Cannes 2023: Goldene Palme für Anatomy of a Fall, Top-Preise für beide Filme mit Sandra Hüller

Sandra Hüller in Anatomy of a Fall © 2023 NEON

Quelle: Festival de Cannes

Gestern wurden die PreisträgerInnen der diesjährigen 76. Internationalen Filmfestspiele von Cannes bekanntgegeben und obwohl Sandra Hüller selbst keinen Preis gewonnen hat, war der Abend dennoch ein fulminanter Triumph für die deutsche Schauspielerin. Sowohl die Goldene Palme (der Hauptpreis des Festivals und eine der renommiertesten Auszeichnungen der Filmwelt) als auch der Große Preis der Jury (im Prinzip die zweitwichtigste Auszeichnung, die in Cannes verliehen wird) gingen jeweils an einen Film mit Hüller in der Hauptrolle. Mit ihrer in Cannes gefeierten und später oscarnominierten Tragikomödie Toni Erdmann hat sich Hüller 2016 auf der internationalen Bühne etabliert und ihr diesjähriger Doppeltriumph in Cannes könnte sie dieses Jahr auch ins Oscar-Rennen bringen.

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Die Wettbewerbsjury rund um den zweifachen Palme-D’Or-Preisträger Ruben Östlund (Triangle of Sadness), zu deren Migliedern auch Oscarpreisträgerin Brie Larson (Captain Marvel), Schauspieler Paul Dano (Die Fabelmans) und Filmemacherin Julia Ducournau (Titane) zählten, zeichnete Justine Triets Gerichtsdrama Anatomie eines Falls mit der Goldenen Palme aus. Damit wurde sie nach Jane Campion (Das Piano) und Ducournau mit Titane zur dritten Regisseurin, die den Hauptpreis des prestigeträchtigen Festivals gewonnen hat. Anatomie eines Falls war Triets zweiter Wettbewerbsfilm in Cannes nach Sybil – Therapie zwecklos, der 2019 beim Festival lief.

In Anatomie eines Falls spielt Hüller die Autorin Sandra, die gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrem gemeinsamen sehbehinderten Sohn ein einsam gelegenes Chalet in den Bergen bezieht. Nachdem Samuel tot im Schnee aufgefunden wird, wird Sandra zur Hauptverdächtigen und ein Jahr nach der Tragödie muss der Sohn des Paares bei einem Gerichtsverfahren gegen seine Mutter aussagen. In Deutschland hat Anatomie eines Falls noch keinen Verleih oder Starttermin, doch das dürfte sich nun sehr bald ändern.

Der große Preis der Jury ging an den bestrezensierten Film des Festivals (und des Jahres), der auch als potenzieller Favorit für die Palme gehandelt wurde: Das außergewöhnliche Auschwitz-Drama The Zone of Interest, das komplett aus der Sicht des Lagerkommandanten Rudolf Höss und seiner Ehefrau Hedwig (Hüller) erzählt wird. The Zone of Interest ist Jonathan Glazers erster Film seit Under the Skin vor zehn Jahren und erst der vierte seiner Regiekarriere, die 2000 mit Sexy Beast begonnen hat. Es ist jedoch sein erster Film, der ernsthafte Oscarchancen hat, zumindest in der "Internationaler Film"-Kategorie.

Aki Kaurismäki, der mit seiner Tragikomödie Falende aBlätter zum fünften Mal im Wettbewerb in Cannes war, wurde mit dem Preis der Jury ausgezeichnet. Doe darstellerpreise gingen jeweils an Kōji Yakusho aus Wim Wenders Perfect Days und an Merve Dizdar aus Nuri Bilge Ceylans Auf trockenen Gräsern. Sowohl Wenders als auch Ceylan sind "Dauergäste" in Cannes mit bislang jeweils zehn bzw. sieben Wettbewerbsfilmen. Beide wurden in Vergangenheit auch schon mit der Goldenen Palme ausgezeichnet.

In der Sparte Un Certain Regard, in der noch unkonventionellere und risikofreudigere Filme laufen als im Haupt-Wettbewerb, wurde Molly Manning Walkers Regiedebüt How to Have Sex mit dem Hauptpreis ausgezeichnet. John C. Reilly (Chicago) war der Jurypräsident der Sparte.

Michael Douglas und Harrison Ford, dessen finaler Auftritt als Indiana Jones in Cannes seine Weltpremiere feierte, wurden mit der Ehren-Palme für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.

Unten findet Ihr die Auflistung der Siegerinnen und Sieger in den wichtigsten Kategorien:

Wettbewerb

Goldene Palme

Anatomie eines Falls (Regie: Justin Triet)

Großer Preis der Jury

The Zone of Interest (Regie: Jonathan Glazer)

Preis der Jury

Fallende Blätter (Regie: Aki Kaurismäki)

Beste Regie

Tran Anh Hung (Geliebte Köchin)

Bester Darsteller

Kōji Yakusho (Perfect Days)

Beste Darstellerin

Merve Dizdar (Auf trockenen Gräsern)

Bestes Drehbuch

Yuji Sakamoto (Die Unschuld)

Un Certain Regard

Bester Film

How to Have Sex (Regie: Molly Manning Walker)

Preis der Jury

Hounds (Regie: Kamal Lazraq)

Beste Regie

Asmae El Moudir (The Mother of All Lies)

Freedom Prize

Goodbye Julia (Regie: Mohamed Kordofani)

Goldene Kamera für besten Debütfilm

Inside the Yellow Cocoon Shell (Regie: Pham Thien An)
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Neben dem Filmfestival von Sundance sind die Filmfestspiele von Cannes einer der wichtigsten Zwischenstopps der ersten Jahreshälfte auf dem Weg zur Oscar-Saison am Jahresende. Von den letzten fünf Goldene-Palme-Gewinnern wurden zwei (Triangle of Sadness und Parasite) als "Bester Film" bei den Oscars nominiert, wobei Parasite auch gewonnen hat. Zwei weitere (The Square und Shoplifters) aus dem Zeitraum wurden in der Auslands-Oscar-Kategorie nominiert. Zwei der "Bester internationaler Film"-Kandidaten aus diesem Jahr, Close und EO, erhielten letztes Jahr Jury-Preise in Cannes. Sowohl Anatomie eines Falls als auch The Zone of Interest werden deshalb mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine prominente Rolle im nächsten Oscar-Rennen spielen.

Ein vermutlich noch größerer Oscarkandidat als beide feierte in Cannes ebenfalls seine Weltpremiere lief jedoch außerhalb des Wettbewerbs. Martin Scorseses dreieinhalbstündiges Western Killers of the Flower Moon wurde mit großem Zuspruch in der Kritik aufgenommen und sowohl Leonardo DiCaprio als auch Lily Gladstone werden als frühe Favoriten für die Schauspiel-Oscars gehandelt. Scorsese dürfte für den Film ziemlich sicher zumindest eine weitere Regie-Nominierung bei den Oscars erhalten. Es wäre die zehnte seiner Karriere und die siebte für seine letzten neun Filme, von denen lediglich Silence und Shutter Island ihm keine Nominierungen eingebracht haben.

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