jahr Filme ein. Hier ist die komplette Vorauswahl der 15 Halbfinalisten:
Amerikatsi – Armenien
The Monk and the Gun – Bhutan
The King’s Land – Dänemark
Fallende Blätter – Finnland
Geliebte Köchin – Frankreich
Das Lehrerzimmer – Deutschland
Godland – Island
Io Capitano – Italien
Perfect Days – Japan
Tótem – Mexiko
Die Schneegesellschaft – Spanien
The Mother of All Lies – Marokko
Olfas Töchter – Tunesien
20 Tage in Mariupol – Ukraine
The Zone of Interest – Großbritannien
____________________________________
The Zone of Interest ist der einzige Film aus der Vorauswahl, bei dem ich mit Sicherheit sagen kann, dass er nominiert werden wird. Sehr gute Chancen haben aber auch Finnlands Fallende Blätter und Spaniens Die Schneegesellschaft. Ukraine, Marokko und Armenien sind die einzigen drei Länder in der Vorauswahl, die noch nie für den Auslands-Oscar nominiert waren. Ukraines dokumentarischer Beitrag 20 Tage in Mariupol könnte allein schon aus politischen Gründen nominiert werden. Neben Tunesiens Olfas Töchter ist der Film übrigens zusätzlich auf der Shortlist in der "Bester Dokumentarfilm"-Kategorie gelandet.
Letztlich darf man nicht vergessen, dass gerade diese Kategorie häufig für eine Überraschung gut ist. Mit dem Blick auf die Liste stelle ich jedenfalls fest, dass ich großen Nachholbedarf habe. Von den 15 Filmen habe ich bislang lediglich Das Lehrerzimmer gesehen. Welche der Filme kennt Ihr bereits?
So sah die Vorauswahl übrigens letztes Jahr aus, aus der letztlich Close, Im Westen nichts Neues, The Quiet Girl, Argentinien, 1985 und EO nominiert wurden.