Ryan Turner, Rupert Grint, Emma Watson, Daniel Radcliffe, Daphne de Beistegui und Bonnie Wright in Harry Potter und die Heiligtümer des Todes Teil 2 (2011) © Warner Bros. Pictures
Quelle: Puck News
Um CEO eines milliardenschweren, internationalen Medienunternehmens zu sein, braucht man sicherlich einige Fähigkeiten und Talente, doch Kopfrechnen gehört offenbar nicht dazu. Bei der Telefonkonferenz zu den Umsätzen des dritten Quartals 2022 hat David Zaslav, der Präsident und CEO des frisch fusionierten Warner Bros. Discovery, angekündigt, dass Warner künftig einen besonders großen Fokus auf die vielen etablierten Franchises legen wird, die dem Studio gehören, um die Umsätze zu maximieren. Für die Fans origineller Geschichten ist das eine deprimierende Ansage, aus kommerzieller Sicht aber natürlich sinnvoll. Dabei beklagte Zaslav, dass viel Potenzial verschwendet wurde, dadurch, dass es beispielsweise seit 11 Jahren keinen Superman-Film oder seit 15 Jahren keinen Harry-Potter-Film mehr gab, wo doch diese Reihen dem Studio in Vergangenheit immense Einnahmen beschert haben.
Dass Man of Steel gerade einmal neun Jahre her ist und Harry Potter und die Heiligtümer des Todes Teil 2 nur elf, schien Zaslavs Rhetorik nicht zu stören. Es ist auch letztlich nebensächlich, denn was Zaslav den Investoren verdeutlichen will, ist, dass das Studio seine Franchises melken wird, was das Zeug hält. Harry Potter ist das Kronjuwel in Warners Katalog. Die acht von 2001 bis 2011 veröffentlichten Filme erwirtschafteten fast 7,8 Milliarden US-Dollar in den Kinos und natürlich viele weitere Milliarden mit DVDs, Blu-ray, TV-Lizenzen, Merchandise und Freizeitparks.
Dass Zaslav bei seiner Ansprache geflissentlich ignoriert hat, dass es erst dieses Jahr mit Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse einen brandneuen Film aus Harry Potters Zauberwelt gab, spricht Bände. Das Prequel-Franchise, auf die Warner anfangs noch so große Hoffnungen setzte, dass zunächst drei und dann gleich fünf Filme angekündigt wurden, bevor der erste überhaupt erschienen ist, läuft Gefahr, nach Teil 3 sang- und klanglos zu verschwinden. Spielte der erste Film dank der Neugier der Harry-Potter-Fans mehr als $800 Mio weltweit ein, sanken die Einspielergebnisse mit dem zweiten Teil deutlich, begleitet von den negativsten Kritiken des gesamten Franchises. Der dritte Film hat weder den Ruf noch den kommerziellen Erfolg der Reihe wiederherstellen können und die Umbesetzung von Johnny Depps Schurken Grindelwald durch Mads Mikkelsen hat auch nicht gerade zum Zuspruch bei vielen Fans beigetragen. Die Zukunft des vierten und fünften Films hängt am seidenen Faden, der intern möglicherweise sogar schon durchgeschnitten wurde.
Was kann Warner also mit Harry Potter noch machen, wenn es mit Phantastische Tierwesen nicht so richtig klappt? Ohne J.K. Rowlings Zustimmung herzlich wenig. Das Studio hat die Rechte an der Originalreihe und könnte natürlich Remakes drehen, doch ich bezweifle, dass das so gut ankommen würde. Für alles andere aus der Welt der Zauberei und Hexerei müsste das Studio eng mit der Autorin zusammenarbeiten, die die Drehbücher zu den Phantastische-Tierwesen-Filmen selbst geschrieben hat.
Natürlich gibt es da noch etwas, bei dem in Zaslavs Augen sofort die Dollarzeichen aufleuchten, den heiligen Gral, an den Warner bislang nicht herangelassen wurde: "Harry Potter und das verwunschene Kind" (OT: "Harry Potter and the Cursed Child"). Das in seiner Originalform zweiteilige, fünfstündige Theaterstück, das Jack Thorne (Enola Holmes) basierend auf einer Geschichte von Rowling geschrieben hat, feierte 2016 im Londoner West End Premiere, eroberte 2018 Broadway und ist inzwischen auch in Hamburg zu sehen. Das Stück spielt 19 Jahre nach dem Ende der "Harry Potter"-Romane und handelt hauptsächlich von Harrys Sohn, der dem Vermächtnis seines berühmten Vaters in Hogwarts nicht gerecht wird, seiner Freundschaft mit Draco Malfoys Sohn und ihren Abenteuern mit einem Zeitumkehrer. Das Stück räumte in London und New York zahlreiche Preise ab und wurde erwartungsgemäß zum gigantischen Erfolg. Man kann nicht leugnen, dass das kommerzielle Potenzial einer Verfilmung riesig wäre, insbesondere in einer Zeit, in der Nostalgie der größte Verkaufsschlager ist.
Toby Emmerich, der Vorsitzende von Warner Bros. Pictures vor der Fusion mit Discovery, unternahm bereits Anfang 2020 einen Versuch und reiste nach Großbritannien mit der Bitte an Rowling, einer Verfilmung als Kino-Zweiteiler zuzustimmen. Er wurde mit leeren Händen zurückgeschickt. Die Verfilmung wäre einerseits ein Eingeständnis seitens Rowling, dass ihre Phantastische-Tierwesen-Reihe nicht funktioniert, andererseits gibt es auch noch zu großes, nicht ausgeschöpftes finanzielles Potenzial auf Theaterbühnen.
Von Rowlings Ablehnung lässt sich Zaslav nicht beeindruckend, vielleicht auch mangels anderer Optionen, und laut Insider-Quellen des zuverlässigen Online-Portals Puck News hegt er die Hoffnung, sie davon überzeugen zu können, die Filmrechte an dem Stück abzutreten. Komplizierter wird die Sache auch dadurch, dass Rowling in den letzten Jahren durch ihre Aussagen über die Trans-Community für eine Kontroverse nach der anderen sorgte, doch wo potenziell Milliarden winken, spielt das für Warner eine untergeordnete Rolle. Schwieriger könnte es jedoch werden, Originaldarsteller wie Daniel Radcliffe oder Emma Watson für ihre Rollen als Harry und Hermine zurückzubringen. Beide haben sich in den Medien deutlich von Rowlings Aussagen distanziert und sie dafür verurteilt. Außerdem hat Radcliffe mehrfach beteuert, kein Interesse daran zu haben, Harry Potter in absehbarer Zeit wieder zu spielen.
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