Quelle: Festival de Cannes
Die aufgrund der Europawahl auf Samstag (anstelle von Sonntag) vorverlegte Bekanntgabe der Sieger der 67. Filmfestspiele von Cannes hielt die eine oder andere Überraschung bekannt. Der Gewinner der Goldenen Palme, der höchsten Auszeichnung für den "Besten Film", zeichnete sich allerdings bereits seit einigen Tagen ab. Nach dem dreistündigen Blau ist eine warme Farbe zeigte sich die Jury, diesmal unter der Leitung von Jane Campion (Das Piano), wieder von einem extrem langen Machwerk angetan. Das 196 Minuten lange türkische Drama Winter Sleep von Nuri Bilge Ceylan gewann als zweiter türkischer Film in der Geschichte des Festivals (nach Yol – De Weg von 1982) die Goldene Palme. Der Film erzählt in leisen und ironischen Tönen von einem ehemaligen Schauspieler, der nun ein Berghotel betreibt und sich als einen wohlwollenden Herrscher über die Region sieht. Dabei merkt er nicht, dass alle um ihn herum, einschließlich seiner Ehefrau, ihn verabscheuen. Besonders positiv angemerkt wurden an dem Film die höchst pointierten Wortduelle.
Dass Winter Sleep die Goldene Palme gewann, ist insofern nicht so sehr überraschend, als dass dieser ultimative Erfolg sich für den Regisseur Ceylan schon länger abgezeichnet hat. Winter Sleep ist bereits sein fünfter Cannes-Beitrag und alle vier zuvor haben Preise gewonnen – und zwar allesamt seit 2003. Für Uzak – Weit und Once Upon a Time in Anatolia gab es den Großen Preis der Jury, die zweitwichtigste Auszeichnung des Festivals. Jahreszeiten – İklimler brachte Ceylan den FIPRESCI-Preis ein, während er für Drei Affen die Auszeichnung für die "Beste Regie" in Cannes erhielt. Damit gehört er zu den erfolgreichsten Regisseuren der letzten 20 Jahre in Cannes. Die Goldene Palme für ihn wurde bereits als "überfällig" und als ein Höhepunkt nach Jahren von hervorragenden Beiträgen angesehen.
Etwas überraschend, wenn auch sehr verdient, wenn man den Kritikern glaubt, ist der Preis für die "Beste Regie" ausgefallen, der an Bennett Miller ging. Miller hat nach Capote und Die Kunst zu gewinnen – Moneyball mit Foxcatcher wieder einen Volltreffer gelandet und kann auch bei der nächsten Oscarverleihung auf eine Nominierung für seinen Film und insbesondere dessen Darsteller Steve Carell (in einer ernsten Rolle!) hoffen. Der Große Preis der Jury war ebenfalls eine Überraschung und ging an Alice Rohrwachers Le meraviglie (The Wonders), eine deutsche Koproduktion über das Leben eines jungen Mädchens mit ihrer dysfunktionalen Familie im ländlichen Umbrien.
Englischsprachige Schauspieler gewannen die Darstellerpreise dieses Jahr. Timothy Spall erhielt die Auszeichnung als "Bester Darsteller" für seine Performance als exzentrischer britischer Maler J. M. W. Turner in Mike Leighs Mr. Turner. Seit 2009 wurden vier Cannes-Siege in dieser Kategorie für den Oscar nominiert, zuletzt Bruce Dern für Nebraska. Es sieht also sehr gut für Spalls Oscarchancen aus. Jean Dujardin und Christoph Waltz holten sich sogar den goldenen Jungen nach Hause. Julianne Moore gewann den Preis als "Beste Darstellerin" für David Cronenbergs bitterböse Hollywood-Satire Maps to the Stars. Nach sehr durchwachsenen Eine dunkle Begierde und Cosmopolis hat Cronenberg scheinbar wieder einen wirklich guten Film abgeliefert.
Der Preis der Jury, der mehr oder weniger als die Bronzemedaille des Festivals gilt, teilten sich diesmal zwei Filme – der 25-ährige Festivalliebling Xavier Dolan gewann den Preis mit seinem fünften Film Mommy und der 83-jährige Altmeister Jean-Luc Godard erhielt ihn für seinen 3D-Film Goodbye to Language – mehr oder minder eine Karriere-Ehrung für Godard, der ansonsten in Cannes noch nie gewonnen hat.
Alle Sieger des Wettbewerbs sehr Ihr unten auf einen Blick. Einen Überblick über die zahlreichen Sieger in anderen Bereichen des Festivals (wie Un certain regard) gibt es hier.
Goldene Palme
Winter Sleep
Großer Preis der Jury
Le meraviglie
Bester Hauptdarsteller
Timothy Spall (Mr. Turner)
Beste Hauptdarstellerin
Julianne Moore (Maps to the Stars)
Beste Regie
Bennett Miller (Foxcatcher)
Bestes Drehbuch
Oleg Negin, Andrei Swjaginzew (Leviathan)
Preis der Jury
Goodbye to Language
Mommy