Talent alleine reicht nicht aus, um in Hollywood ganz groß herauszukommen. Ein echter Star braucht dieses gewisse Etwas, das ihn aus der Masse herausstechen lässt. Das kann man weder antrainieren noch erzwingen. Nur wenige Minuten nach ihrem ersten Auftritt in Martin Scorseses The Wolf of Wall Street war klar, dass Margot Robbie diese unbeschreibliche Starqualität besitzt. Wenn sie in einem Raum ist, richten sich alle Augen auf sie. Natürlich ist sie auch eine verdammt gute Schauspielerin, die sogar als Newcomerin in The Wolf of Wall Street mit Leonardo DiCaprio mithalten konnte, doch ihre Ausstrahlung geht darüber hinaus.
Hollywood war in und weg von ihr. In kürzester Zeit wurde die Australierin zu einer der gefragtesten Schauspielerinnen der Gegenwart. Quentin Tarantino wollte sie für Once Upon a Time in Hollywood, Warner Bros. sah in ihr die perfekte Harley Quinn und in David Yates' The Legend of Tarzan verdrehte sie als Jane Tarzan den Kopf. Doch trotz ihrer rasant gestiegenen Popularität und zwei Oscarnominierungen (für I, Tonya und Bombshell), hat ihre Karriere vorletztes Jahr Anfang der 2020er mehrere herbe Rückschläge erlitten. Ihre Rückkehr als Harley Quinn in Birds of Prey enttäuschte 2020 an den Kinokassen. Ein Jahr später floppte James Gunns The Suicide Squad trotz erheblich besserer Kritiken als der erste Film. Doch das Schlimmste stand noch bevor: 2022 spielte Robbie Hauptrollen in zwei der fünf größten Kassenflops des Jahres. Auf Papier lasen sich sowohl David O. Russells Amsterdam als auch Damien Chazelles Babylon – Rausch der Ekstase als potenzielle Oscarkandidaten. Stattdessen polarisierten die Filme und floppten an den Kinokassen. Zusammen haben sie rund 195 Millionen US-Dollar Verlust für ihre jeweiligen Studios Disney und Paramount gemacht. Robbie drohte der Ruf als Kassengift.
Umso bemerkenswerter war ihr Comeback letztes Jahr, als Barbie ihren Status als Superstar endgültig zementieren und die Misserfolge aus dem Vorjahr wiedergutmachen konnte. Mit einem Einspiel von mehr als $1,4 Milliarden wurde die satirische Komödie zum erfolgreichsten Film des letzten Jahres und zusammen mit Oppenheimer zu einem echten Zeitgeist-Phänomen. Der Film erhielt acht Oscarnominierungen (leider keine für Robbies Performance) und erzielte einen Profit von rund $421 Millionen für Warner Bros. Weil sie den Film mitproduziert hat, hat Robbie selbst rund $50 Millionen mit ihm verdient.
Barbie ließ die meisten ihre beiden kommerziellen Ausrutscher von 2022 vergessen, doch Robbie selbst trauert einem der beiden Misserfolge nach. Wie sie in einem Podcast kürzlich erzählte, kann sie immer noch nicht nachvollziehen, weshalb Babylon dermaßen untergegangen ist und vom Publikum nicht gut aufgenommen wurde: (aus dem Englischen)
Ich verstehe es auch nicht. Ich weiß, dass ich voreingenommen bin, weil ich dem Projekt sehr nahe bin, aber ich kann immer noch nicht verstehen, weshalb die Leute es gehasst haben. Ich frage mich, ob die Leute in 20 Jahren dann sagen: "Moment, Babylon ist damals gefloppt?" So wie man hört, dass Die Verurteilten seinerzeit an den Kinokassen gefloppt ist und sich fragt: "Wie ist das möglich?"
Es ist natürlich ganz schön gewagt, Babylon mit Die Verurteilten, der als einer der besten Filme aller Zeiten gilt, zu vergleichen. Nichtsdestotrotz finde ich den massiven Flop des Films auch bedauerlich, wenn auch nicht sonderlich überraschend. Regisseur Damien Chazelle, der nach Whiplash und La La Land, mit dem er zum jüngsten Sieger des Regie-Oscars aller Zeiten wurde, als Regie-Wunderkind galt, hatte bei Babylon absolut freie Hand und ein üppiges Budget ($80 Millionen) für einen Film, der wenig Massen-Appeal hatte. Babylon ist ein dreistündiges Epos über die Partys und Exzesse in Hollywood der 1920er und 1930er Jahre, das mehreren Schicksalen folgt. Der Film sah toll aus, der Jazz-Score war fantastisch und die Chazelles Ambition bewundernswert. Ich ziehe den Hut vor ihm, weil er einen Film ganz nach seinen Vorstellungen und ohne Kompromisse gedreht hat. Doch für welches Publikum war dieser Film, außer für Chazelle selbst, der offenbar eine große Faszination für die Ära hat?
Diese Frage hat sich offenbar niemand gestellt und Babylon spielte weltweit gerade einmal $63 Millionen ein, wobei er in Europa marginal besser lief als in den USA. Fünf Golden-Globe- und drei Oscarnominierungen sprechen dafür, dass zumindest gewisse Qualitäten des Films anerkannt wurden. Es ist kein Film, den ich liebe. Genau genommen, ist es sogar der schwächste Film von Chazelle, den ich bislang gesehen habe. Dennoch finde ich es löblich, dass jemand den Mut hatte, seine wirklich wenig massentaugliche Vision zu finanzieren und hoffe, dass er über die Jahre tatsächlich sein Publikum finden wird – im Gegensatz zu Amsterdam, der wirklich einfach nur sterbenslangweilig war.
Falls Ihr den Film noch nicht kennt und neugierig geworden seid, könnt Ihr ihn aktuell bei Netflix nachholen. Hier ist der deutsche Trailer:
Quelle: The Talking Pictures Podcast