Es gab kaum einen Film letztes Jahr, der von seinem Publikum dermaßen kategorisch abgelehnt wurde wie Joker: Folie à Deux. Auf Papier hatte der Film das Potenzial zu einem der größten Hits des Jahres. Der Vorgänger war ein Zeitgeist-Phänomen, gewann den Goldenen Löwen in Venedig, wurde für elf Oscars nominiert, hat zwei gewonnen und schrieb Geschichte, als er zum ersten R-rated-Film mit einem weltweiten Einspiel von mehr als einer Milliarde US-Dollar wurde. Was im Prinzip eine düstere Charakterstudie mit deutlich größerer Ähnlichkeit zu Martin Scorseses Taxi Driver und The King of Comedy als zu einer typischen Comicverfilmung, hat den Nerv der Kinogänger getroffen und wurde zu einem überraschenden Blockbuster für ein Arthouse-Publikum.
War der erste Film noch mit einem sparsamen Budget von $55 Millionen produziert und daher extrem profitabel, ließ sich Warner Bros. beim Sequel nicht lumpen und investierte rund $200 Millionen in den Film. Der oscarprämierte Hauptdarsteller Joaquin Phoenix kehrte zurück und hatte diesmal Superstar Lady Gaga als Harley Quinn an seiner Seite, die bereits in A Star Is Born und House of Gucci das Publikum begeistert hat. Ihre Besetzung kam nicht von ungefähr, denn Regisseur Todd Phillips hatte die Idee, aus dem zweiten Teil ein Musical zu machen.
Ob diese Entscheidung Folie à Deux letztlich zum Scheitern verurteilt hat oder die Tatsache, dass das Sequel den Fans des Originals mehr oder weniger den Mittelfinger gezeigt hat, wird sicherlich noch lange Zeit diskutiert und analysiert werden. Fest steht, dass Kritiker vom Film wenig begeistert waren und das Publikum ihn geradezu hasste. Bei der Zuschauerumfrage CinemaScore erzielte er mit D+ (äquivalent einer der Schulnote 4+) die schlechteste Wertung aller Zeiten für eine Comicverfilmung. Die Mundpropaganda war katastrophal und nach einem enttäuschenden Startwochenende implodierte der Film an den Kinokassen. Weltweit spielte er rund $207 Mio ein, knapp ein Fünftel des Gesamtergebnisses seines Vorgängers. In Deutschland sahen ihn nur 790.000 Menschen im Kino, beim ersten Film waren es noch fast 4,3 Millionen.
Während sich weder Phillips noch Phoenix zum kolossalen Scheitern des Films bislang geäußert haben, hat Lady Gaga in einem neuen Interview den Flop angesprochen und gab sich dabei recht gelassen: (aus dem Englischen)
Manchmal mögen Menschen etwas einfach nicht. So einfach ist das. Und ich denke, um eine Künstlerin zu sein, muss man bereit sein, dass Leute etwas nicht mögen. Und man macht weiter, auch wenn etwas nicht auf die Weise angekommen ist, wie man es gehofft hat. Es ist die Angst vor Versagen, die wirklich schädlich ist. Wenn das seinen Weg in sein Leben findet, kann man es schwer kontrollieren. Es ist Teil des Chaos.
Letztlich vermute ich, dass alle Beteiligten an dem Film trotz des Flops unbeschadet davonkommen werden. Ich kann mir sogar gut vorstellen, dass der Film mit den Jahren eine eigene Fangemeinde entwickeln wird. Kultregisseure John Waters und Quentin Tarantino haben bereits ihre Begeisterung für Joker: Folie à Deux und Unverständnis für negative Stimmen kundgetan. Ich würde zwar nicht so weit gehen, mich als Fan des Films zu bezeichnen, doch er war zumindest deutlich ambitionierter und dadurch interessanter als sein Vorgänger.
Quelle: Elle