James Gunn (r.) mit Chris Pratt (m.) und Zoe Saldana (l.) am Set von Guardians of the Galaxy Vol. 2 © 2017 Walt Disney Pictures
Quelle: The Hollywood Reporter
"Im Internet schreibt keiner mit Bleistift, Mark, sondern mit Tinte!"
In einem fantastischen, vor großartigen Dialogen strotzenden und zu Recht oscarprämierten Drehbuch zu The Social Network gehört dieser Satz, ausgesprochen von Rooney Maras Charakter gegenüber Jesse Eisenbergs Mark Zuckerberg, zu den treffendsten. Wie wahr er ist, musste nun Regisseur und Drehbuchautor James Gunn, dem Mainstream am besten als Macher der beiden Guardians-of-the-Galaxy-Filme bekannt, selbst erfahren.
Nachdem der rechtspolitische Verschwörungstheoretiker Mike Cernovich einige kontroverse Tweets und Blog-Artikel des Filmemachers aus den Jahren 2008 und 2009 aufgedeckt hat, in denen jener Witze über Pädophilie und Vergewaltigung gemacht hat, reagierte Disney sehr schnell und beendete jegliche geschäftliche Beziehungen mit Gunn. Das bedeutet auch, dass er auch nicht länger Guardians of the Galaxy Vol. 3 inszenieren wird, dessen Drehbuch er kürzlich fertiggestellt hat. Ursprünglich sollte der Film Anfang 2019 vor die Kameras gehen.
Verdammt.
Alan Horn, der Vorsitzende von Walt Disney Pictures veröffentlichte eine Presseerklärung: (aus dem Englischen)
Die beleidigenden Einstellungen und Aussagen, die auf James' Twitter gefunden wurden, kann man nicht rechtfertigen und sie stimmen nicht mit den Werten des Studios überein, also haben wir unsere geschäftliche Beziehung mit ihm abgebrochen.
James Gunn hat sowohl die entsprechenden Blog-Artikel als auch seinen Twitter-Account inzwischen gelöscht. Davor veröffentlichte er jedoch über Twitter noch ein Statement, um die Situation aufzuklären und Reue zu zeigen:
Viele Menschen, die meine Karriere verfolgt haben, wissen, dass als ich angefangen habe, ich mich als Provokateur sah, als jemand, der Filme macht und Witze erzählt, die böse und tabu sind. Und wie ich mehrfach öffentlich diskutiert habe, mit meiner Entwicklung als Person, entwickelten sich auch meine Arbeit und mein Humor weiter.
Ich will nicht sagen, dass ich besser geworden bin, aber ich bin sehr, sehr anders als ich vor einigen Jahren noch war; heute ist meine Arbeit in Liebe und Verbundenheit verwurzelt, und weniger in Wut. Die Tage, in denen ich etwas nur gesagt habe, weil es schockierend ist und damit ich eine Reaktion bekomme, sind vorüber.
In Vergangenheit habe ich mich für meinen Humor entschuldigt, der Menschen verletzt hat. Es tat mir wirklich leid und ich meinte auch jedes Wort meiner Entschuldigungen.
Nur um es klarzustellen, als ich diese schockierenden Witze gemacht habe, habe ich sie nicht ausgelebt. Ich weiß, es ist eine seltsame Aussage und es erscheint offensichtlich, aber trotzdem sage ich es an dieser Stelle.
Jedenfalls, das ist die ganze ehrliche Wahrheit: Ich habe früher viele anstößige Witze gemacht. Das tue ich nicht mehr. Ich gebe nicht meinem alten Ich die Schuld, aber ich mag mich selbst aktuell mehr und fühle mich wie ein erfüllteres menschliches Wesen und Schöpfer heutzutage. Ich liebe euch alle.
Das ist aber noch nicht alles, denn nach der Entlassung durch Marvel veröffentliche Gunn eine weitere Pressemitteilung, in der er den Schritt des Studios als nachvollziehbar erklärt hat:
Meine fast zehn Jahre alten Worte waren, zu der Zeit, absolut gescheiterte und schlecht formulierte Versuche zu provozieren. Ich habe sie jahrelang seitdem bereut – nicht nur weil sie dumm, absolut unlustig, extrem unsensibel und sicherlich nicht so provokant waren, wie ich es gehofft habe, aber auch weil sie nicht die Person beschreiben, die ich heute und schon seit einiger Zeit bin.
Unabhängig davon, wie viel Zeit vergangen ist, verstehe ich und akzeptiere die heute getroffene geschäftliche Entscheidung. Auch nach vielen Jahren nehme ich die gesamte Verantwortung darüber, wie ich mich damals verhalten habe, auf mich. Alles, was ich jetzt tun kann, abgesehen von meinem ehrlichen Bedauern, ist der beste Mensch zu sein, der ich sein kann: tolerant, verständnisvoll, mit Hingabe an Gleichstellung, und viel rücksichtsvoller im Hinblick auf meine öffentlichen Aussagen und meine Verpflichtung an die öffentliche Diskussion. Bei allen innerhalb und außerhalb der Industrie möchte ich mich abermals vom ganzen Herzen entschuldigen.
Jetzt ist vermutlich auch der Punkt gekommen, an dem Ihr Euch ungeduldig fragt, was zum Geier James Gunn damals bitte schön geschrieben hat? Tatsächlich haben die meisten Artikel über seine Entlassung die Tweets, mit denen er vor fast zehn Jahren unwissend sein Karriere-Grab geschaufelt hat, herausgelassen. Sie zu finden schien für mich eine Zeitlang wie die Suche nach dem offiziellen Titel von Avengers 4. Doch ein Screenshot unten gibt zumindest einen Überblick darüber, was Gunn bei Twitter verbrochen haben soll: (zum Vergrößern anklicken)
Weitere Beispiele findet Ihr hier.
Ob er für diese zugegebenermaßen wirklich sehr geschmacklosen Sprüche verdient hat, gefeuert zu werden, könnt Ihr selbst urteilen. Wie Gunn selbst, kann ich die Entscheidung zumindest aus geschäftlicher Sicht nachvollziehen. Wenn man für das größte Studio Hollywoods arbeitet, das Filme für die ganze Familie produziert, sollte man vielleicht sicherstellen, dass man alle Kindesmissbrauch-Witze aus dem eigenen Twitter-Feed vorher löscht…
Es ist nicht das erste Mal, dass James Gunn für seine Ausdrucksweise öffentlich kritisiert wurde. Vo sechs Jahren hat die Gay and Lesbian Alliance Against Defamation, eine Organisation von LGBT-Aktivisten, die sich für faire Darstellung von lesbischen, schwulen und transsexuellen Menschen in den Massenmedien einsetzt, Gunn wegen seiner 2011 publizierten Artikel "The 50 Superheroes You Most Want to Have Sex With" und "The 15 Superheroes I Most Want to Have Sex With" konfrontiert. In diesen satirischen (!) Artikeln verwendete er ebenfalls reichlich abfällige, homophobe, sexistische und herabwertende Sprache. Gunn hat sich damals entschuldigt und beide Artikel natürlich gelöscht.
Die Entlassung von James Gunn ist vermutlich der größte Rückschlag, den das Marvel Cinematic Universe bislang erleiden musste, noch größer als der Abgang von Edgar Wright bei Ant-Man. Guardians of the Galaxy Vol. 3 ist seit langer Zeit fester Bestandteil von Phase Vier des MCU und daran wird sich vermutlich nichts ändern. Ob James Gunns fertiges Drehbuch auch ohne ihn beibehalten werden wird, kann man noch nicht sagen. Hätte er den Film gedreht, wäre er der erste Regisseur geworden, der eine komplette Solo-Trilogie im MCU alleine zu Ende gebracht hätte, denn sowohl die Thor– als auch die Iron-Man– und die Captain-America-Reihen wechselten ihre Regisseure.
Der Erfolg und die Beliebtheit von Guardians of the Galaxy ist hauptsächlich der einzigartigen Vision von James Gunn zu verdanken und er prägte die Reihe noch viel mehr als es bei den Machern der anderen Franchises aus dem Universum ist. Nach seiner Arbeit an Guardians of the Galaxy Vol. 3 sollte Gunn eigentlich weiter den kosmischen Teil des MCU ausbauen. Jetzt muss Marvel so einige Pläne umkrempeln. Wird ein neuer Regisseur versuchen, Gunns Stil bei Vol. 3 zu imitieren oder die für ihren frechen Humor bekannte Reihe verändern? Nicht nur für die Fans ist die Situation sehr, sehr ärgerlich.
Die größte Lektion aus diesem ganzen Schlamassel: pass auf, was Du im Internet schreibst.
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