Joaquin Phoenix in Beau Is Afraid © 2023 A24/Leonine
Quelle: Vanity Fair
Extrem dysfunktionale Familien, pechschwarzer Humor und geradezu grotesk brutale Todesszenen: Das sind die Markenzeichen der Filme von Ari Aster, einem der ungewöhnlichsten US-amerikanischen Filmemacher, die in den letzten zehn Jahren in der Independent-Filmszene groß herausgekommen sind. Schon seine Kurzfilme wie The Strange Thing About the Johnsons schockierten und polarisierten die Zuschauer. Das setzte sich auch in seinen ersten beiden Spielfilmen Hereditary – Das Vermächtnis und Midsommar fort, die in der Kritik gefeiert wurden, das Mainstream-Publikum jedoch verwirrten, vor den Kopf stießen und gar verärgerten. Eins kann man nicht abstreiten: Asters Filme tragen eindeutig seinen unverwechselbaren provokanten Stempel.
Doch sowohl Hereditary und Midsommar sind in puncto Zugänglichkeit geradezu Popcorn-Unterhaltung à la Transformers verglichen zu Asters dritter Regiearbeit Beau Is Afraid. Der dreistündige Genremix mit Joaquin Phoenix als unter extremer sozialer Ängstlichkeit leidender Mann, der eine bizarre Odyssee auf sich nimmt, um zur Beerdigung seiner herrischen Mutter zu kommen. Die prestigeträchtige Produktionsfirma A24, die schon Asters ersten beiden Filme herausgebracht hat, investierte 35 Millionen US-Dollar in Asters extrem ambitionierten und persönlichen Film. Diesmal war es dann auch für viele seiner Verfechter zu viel des Guten (nicht jedoch für meinen Kollegen, der den Film mit der Höchstwertung bewertet hat). Der Film ging mit weniger als $15 Mio Einspiel gnadenlos an den Kinokassen unter und obwohl Phoenix für seine Rolle in dem Film aktuell für einen Golden Globe nominiert ist, hat der Film keine nennenswerten Oscarchancen.
In einem Interview mit Vanity Fair sprach Aster nun erstmals öffentlich über den Misserfolg des Films und äußerte sein Bedauern darüber, dass das Versprechen eines polarisierenden Films nicht für mehr Gesprächsstoff und größeres Interesse gesorgt hat, sondern das Publikum von vornherein abgeschreckt hat: (aus dem Englischen)
Der Film endet damit, wie das Theater sich allmählich leert, während der Abspann läuft, und das Publikum sehr gleichgültig ist. Ich war nicht bereit dafür, wie hellseherisch dieses Ende werden würde. Es ist mir erst hinterher bewusst geworden. Ich wusste, wo es hingeht. Stimmt. Und das ist auch Teil der Pointe.
Ich wusste immer, dass der Film polarisieren würde und er ist auch dazu gedacht, das Publikum zu spalten. Der Film wandelt sich viel und er verweigert sich jeglicher traditioneller Erzählstruktur. Es war mir immer wichtig, dass der Film von einem Charakter handelt, der sich nicht ändert, und das alleine wirkt auf manche Leute befremdlich und es ist auch so gedacht. Die Laufzeit ist auch Teil davon. Darum musste ich kämpfen und A24, die viel in den Film investiert haben, gebührt die Anerkennung, weil sie mich wirklich den Film haben machen lassen, den ich machen wollte. Ich bin sehr zufrieden damit, wie er geworden uist. Wenn man einen Film dreht, ist die Vorstellung, dass er die Leute spaltet, aufregend, aber wenn er dann rauskommt und polarisiert, wird einem klar: "Oh Augenblick. Das schreckt die Leute auch davon ab, ihn überhaupt erst zu sehen."
Doch auch wenn der Film weder seine Erwartungen noch die des Studios an den Kinokassen erfüllt hat, findet Aster nicht, dass er irgendeine Lektion aus diesem Misserfolg lernen sollte. Er bedauert jedoch, dass es seiner Meinung nach viele kleine Elemente und Details in dem Film gibt, die zu seiner Interpretation beitragen, vom Publikum bislang aber unbeachtet geblieben sind:
Ich tue mein Bestes, um nicht gewisse Lehren daraus zu ziehen, denn ich werde nie wieder einen Film wie Beau Is Afraid drehen. Ich hoffe, dass keiner meiner Filme einem anderen zu ähnlich ist, während ich gleichzeitig anerkennen kann, dass ich immer wieder zu gewissen Themen zurückkehre und dass manche Dinge sich wie ein roter Faden durch meine Arbeit hindurchziehen, die ich nicht bemerke, während ich die Filme schreibe. Was ich bei Beau aufregend finde, ist, dass es gewisse Dinge gibt, die ich in dem Film begraben habe, über die immer noch nicht geredet wurde und ich war etwas enttäuscht, wie die Leute mit dem Film bei seiner Veröffentlichung interagierten und schnell ihr Urteil fällten wie "Tja, da funktioniert nicht alles." Ich meine, Moment, was funktioniert nicht? Der Film ist in vielerlei Hinsicht ein Experiment. Sogar was er auf dem Dachboden findet, ist eine sehr spezifische Provokation. Leute reden von einer Enttäuschung, obwohl das natürlich der ganze Witz war! Interpretiert das, stimmt’s?
Es gibt Dinge in diesem Film, die eine ganz andere Geschichte im Hintergrund erzählen, mit der bislang niemand an mich herangetreten ist und das ist auch frustrierend, weil man sich die Zeit nimmt, um diese Dinge einzuarbeiten und dann fragt man sich, wem das auffällt. Aber mir gefällt die Vorstellung, dass die Leute diese Dinge finden. In der Szene auf dem Kreuzfahrtschiff, wenn man sich den Hintergrund anschaut, kann man in jeder Szene etwas finden und vielleicht entsteht daraus eine Idee.
Was sagt Ihr zu Beau Is Afraid? Ist es für Euch ein missverstandenes, mutiges, vielschichtiges Werk oder ein aufgeblähter, prätentiöser Langweiler?