John Wick ist ein Phänomen. Als der erste Film 2014 in die Kinos kam, waren die Erwartungen sehr niedrig. Keanu Reeves hatte zu der Zeit seit Jahren keinen Hit mehr. Die Zeiten von Matrix lagen schon lange hinter ihm. Der Film selbst fand mehr als ein halbes Jahr nach Fertigstellung keinen Vertrieb in den USA, das Screening für die Studiovertreter verlief katastrophal. Lionsgate war der einzige Interessent und die Produzenten mussten trotz schlechter Konditionen mangels Alternativen annehmen. Zwischenzeitlich war nicht einmal sicher, ob John Wick überhaupt ins Kino kommen oder direkt auf DVD und Blu-ray, wie ein Steven-Seagal- oder Dolph-Lundgren-Klopper, verramscht werden würde.
Rückblickend erscheint das absurd, denn inzwischen ist John Wick das mit Abstand erfolgreichste R-rated Action-Franchise der letzten Jahre. Lionsgate hat mit dem Erwerb der Franchise-Rechte den größten Glückstreffer des Studios seit Die Tribute von Panem erzielt. War der erste Film noch ein Achtungserfolg mit $86 Mio Einspiel und einem Budget von $20 Mio, fand er im Heimkino viele neue Fans, sodass die Fortsetzung bereits mit deutlich größerem Hype in die Kinos kam. John Wick wurde zu einem der ganz wenigen Franchises, bei dem jeder Film mehr eingespielt hat als sein jeweiliger Vorgänger. Auch die Kritiken für jeden Teil waren erstaunlich gut. Der erste John Wick erzählte noch eine gradlinige und halbwegs bodenständige Rachegeschichte, die Nachfolger tauchten tief in die Mythologie die Parallelwelt aus exzentrischen Profikillern und Gangsterbossen ein.
Mit den besten Kritiken, dem höchsten Einspiel ($440 Mio), dem größten Budget ($100 Mio) und der längsten Laufzeit (169 Minuten) setzte John Wick: Kapitel 4 der Reihe letztes Jahr die Krone auf und wäre auf den ersten Blick auch der perfekte, konsequente Abschluss. Am Ende des Films erliegt John Wick augenscheinlich seinen Verletzungen, seine Freunde stehen an seinem Grab und es gibt keinen konkreten Hinweis darauf, dass er seinen Tod nur vorgetäuscht und doch noch überlebt hat. Tatsächlich wollte Reeves selbst, dass sein Charakter in dem Film eindeutig stirbt, die Produzenten haben ihn jedoch überredet, die Tür für seine Rückkehr einen Spaltbreit offen zu lassen.
John Wick: Kapitel 4 war auch der erste Teil der Reihe, der eine Szene nach dem Abspann hatte. Diese diente jedoch nicht dazu, um John Wick wiederauferstehen zu lassen, sondern um die Fortführung der Geschichte zwei anderer Figuren anzudeuten: Donnie Yen als blinder Profikiller Caine, der am Ende von seinen Verpflichtungen gegenüber der Hohen Kammer befreit wird, und Rina Sawayama als Akira, die sich an Caine für den ihres Vaters (Hiroyuki Sanada) rächen will.
Die kurze Szene sah danach als, als würde sie ein neues Spin-Off vorbereiten und genau so kommt es nun auch. Donnie Yen hat den Vertrag unterschrieben, als Caine in einem eigenen Film aus dem John-Wick-Universum zurückzukehren. Die Dreharbeiten werden nächstes Jahr in Hogkong beginnen und der Film wird nach den Ereignissen von John Wick: Kapitel 4 spielen. Sawayamas Rückkehr als Akira wurde bislang nicht bestätigt, doch es wäre überraschend, wenn der Cliffhanger ihrer letzten Szene unaufgelöst bleiben würde. Robert Askins ("The Umbrella Academy") schreibt das Drehbuch zum noch unbetitelten Spin-Off. Wer Regie übernehmen wird, steht noch nicht fest. John-Wick-Regisseur Chad Stahelski fungiert diesmal als Produzent.
Es wird das zweite Kino-Spin-Off der John-Wick-Reihe sein nach Ballerina mit Ana de Armas als tödliche Killerin, die den Tod ihrer Familie rächt. Ballerina wurde zuletzt um ein ganzes Jahr nach hinten bis 2025 verschoben, weil der Film umfangreichen Nachdrehs unterzogen wird, die die Actionszenen verbessern und neue Charaktere einführen sollen. Weil Ballerina zwischen dem dritten und dem vierten John-Wick-Teil spielt, absolvieren darin Keanu Reeves als John, Ian McShane als Winston und der leider verstorbene Lance Reddick als Charon Gastauftritte. Reeves soll sogar eine ausgiebige Actionszene neben de Armas in dem Film haben.
Ob vertraute Gesichter auch im Caine-Spin-Off mit Donnie Yen zu sehen sein werden, ist noch unbekannt. Der Film wäre die perfekte Gelegenheit, um die Wiedergeburt von John Wick vorzubereiten, denn ein fünfter Film ist nach dem Riesenerfolg des vierten nicht nur unausweichlich, sondern wurde im Prinzip schon von Lionsgate angekündigt, auch wenn Stahelski und Reeves sich noch bedeckt halten. Die eigentliche Frage lautet nicht, ob John Wick zurückkehren wird, sondern wann. Es ist aktuell Lionsgates erfolgreichstes Franchise und das Studio wird es auch melken, was das Zeug hält. Neben den beiden angekündigten Spin-Off-Filmen und einem fünften Teil der Hauptreihe sind außerdem eine Animeserie und eine weitere Realserie aus dem John-Wick-Universum geplant.
Ob das zu viel des Guten ist, wird sich noch zeigen. Auf den Solo-Film von Donnie Yen als Caine freue ich mich aber sehr. Nicht nur war sein Charakter das Highlight im ansonsten zu langen und teilweise redundanten vierten Film, es ist auch immer eine Freude, den aktuell möglicherweise besten Martial-Arts-Star der Welt in seinem Element zu sehen.
Quelle: Deadline