Justin Lin am Set von Fast & Furious 9 © 2021 Universal Pictures
Quelle: Deadline
Es gibt Ärger im Paradies…
Wenige Tage nachdem Hauptdarsteller und Produzent Vin Diesel den offiziellen Drehbeginn von Fast & Furious 10 alias Fast X bekanntgegeben hat, ist Justin Lin plötzlich vom Regieposten zurückgetreten. Dass ein Regisseur, der bereits lange mit einem Franchise verbunden war und jedem Anschein nach eine sehr positive Beziehung mit dem Studio und den Darstellern pflegte, unmittelbar nach Drehstart aussteigt, ist im höchsten Maße ungewöhnlich. Der Grund dafür scheint aber so alt zu sein, wie Hollywood selbst: kreative Differenzen. Lins Abgang soll einvernehmlich und ohne böses Blut oder Streit verlaufen sein und er bleibt weiterhin Produzent und Co-Autor des Drehbuchs (mit Dan Mazeau).
Lin veröffentlichte eine Presseerklärung zu seinem Ausstieg: (aus dem Englischen)
Mit der Unterstützung von Universal habe ich die schwere Entscheidung getroffen, als Regisseur von Fast X zurückzutreten, während ich als Produzent an Bord des Projekts bleibe. Über zehn Jahre und fünf Filme hatten wir die Gelegenheit, die besten Schauspieler, die besten Stunts und die besten verdammten Autorennen zu filmen. Persönlich möchte ich hinzufügen, dass ich als Kind asiatischer Immigranten stolz darauf bin, das diverseste Franchise der Filmgeschichte aufgebaut zu haben. Ich werde dem großartigen Cast, der Crew und dem Studio für ihre Unterstützung und die Aufnahme in der Fast-Familie immer dankbar sein.
Infolge Lins Ausstieg wird der Hauptdreh des Films vorerst kurz pausieren, während die Second-Unit-Dreharbeiten ununterbrochen weiterlaufen. Gespräche mit potenziellen Kandidaten für Lins Nachfolge laufen bereits und der neue Regisseur (oder Regisseurin) soll in Kürze bekanntgegeben werden. Aktuell geht Universal noch davon aus, trotz dieser ungünstigen Entwicklung den geplanten Kinostart im Mai 2023 einhalten zu können.
Ich bin sicher, dass ein würdiger Ersatz für Lin gefunden werden wird, da der siebte und der achte Film unter der Regie von James Wan bzw. F. Gary Gray schon gezeigt haben, dass auch andere routinierte Filmemacher die Franchise-Formel verstanden haben. Wenn wir schon dabei sind, wie wäre es denn mit Gray als Lins Nachfolger?
Nichtsdestotrotz ist es schockierend, dass Lin so kurzfristig ausgestiegen ist. Obwohl der erste The Fast and the Furious von Rob Cohen inszeniert wurde und Lin erst beim dritten und kommerziell schwächsten Teil Tokyo Drift an Bord gekommen ist, ist er zweifelsohne der Architekt der Reihe, wie wir sie jetzt kennen. Lin inszenierte ursprünglich Teile 3 bis 6. Er brachte im vierten Film die Original-Kernbesetzung endlich wieder zusammen und mit Fast and Furious Five revolutionierte er die Reihe und lenkte sie in neue Bahnen – weg von dem Fokus auf illegale Straßenrennen und hin zu weltweiten Ensemble-Abenteuern à la Mission: Impossible, James Bond, mit einem Hauch Ocean’s Eleven.
Unter Lins Regie wurde der Status von Fast & Furious als globales Blockbuster-Franchise zementiert, nicht zuletzt eben dank dem von ihm erwähnten sehr diversen Cast, der eben ein sehr diverses Publikum angesprochen hat. Fast & Furious wurde neben Jurassic Park/World zum größten Franchise von Universal.
Mit Fast & Furious 6 hatte Lin das Gefühl, alles erreicht zu haben, was er mit dem Franchise erreichen wollte. Teile 4 bis 6 spielten zeitlich vor Lins Tokyo Drift und der sechste Film knüpfte unmittelbar an den dritten an, sodass sich ein Kreis gewissermaßen geschlossen hat. Lin übergab die Regie des siebten Films an James Wan und hatte auch nicht vor zurückzukehren… bis Vin Diesel ihn dazu überredet hat. Als Fast & Furious 9 letztes Jahr in die Kinos kam, erklärte Lin in einem Interview seine ursprüngliche Absicht aufzuhören:
Ich habe es wirklich so gemeint, als ich gegangen bin. Han (Sung Kang) und ich sind gegangen. Wir hatten nicht vor, zurückzukehren. Das Studio war immer so nett, sich bei mir zu erkundigen, wie ich mich gefühlt habe. Ich wollte absolut nicht zurückkehren, außer es hätte einen guten Grund dafür gegeben.
Dieser Grund war die Einführung von John Cenas Charakter als Doms Bruder Jakob Toretto in Fast & Furious 9:
Es war erst die Idee, dass wir das Thema der Familie, diesmal durch Blutsverwandtschaft, erforschen, die mich begeistert hat, weil ich wusste, dass es eine wirklich große Chance war, zurückzugehen und die Ursprünge der Mythologie zu erforschen und zu verfestigen.
Zunächst stimmte Lin zu, Fast & Furious 9 zu inszenieren, doch sobald er an Bord war, überredete Diesel ihn auch dazu, auch beim zweiteiligen Finale Regie zu führen:
Sobald ich mehr oder weniger zugesagt habe, hat mich Vin an die Seite genommen und gesagt: "Du gehst nicht weg. Wir bringen das Ding zu Ende."
Laut Lin haben Diesel und er die letzten neun Jahre über das finale Fast-&-Furious-Kapitel gesprochen, was Lins abrupten Ausstieg noch seltsamer macht.
Neben Diesel kehren in Fast X auch Michelle Rodriguez, Nathalie Emmanuel, Ludacris, Tyrese Gibson, Michael Rooker, Jordana Brewster, Sung Kang und Charlize Theron als Schurkin Cipher zurück. Ob auch John Cena wieder dabei ist, ist nicht bekannt. Jason Momoa (Aquaman) verkörpert einen neuen Bösewicht, während Daniela Melchior (The Suicide Squad) und Oscargewinnerin Brie Larson (Captain Marvel) neue Rollen übernehmen.
Fast X wird also der erste Teil der Reihe seit dem zweiten sein, der weder Justin Lin als Regisseur noch Chris Morgan als Drehbuchautor hat. Morgan schrieb die Skripts zu den Teilen 3 bis 8 sowie das Spin-Off Hobbs & Shaw, überließ den neunten Film jedoch dem Newcomer Dan Casey, der das Drehbuch gemeinsam mit Lin geschrieben hat. Entgegen ursprünglichen Berichten kehrte er scheinbar auch nicht für Fast X zurück.
Fast X wird voraussichtlich am 18.05.2023 in die deutschen Kinos kommen. Wer Justin Lins Nachfolge im Regiestuhl antreten wird, werdet Ihr bald bei uns erfahren.