Gary Oldman in Mank © 2020 Netflix
Quelle: Netflix
Citizen Kane gilt unter vielen Cineasten und Filmkritikern als einer der besten Filme, die jemals gedreht wurden. Mit nur 25 Jahren sicherte sich Regie-Wunderkind Orson Welles 1941 einen Platz in der Filmgeschichte. Doch sowohl die turbulente Entstehungsgeschichte des Films als auch seine Veröffentlichung wurde von vielen Kämpfen, Skandalen und Streitereien begleitet. Medien-Tycoon William Randolph Hearst auf dem Citizen Kane eindeutig basierte, war außer sich wegen der wenig schmeichelhaften Darstellung der Hauptfigur in dem Film und führte einen offenen Medienkrieg gegen die Macher, allen voran Drehbuchautor Herman J. Mankiewicz, der einst zu Hearsts innerem Kreis zählte. Mankiewicz und Welles stritten sich wiederum darum, wessen Name auf dem Drehbuch eigentlich stehen sollte. Mankiewicz brachte zwar die erste Fassung mit dem Titel "American", die aber unverfilmbare 300 Seiten lang war und daraufhin von Mankiewicz und Welles gemeinsam in einem Wettlauf gegen die Zeit massiv überarbeitet und gestrafft wurde.
Am Ende wurden beide als Co-Autoren aufgeführt und gewannen den Drehbuch-Oscar, wobei keiner bei der Verleihung anwesend war – Welles, weil er sich mit der Academy zerstritten hat, Mankiewicz, weil er wegen Hearsts Einfluss nicht an den Sieg geglaubt hat.
Dieses faszinierende Stück Hollywood-Geschichte wurde von einem der größten Filmemacher unserer Zeit verfilmt, David Fincher. Mank, Finchers erster Film seit Gone Girl vor sechs Jahren, erzählt vor allem die Geschichte des alkoholkranken Hollywood-Rebells Mankiewicz, gespielt von Gary Oldman, der versucht, das Drehbuch zu Citizen Kane nach Welles' Wünschen und gegen Hearsts Druck fertigzustellen. Fincher inszenierte Mank nach einem Drehbuch seines bereits 2003 verstorbenen Vaters Jack Fincher, der das Skript in den Neunzigern schrieb. Nach Finchers erfolgreicher Zusammenarbeit mit Netflix bei der Thrillerserie "Mindhunter" wird Mank nun sein erster Netflix-Film und soll diesen Herbst erscheinen. Gedreht wurde der Film in Schwarzweiß, um ihn im Look der Filmära zu halten, in der er spielt. "Mindhunter"-Kameramann Erik Messerschmidt war für die Bilder zuständig.
Netflix hat jetzt die ersten Fotos aus dem Film veröffentlicht, die seinen sehr klassischen Look und seine beeindruckende Starbesetzung zeigen. Neben Oldman als Mankiewicz, sehen wir auch "Game of Thrones"-Star Charles Dance als Hearst, Amanda Seyfried (Mamma Mia!) als Hearsts Geliebte Marion Davies, Lily Collins (Love, Rosie – Für immer vielleicht) als Mankiewicz' treue Sekretärin Rita Alexander und Arliss Howard (Die Kunst zu gewinnen – Moneyball) als legendärer Produzent Louis B. Mayer. Tom Burke ("Strike") spielt Orson Welles, ist aber noch nicht auf den Bildern zu sehen. Der erste Trailer wird vermutlich nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Mank hat noch keinen Releasetermin bei Netflix, soll aber diesen Herbst noch erscheinen, um beim kommenden Oscar-Rennen mitzumischen. Filme über vergangene Zeiten von Hollywood sind bei der Academy immer sehr beliebt, siehe Aviator oder The Artist. David Fincher wurde bereits zweimal (für The Social Network und Der seltsame Fall des Benjamin Button) für einen Regie-Oscar nominiert, ging aber bislang leer aus. Mit seiner großartigen Besetzung, der Geschichte über einen der größten Filmklassiker überhaupt und der bei der Academy beliebten Schwarzweiß-Ästhetik hat Fincher dank Mank vielleicht seine bislang beste Chance auf den Goldjungen.
Eine Chance auf seine dritte Oscarnominierung hat natürlich auch Gary Oldman. Bei all meiner Wertschätzung für den Schauspieler, finde ich jedoch, dass er ein wenig zu alt für die Rolle ist, in der er besetzt wurde. Mankiewicz war 42/43, als er Citizen Kane geschrieben hat, Oldman ist 62. Dazu kommt, dass die Charaktere der 34-jährigen Amanda Seyfried und der 33-jährigen Tuppence Middleton, die Mankiewicz' Ehefrau Sara Mankiewicz spielt, im selben Jahr geboren wurden wie Mankiewicz, die Schauspielerinnen aber fast 30 Jahre jünger sind als Oldman. Zum Zeitpunkt, an dem der Film spielt, waren Herman J. und Sara Mankiewicz bereits seit rund 20 Jahren verheiratet.
Dennoch freue ich mich sehr auf den Film, insbesondere nach einer so langen Wartezeit auf Finchers neues Projekt. Eine so lange Pause in seiner Karriere gab es zwischen zwei Filmen noch nicht. Hoffentlich wird Netflix Mank, wie zuletzt auch andere Prestigefilme des Streams (z.B. The Irishman oder Roma), in ausgewählte Kinos bringen.