"Little Britain"-Macher entschuldigen sich für Blackface

Matt Lucas und David Walliams in "Little Britain" © BBC

Quelle: David Walliams Twitter

Wie grenzüberschreitend darf Humor sein? Bedeutet Political Correctness den Tod böser Comedy? Darf man Kunst aus vergangenen Zeiten zensieren, wenn sie ihre Epoche korrekt widerspiegelt? Diese Fragen sind alles andere als neu, doch seit einigen Tagen sind sie akuter denn je. Als Reaktion auf Kritik im Zuge der "Black Lives Matter"-Bewegung haben Netflix und BBC die britischen Sketch-Comedyshows "Little Britain" und "Come Fly With Me" aus ihrem Streaming-Angebot entfernt. Grund dafür waren Blackface-Szenen, in denen die weißen Hauptdarsteller im schwarzen Make-up dunkelhäutige Charaktere verkörpert haben. Unten ein kurzes Beispiel aus der Serie selbst:

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Blackface ist eine Tradition, die auf die extrem rassistischen sogenannten Minstrel Shows aus den USA des 19. Jahrhunderts zurückgeht, in denen schwarz geschminkte weiße Darsteller stereotype Schwarze zur Belustigung des Publikums darstellten.

Neben den beiden genannten Serien nahm Netflix auch "The League of Gentlemen" und "The Mighty Boosh" aus dem Programm, während HBO Max den Südstaaten-Filmklassiker Vom Winde verweht vorläufig aus dem Programm entfernte, mit dem Versprechen, den Film demnächst mit einem Vermerk zur historischen Einordnung, aber ansonsten unverändert zurückzubringen. Vom Winde verweht zeigte ein romantisiertes Bild von der Sklaverei und den US-amerikanischen Südstaaten während des Sezessionskriegs.

Die beiden "Little Britain"-Schöpfer und Darsteller Matt Lucas und David Walliams haben inzwischen eine Entschuldigung zu ihren Blackface-Darstellungen veröffentlicht und betont, dass sie diese Entscheidung schon länger bedauern: (aus dem Englischen)

Matt und ich haben in den letzten Jahren öffentlich über unser Bedauern gesprochen, Charaktere anderer Ethnien gespielt zu haben. Wir wollen es noch einmal klarstellen, dass es falsch war und es uns sehr leid tut.

Bevor irgendjemand von Euch denkt, dass sie sich lediglich in der aktuellen Situation unter Druck gesetzt fühlten, sich öffentlich zu entschuldigen  – sie haben vor einigen Jahren schon zugegeben, dass sie in einigen Punkten mit ihrer Serie zu weit gegangen sind und sie in heutiger Zeit anders machen würden. Lucas erklärte beispielsweise 2017 in einem Interview:

Wenn ich zurückgehen und "Little Britain" noch einmal machen könnte, würde ich keine Witze über Transvestiten machen. Ich würde keine schwarzen Charaktere spielen. Im Grunde würde ich diese Serie jetzt nicht machen. Sie würde die Leute verärgern. Wir haben eine grausamere Comedy damals gemacht als ich sie heute mache. Die Gesellschaft hat sich seitdem weiterentwickelt, und meine eigenen Ansichten haben sich weiterentwickelt. Es gab keine böse Absicht – man könnte uns höchstens Gier unterstellen. Wir wollten damit angeben, wie viele unterschiedliche, vielfältige Charaktere wir spielen konnten. Jetzt denke ich, dass es faul ist für weiße Leute, zu versuchen, Lacher zu kriegen, indem sie schwarze Charaktere spielen. Mein Ziel ist es, zu unterhalten. Ich habe keine andere Agenda. Als ich älter geworden bin, bin ich empathischer geworden, es macht mir mehr aus, Menschen zu verletzten. Ich habe Gary Barlow nur ein paar Mal getroffen, aber ich habe mich jedes Mal entschuldigt.

Vor drei Jahren war es Lucas also schon bewusst und er musste nicht erst mit dem Rücken gegen die Wand stehen, um das zuzugeben. Wenn also er sich weiterentwickeln konnte und zugibt mehr Empathie entwickelt zu haben, wieso gelingt das den empörten Leuten nicht, die sich seit Tagen über diese Zensur aufregen und dämliche, völlig an den Haaren herbeigezogene Vergleiche mit Bücherverbrennungen heraufbeschwören? Leute, die noch nie auf den Gedanken gekommen sind, sich den vierstündigen Vom Winde verweht anzuschauen, regen sich jetzt darüber auf, dass ein einzelner, ausschließlich in den USA verfügbarer Streaming-Dienst den Film für einige Tage aus dem Programm nimmt. Leute, die den Tod des Humors proklamieren, weil sie nicht in der Lage sind, zwischen politischer Inkorrektheit und schlichter Herabwürdigung zu differenzieren.

Die eingangs in diesem Artikel gestellten Fragen haben keine einfachen Antworten. Sie sind Teil einer komplexen Diskussion, einer Diskussion, die sich noch über Jahre weiterentwickeln wird, wie die Gesellschaft selbst. Ich bin auch nicht mit jeder Maßnahme zu 100% einverstanden. Ob es sich bei Papa Lazarou aus "The League of Gentlemen" wirklich um Blackface handelt, darüber kann man sich streiten. Und ganz sicher müssen weder sie noch "The Mighty Boosh" dauerhaft komplett aus dem Programm genommen werden. Auch "Little Britain" wird vermutlich nicht komplett aus der Existenz getilgt werden. Aber die Diskussion kategorisch abzulehnen und darauf zu beharren, dass Humor und künstlerische Entfaltung Opfer jetzt der aktionistischen Zensur werden, ist gelinde gesagt, ignorant. Wenn es eine Sache gibt, die diese Entfernungen bewirken, dann, dass sie ein Zeichen dafür setzen, dass es Diskussionsbedarf über Themen gibt, die offensichtlich noch nicht ins Bewusstsein vieler Menschen durchgedrungen sind.

Es wird in den letzten Tagen viel auf Political Incorrectness gepocht. In einer Gesellschaft, in der Begriffe wie "Gutmensch" oder "Social Justice Warrior" von vielen Leuten tatsächlich negativ besetzt sind (wie absurd ist das eigentlich?), sind es meist diejenigen, die in der aktuellen Situation auf ihr Recht auf Political Incorrectness bestehen, die in den allermeisten Fällen selbst nie von welcher betroffen sind. Davon abgesehen ist es auch völliger Quatsch, dass sich Political Incorrectness grundsätzlich angeprangert wird. "South Park" macht es schon seit 20 Jahren und ist eine Spur böser als nahezu alle anderen Serien. Rufen aktuell viele nach einem Verbot von "South Park"? Höchstens die Scientologen. Auch Sacha Baron Cohens Charaktrere wie Borat und Brüno sind wirklich alles andere als politisch korrekt und dennoch steht er aktuell nicht im Kreuzfeuer. Kontext ist entscheidend, wie auch Hollywood-Satire Tropic Thunder zeigt, in der Robert Downey Jr. in der Hauptrolle zu einem Schwarzen wurde und dafür sogar eine Oscarnominierung erhielt. Doch bei der Rolle ging es eben genau darum, sich über den Charakter lustig zu machen, weil er sich als Schwarzer ausgeben will – ein sehr schmaler Grat, auf dem der Film und Downey Jr. wandelten.

Die Diskussion über Blackface oder subtilere rassistische Elemente in den Medien würde hier jeglichen Rahmen sprengen, aber falls Euch die entsprechenden "Zensur"-Meldungen aus den letzten Tagen aufgebracht und zur Reaktanz geführt haben, geht doch einfach ein Euch hinein und reflektiert ein wenig darüber, weshalb das geschehen ist, welche Vorgeschichte Blackface in der Kunst hat, und was solche Darstellungen vor diesem Hintergrund für die betroffenen Leute bedeuten könnten. Nehmt Euch ein Beispiel an Matt Lucas.

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  1. Die Rassismus Debatte hat einen Punkt erreicht, an dem sie nicht mehr ernstgenommen werden kann… Damit wird dem Kampf gegen tatsächlichen Rassismus auf lange Sicht extrem geschadet. Aber von dieser Erkenntnis ist der politisch korrekte Autor dieser kolumne leider nur sehr weit entfernt.
    Zu little britain :
    Jeder hat das Recht sich selbst in seiner Kunst auszuleben wie er will.
    Und jeder hat natürlich auch das Recht sich beleidigt oder in seiner " Würde verletzt" zu fühlen.
    Und damit hat sichs.
    Wem es nicht gefällt, soll es sich nicht anschauen. BASTA!

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