Mit 27 Filmen in 63 Jahren und einem Gesamteinspiel von fast acht Milliarden US-Dollar ist James Bond eins der langlebigsten, beliebtesten und erfolgreichsten Film-Franchises aller Zeiten. Das Besondere an James Bond war, dass die Filmrechte an Ian Flemings Romanen über den MI6-Agenten nicht einem großen Hollywood-Studio gehörten, sondern seit über 60 Jahren in den Händen einer Familie lagen, die große kreative Kontrolle über die Filme ausübten und sich um das Vermächtnis von 007 kümmerten. Es war der US-amerikanische Filmproduzent Albert R. Broccoli, der 1961 die Rechte an den Bond-Romanen erworben und mit seiner Produktionsfirma Eon Productions 1962 den ersten Film James Bond jagt Dr. No mit Sean Connery als Bond produzierte. Als Pierce Brosnan die Bond-Rolle 1995 in Goldeneye übernommen hat, hat Broccoli die Kontrolle über Eon Productions und das Bond-Franchise seiner 35-jährigen Tochter Barbara Broccoli und seinem Stiefsohn Michael G. Wilson übergeben, die sich seit 30 Jahren um sein Erbe kümmern. Das ist jetzt vorbei.
Als Versandhaus-Riese und Streaming-Anbieter Amazon 2021 das legendäre Hollywood-Studio MGM aufgekauft hat, Jeff Bezos' Konzern dafür 8,45 Milliarden US-Dollar hingeblättert, etwa das Doppelte von dem damals geschätzten eigentlichen Wert des Studios und seines Filmarchivs. Franchises wie Rocky, Poltergeist und Natürlich blond gehören damit Amazon, doch das Prunkstück von MGM waren die Vertriebsrechte an künftigen James-Bond-Filmen. Es gab jedoch einen Haken: Zwar durfte Amazon die Bond-Filme exklusiv vertreiben und hatte gewisses Mitbestimmungsrecht bei der Produktion, die kreative Kontrolle blieb in den Händen von Barbara Broccoli und ihrem Halbbruder. Und während Amazon scharf darauf war, jeden Cent aus 007 zu melken und ein James Bond Cinematic Universe à la MCU mit Filmen, Serien, Spin-Offs usw. zu erschaffen wehrte sich Broccoli gegen diese Vorschläge. Für sie waren die Rahmenbedingungen von James Bond eindeutig: James Bond musste ein Mann bleiben (nicht zwingend weiß), britisch und gehörte ins Kino und nicht ins Fernsehen.
Die Uneinigkeit zwischen Amazon und den Broccolis ist der Grund, weshalb wir mehr als drei Jahre nach Daniel Craigs Abschiedsvorstellung als 007 immer noch nicht wissen, wann und wie es weitergehen wird. Letztlich war das Tauziehen mit dem Konzern zermürbend für Barbara Broccoli, insbesondere mit der Aussicht darauf, dass ihr Halbbruder Wilson bald den Ruhestand antreten will und sie die alleinige Hüterin von James Bond wäre. In einer Meldung, die für Schockwellen in der Filmindustrie und unter James-Bond-Fans sorgte, wurde gestern bekannt, dass Broccoli die kreative Kontrolle über James Bond an Amazon abgetreten hat. Zwar werden Wilson und sie (zumindest auf Papier) weiterhin Mitinhaber der Rechte am Franchise bleiben, die Entscheidungen über die Ausrichtung der Reihe und die Besetzung der Titelrolle gehört künftig Amazon. Laut Insider-Quellen, die Broccoli nahestehen, fiel ihr die Entscheidung schwer und sie wirkte resigniert, als sie sie ihnen mitgeteilt hat. Es soll wie ein Todesfall in der Familie gehandhabt worden sein.
Immerhin hat sie Amazon für die Rechte richtig blechen lassen. Laut Branchenblatt Deadline ließ sich Amazon die komplette Verfügungsgewalt über James Bond zusätzlich rund eine Milliarde US-Dollar kosten lassen. Bei einer solchen Summe kommt jeder in Versuchung.
Wie wird die Zukunft von James Bond aussehen? Das wissen wir nicht, doch man kann es niemandem verübeln, der nach der Übernahme von Amazon befürchtet, dass das berühmteste Geheimagenten-Franchise der Welt zur seelenlosen Massenware verkommen wird. Bond-Fans waren nicht immer mit den Entscheidungen der Broccolis einverstanden oder mit jedem Film glücklich, doch sie sich konnten zumindest immer sicher sein, dass das Franchise sich in den Händen von jemandem befindet, dem James Bond am Herzen liegt. damit ist jetzt Schluss.
Quelle: Deadline