Hidetoshi Nishijima und Tōko Miura in Drive My Car © 2021 Rapid Eye Movies
Quellen: Los Angeles Film Critics Association, Boston Film Critics Society
Jane Campions kraftvolles Drama The Power of the Dog, Denis Villeneuves Science-Fiction-Epos Dune, Steven Spielbergs Musical-Remake West Side Story und Kenneth Branaghs Coming-Of-Age-Tragikomödie Belfast gelten als Favoriten im diesjährigen Oscar-Rennen, doch ein anderer, nicht-englischsprachiger Film begeistert aktuell Kritikerverbände in den USA und könnte sich, ähnlich wie Parasite vor zwei Jahren, entgegen den Erwartungen unter die großen Kandidaten vorkämpfen. Drive My Car, die dreistündige Adaption von Haruki Marukamis Kurzgeschichte, wurde bereits bei den Filmfestspielen von Cannes mit drei Preisen ausgezeichnet, darunter für ihr Drehbuch, und gewann überraschend den Hauptpreis des New York Film Critics Circle. Kürzlich schaffte der Film es auch in die Vorauswahl der 15 Anwärter in der Oscar-Kategorie "Bester fremdsprachiger Film", in der er als haushoher Favorit gilt.
Jetzt wurde Drive My Car von zwei weiteren wichtigen Filmkritikerverbänden in den USA als bester Film 2021 gekürt: der Los Angeles Film Critics Association (LAFCA) und der Boston Film Critics Society (BFCS). Beide Verbände zeichneten zudem das Drehbuch des Films aus. In Boston erhielt Drive My Car zusätzlich Priese für Ryūsuke Hamaguchis Regie und für den Hauptdarsteller Hidetoshi Nishijima.
Besonders bemerkenswert ist, dass seit 1980 die Kritikerverbände von Boston, New York und Los Angeles lediglich in acht Jahren alle denselben Film mit dem Hauptpreis ausgezeichnet haben. Zuletzt war es Richard Linklaters Boyhood. Alle diese acht Filme wurden später auch für den Oscar als "Bester Film" nominiert. Auch wenn Kritikerpreise keinen direkten Einfluss auf die Academy Awards haben, können sie dennoch ein Indikator für die späteren Oscarnominierungen sein. Von den besagten acht Filmen gewannen übrigens später nur Schindlers Liste und Tödliches Kommando – The Hurt Locker auch den Oscar als "Bester Film", keiner ging jedoch leer aus und alle acht gewannen Oscars entweder für ihre Drehbücher, ihre Darsteller oder ihre Regie.
Schauen wir uns zunächst einmal genauer die Preise der LAFCA an, die immer auch die Zweitplatzierten veröffentlicht. Die Los Angeles Film Critics Association gehört neben dem New York Film Critics Circle (NYFCC) und der Chicago Film Critics Association (CFCA) zu den wichtigsten und angesehensten Filmkritikerverbänden der USA. Die LAFCA setzt sich aus über 60 im Großraum Los Angeles tätigen Filmkritikern zusammen und zeichnet seit 1975 die besten Leistungen der Filmschaffenden des jeweiligen Jahres aus. Im Gegensatz zum NYFCC prämiert LAFCA häufiger Filme und Leistungen noch weiter abseits des Mainstreams. Der große Gewinner der diesjährigen LAFCA Awards war neben Drive My Car The Power of the Dog, der insgesamt drei Auszeichnungen erhielt und sich in zwei weiteren Kategorien auf Rang 2 platzierte, darunter auch bei "Bester Film". Die komplette Liste der diesjährigen Gewinner findet Ihr unten:
Bester Film
Drive My Car
2. Platz – The Power of the Dog
Beste Regie
Jane Campion (The Power of the Dog)
2. Platz – Ryūsuke Hamaguchi (Drive My Car)
Bester Hauptdarsteller
Simon Rex (Red Rocket)
2. Platz – Benedict Cumberbatch (The Power of the Dog)
Beste Hauptdarstellerin
Penélope Cruz (Parallele Mütter)
2. Platz – Renate Reinsve (The Worst Person in the World)
Bester Nebendarsteller
Vincent Lindon (Titane) UND Kodi Smit-McPhee (The Power of the Dog)
Beste Nebendarstellerin
Ariana DeBose (West Side Story)
2. Platz – Aunjanue Ellis (King Richard)
Bestes Drehbuch
Ryūsuke Hamaguchi und Takamasa Oe (Drive My Car)
2. Platz – Paul Thomas Anderson (Licorice Pizza)
Beste Kamera
Ari Wegner (The Power of the Dog)
2. Platz – Greig Fraser (Dune)
Bestes Szenenbild
Barb and Star Go to Vista Del Mar
2. Platz – Nightmare Alley
Bester Schnitt
Summer of Soul (or… When the Revolution Could Not Be Televised)
2. Platz – Licorice Pizza
Beste Filmmusik
Alberto Iglesias (Parallele Mütter)
2. Platz – Jonny Greenwood (The Power of the Dog und Spencer)
Bester fremdsprachiger Film
Petite Maman – Als wir Kinder waren
2. Platz – Quo Vadis, Aida?
Bester Dokumentarfilm
Summer of Soul (or… When the Revolution Could Not Be Televised)
2. Platz – Procession
Bester Animationsfilm
Flee
2. Platz – Belle
Bester Nachwuchs
Shatara Michelle Ford (Test Pattern) UND Tatiana Huezo (Prayers for the Stolen)
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Mit vier Auszeichnungen wurde Drive My Car zum meistprämierten nicht-englischsprachigen Film in der Geschichte der Filmkritikerpreise von Boston. Erstmals seit dem Sieg von Akira Kurosawas Ran 1985 zeichnete der Verband einen fremdsprachigen Film aus. Per Sonderregel wurde diesmal auch zusätzlich in der Kategorie des besten englischsprachigen Films gewählt, in der The Power of the Dog gewonnen hat, der zudem auch dem Kamera-Preis erhielt. Sehr erfreulich finde ich die Auszeichnung der Schauspiel-Newcomerin Alana Haim für ihren charmanten Auftritt in Licorice Pizza. Paul Thomas Andersons Film wurde zudem für sein schauspielerisches Ensemble prämiert. Wie in Los Angeles, wurde auch in New York der dänische Dokumentarfilm Flee in der Animations-Kategorie ausgezeichnet. Im Gegensatz zu den letzten Jahren verzichtete die BFCS auf die Nennung der zweitplatzierten Filme und Filmschaffenden. Alle Sieger könnt Ihr unten nachlesen:
Bester Film
Drive My Car
Beste Regie
Ryūsuke Hamaguchi (Drive My Car)
Bester Hauptdarsteller
Hidetoshi Nishijima (Drive My Car)
Beste Hauptdarstellerin
Alana Haim (Licorice Pizza)
Bester Nebendarsteller
Troy Kotsur (CODA)
Beste Nebendarstellerin
Jessie Buckley (Frau im Dunkeln)
Bestes Ensemble
Licorice Pizza
Bestes Drehbuch
Ryūsuke Hamaguchi und Takamasa Oe (Drive My Car)
Bester Schnitt
The Velvet Underground
Beste Kamera
Ari Wegner (The Power of the Dog)
Beste Filmmusik
Jonny Greenwood (Spencer)
Bester Dokumentarfilm
Summer of Soul (or… When the Revolution Could Not Be Televised)
Bester Animationsfilm
Flee
Bester englischsprachiger Film
The Power of the Dog
Bester neuer Filmemacher
Maggie Gyllenhaal (Frau im Dunkeln)
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Es bleibt spannend. Ich denke immer noch nicht, dass Drive My Car wie Parasite bei den Oscars abräumen wird, doch seine Chancen auf eine Nominierung als "Bester Film" werden immer größer.