Will Smith in Bright © 2017 Netflix
Quelle: Lucas Shaw Twitter
Die Nachbeben von Will Smiths Ohrfeige bei der letzten Oscarverleihung bleiben weiterhin spürbar. Die öffentlich gemachten Konsequenzen sind natürlich Smiths Austritt aus der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, deren Mitglieder ihm letzten Monat den Oscar für King Richard verliehen haben, und Smiths Ausschluss von allen Veranstaltungen der Academy, einschließlich der Oscarverleihungen, für die nächsten zehn Jahre.
Letztlich sind das jedoch weitgehend symbolische Aktionen, denn Smith kann es sicherlich gut verkraften, zehn Jahre lang auf die Verleihung zu verzichten und nicht stimmberechtigt bei den Oscars zu sein. Deutlich greifbarer sind jedoch die Auswirkungen, die hinter den Kulissen vor sich gehen. Wie geht man mit Will Smith, einem der größten Superstars Hollywoods, jetzt um? Ist er eine persona non grata oder kann man ihm nach seiner ausführlichen Entschuldigung die Ohrfeige als Ausrutscher verzeihen und weitermachen?
Das wissen die Filmstudios, Streamer und Fernsehsender auch noch nicht genau, weshalb viele angekündigte Projekte mit ihm vorerst pausiert, aber nicht abgesagt werden. Letztlich hoffen alle Seiten vermutlich, dass der Staub sich möglichst bald legt und man von Smiths Weltruhm, dem der Skandal vermutlich keinen großen Abbruch tat, wieder profitieren kann. Netflix stellt jedenfalls den Actionthriller Fast and Loose vom Deadpool-2-Regisseur David Leitch vorerst in die Warteposition und auch Sony verlangsamt die Entwicklung von Bad Boys 4, dessen Drehbuch kürzlich fertiggeworden ist.
Nun berichtet das Nachrichtenunternehmen Bloomberg, dass die Produktion der National-Geographic-Dokuserie "Pole to Pole", in der Will Smith zum Nord- und Südpol reisen sollte, nicht wie geplant in drei Wochen, sondern erst im Herbst beginnen soll, in der Hoffnung, dass die Gemüter sich bis dahin beruhigen. Nach "One Strange Rock" und "Welcome to Earth" ist es die dritte Zusammenarbeit von Will Smith und National Geographic.
Zusätzlich hat Bloomberg-Reporter Lucas Shaw enthüllt, dass Netflix das Fantasy-Action-Sequel Bright 2 endgültig abgesagt hat. Diese Entscheidung soll jedoch unabhängig vom Ohrfeigen-Skandal getroffen worden sein.
NatGeo has delayed the start of production on its big Will Smith show following the Slap. But it's still happening.
Netflix has also abandoned plans to make a sequel to Brright, but that is unrelated to the incident.@chrispalmeri https://t.co/rj5T5RNc3y
— Lucas Shaw (@Lucas_Shaw) April 21, 2022
Als Bright 2017 bei Netflix erschienen ist, war es mit $90 Mio Budget die damals mit Abstand teuerste Netflix-Eigenproduktion. Viel Hype drehte sich auch darum, dass Netflix mi Will Smith einen der größten Stars Hollywoods für einen Streaming-Film verpflichten konnte in einer Zeit, in der das noch nicht gang und gäbe war. Smith spielte im Film des Regisseurs David Ayer einen LAPD-Polizisten, dessen Partner ein Ork ist. Der Film vermischte das Genre des düsteren Copthrillers, wie Ayers Training Day oder Street Kings, mit klassischen Elementen des Fantasygenres. Auf Papier klang die Idee großartig, die Umsetzung war leider unfassbar langweilig, sodass ich mich während des Films mehrmals gefragt habe, wie man so ein tolles Konzept dermaßen in den Sand setzen kann.
Kritiker haben Bright gnadenlos zerrissen, doch für Netflix bescherte der Film massive Zuschauerzahlen und die Planung eines Sequels begann fast unmittelbar nach dem Release des ersten Films. Nach längerer Stagnation, u. a. bedingt durch Smiths vollen Terminkalender, wurde Louis Leterrier (Die Unfassbaren – Now You See Me) 2020 die Regie des Sequels angeboten. T.S. Nowlin (Maze Runner) schrieb den ersten Drehbuchentwurf von Ayer und Evan Spiliotopoulos um. Nachdem der erste Film komplett in Los Angeles gespielt hat, sollte sich die Handlung des Sequels in einem internationalen Setting abspielen.
Nach zwei Jahren ohne weitere Fortschritte folgt nun die Absage, die, wie gesagt, angeblich nichts mit Smiths Skandal zu tun hat. Ich halte es für denkbar, dass Netflix aufgrund des kürzlich bekanntgewordenen ersten Abonnenten-Rückgangs in der Unternehmensgeschichte und des daraus resultierenden Aktien-Einbruchs jetzt die teuren Projekte ganz genau evaluiert, bevor wieder Unsummen in potenzielle Flops gesteckt werden. Der erste Bright war ein Hit, aber wer weiß, ob das Interesse nach fünf Jahren und den gemischten Reaktionen auf den Vorgänger groß genug ist, um eine Fortsetzung zu rechtfertigen. Leterrier ist ein Filmemacher, der weiß, wie man zugängliche Spaßfilme inszeniert, sodass ich seine Vision von Bright 2 gerne gesehen hätte, die kaum hätte schlechter sein können als der erste Film. Aber ich kann es Netflix auch nicht verübeln, da auf Nummer sicher zu gehen.