In der fast 100-jährigen Geschichte der Oscars wurden nur drei Schauspielerpaare für die Darstellung derselben Figur ausgezeichnet: Marlon Brando und Robert De Niro als Vito Corleone für Der Pate bzw. Der Pate II, Rita Moreno und Ariana DeBose als Anita in West Side Story bzw. dessen Remake und Heath Ledger und Joaquin Phoenix als Joker in Christopher Nolans The Dark Knight bzw. Todd Phillips' Joker.
Doch während Brando und De Niro denselben Menschen zu unterschiedlichen Zeitpunkten seines Lebens verkörperten und Moreno und DeBose ebenfalls eindeutig dieselbe Figur in zwei kaum unterschiedlichen Versionen desselben Musicals spielten, hatten Ledgers und Phoenix' Joker abgesehen von derselben DC-Comicvorlage und einer Vorliebe für verschmiertes Gesichts-Make-up nahezu gar nichts gemeinsam. So herausragend beide Performances jeweils waren, zwischen ihren Charakteren und lagen Welten. Ledgers Joker war ein unberechenbares, anarchistischer Verbrechergenie ohne bürgerlichen Namen oder eine klare Vorgeschichte; Phoenix' Charakter war hingegen ein psychisch kranker, geradezu armseliger gescheiterter Komiker namens Arthur Fleck, der von seiner Umgebung geächtet wird und eines Tages gewalttätig überschnappt.
Bis heute ist der Joker der einzige Comiccharakter, deren Darstellung im Kino bei den Oscars prämiert wurde. Weil Ledger noch vor dem Kinostart von The Dark Knight tragisch verstorben ist, haben wir seine geplante Rückkehr als Joker im Sequel nie erlebt. Phoenix hingegen wird diesen Herbst exakt fünf Jahre nach dem ersten Film in Joker: Folie à Deux seinen zweiten Auftritt in der Rolle absolvieren und damit im allerersten Sequel seiner Karriere zu sehen sein. Eigentlich war Joker nie als Franchise-Auftakt geplant, doch der massive Erfolg des elffach oscarnominierten Milliardenhits hat Phillips und Phoenix davon überzeugt, dass sie noch mehr über Arthur Fleck zu sagen hatten. Die fetten Schecks, die Warner Bros. an die beiden ausgestellt hat, haben bei der Entscheidungsfindung sicherlich auch geholfen.
Doch weder Phillips noch Phoenix wollten sich mit der Fortsetzung wiederholen und wagten einen unter den Fans des Originals umstrittenen Schritt: Joker 2 ist ein Musical! Passend dazu wurde Superstar Lady Gaga (A Star Is Born) als Jokers Geliebte Harley Quinn verpflichtet. Der Titelzusatz bezeichnet übrigens im Fachjargon die Übernahme der wahnhaften Symptomatik einer Person durch eine andere und beschreibt die symbiotische Bzeihung von Joker und Harley Quinn. Wie groß der Anteil der Tanz- und Gesangseinlagen im Film sein wird, ist noch unklar, doch der soeben veröffentlichte Teaser-Trailer versucht nicht, die musikalische Komponente des Films zu verbergen, und beeindruckt mit Bildern, die dem Film mindestens eine Oscarnominierung für die Kameraarbeit garantieren sollten. Schaut selbst:
Deutscher Teaser
Originalteaser
Waren die Martin Scorseses Taxi Driver und The King of Comedy die offensichtlichen Inspirationen für den ersten Joker, der sich für mich wie eine oberflächlichere und überhypte Kopie der beiden anfühlte, diente der deutlich weniger bekannte Musical-Flop Einer mit Herz von Francis Ford Coppola als stilistische Inspiration für Joker: Folie à Deux. Entgegen der weit verbreiteten Annahme, dass der Film ein Vollblut-Musical sei, hat Kameramann Lawrence Sher beteuert, dass der Film zwar viel Musik und musikalische Elemente enthalte, aber genauso wenig ein klassisches Musical sei wie der erste Film. Auf jeden Fall bin ich trotz meiner relativen Enttäuschung über den ersten Film sehr neugierig auf den ambitionierten Nachfolger, dessen Budget mit rund $200 Millionen fast das Vierfache des Originalfilms beträgt. Nichtsdestotrotz behält der Film das nicht-jungendfreie R-Rating des Vorgängers bei, das ihm bereits für "heftige Gewaltdarstellungen, Kraftausdrücke, sexuelle Inhalte und eine kurze Szene vollständiger Nacktheit" erteilt wurde.
Neben Phoenix und Gaga spielen Brandan Gleeson (The Banshees of Inisherin), Catherine Keener (Get Out), Harry Lawtey ("Industry"), Steve Coogan (Philomena) und Ken Leung ("Lost") in dem Film mit, während Zazie Beetz in ihrer Rolle aus dem ersten Teil zurückkehrt.
Der erste Film polarisierte die Kritiker, gewann aber überraschend den Goldenen Löwen in Venedig und traf zielsicher den Nerv der Zuschauer. Die gespaltenen Reaktionen und die vagen Bezeichnungen des Films als "gefährlich" und "aufrührerisch" haben den Hype angefeuert, sodass dieses düstere deprimierende Drama ohne nennenswerte Action oder großen Spektakel weltweit mehr als eine Milliarde US-Dollar eingespielt hat und bis heute der mit Abstand umsatzstärkste R-rated-Film aller Zeiten ist. In Deutschland überholte er sogar Richard Donners Superman als besucherstärkste DC-Verfilmung überhaupt. Ob der zweite Film den Erfolg des Vorgänger wiederholen wird, wird sich in fünf Monaten zeigen. Am 03.10.2024 kommt Joker: Folie à Deux in unsere Kinos. Unten haben wir schon mal das Teaser-Poster.