Lucas Till in "MacGyver" © 2020 CBS Broadcasting, Inc. All Rights Reserved.
Quelle: Vanity Fair
Es kam wie ein ziemlicher Schock für die Außenstehenden, als CBS einen seiner erfolgreichsten Serienmacher, Peter M. Lenkov, Anfang des Monats nach einer internen Untersuchung über sein anhaltendes Fehlverhalten fristlos entlassen hat. Lenkov hat für CBS die Reboots der Kultserien "Hawaii Five-0", "MacGyver" und "Magnum P.I." erschaffen und sie in einem zusammenhängenden Serienuniversum miteinander verknüpft. "Hawaii Five-0" endete ihren erfolgreichen Lauf dieses Jahr nach zehn Staffeln, "MacGyver" und "Magnum P.I." werden im Herbst mit neuen Showrunnern jeweils in die fünfte bzw. dritte Runde gehen.
Lenkov akzeptierte die Verantwortung und hat nicht versucht, die Entscheidung anzufechten. Auslöser für seine Entlassung sollen laut dem ursprünglichen Bericht von The Hollywood Reporter drei separate Beschwerden gewesen sein, die zur Einleitung der internen Untersuchung führten. Doch wie ein neuer umfassender und aufwendig recherchierter Artikel von Vanity Fair jetzt aufzeigt, war Lenkovs Verhalten schon seit zehn Jahren höchst problematisch.
Vanity Fair hat mit insgesamt 30 verschiedenen Quellen gesprochen, die an einer oder mehreren von Lenkovs Serien vor oder hinter den Kulissen mitgewirkt haben, und dabei ergab sich weitgehend übereinstimmend das Bild eines emotional missbräuchlichen, herablassenden, aggressiven Arschlochs, das die Atmosphäre am Set vergiftete. Auch wurde von vielen unterstellt, dass CBS von diesen Problemen gewusst und sie ignoriert haben muss, weil Lenkovs Serien dem Sender viel Geld eingebracht haben.
Viele der Personen, mit denen Vanity Fair gesprochen hat, sind anonym geblieben, doch auch einer der Stars der drei betroffenen Serien hat sich gegenüber der Zeitschrift offen über Lenkovs inakzeptables Verhalten geäußert. "MacGyver"-Hauptdarsteller Lucas Till hat sogar gesagt, dass er sich deswegen im ersten Jahr der Serie suizidal gefühlt hat: (aus dem Englischen)
Ich habe noch nie so hart in meinem Leben gearbeitet und ich hatte kein Problem mit harter Arbeit. Aber die Weise, auf die Peter Leute behandelt, ist einfach inakzeptabel. Ich war suizidal in meinem ersten Jahr bei der Serie wegen der Art, wie er mich fühlen ließ. Die Art, wie er meine Mitmenschen behandelt hat, das war meine Grenze.
Es gab immer irgendetwas an meinem Aussehen, was ihm nicht gefallen hat. Als ich in einem Krankenhauskittel zu sehen war, meinte er, meine Beine seien "verdammt hässlich" und wir dürfen sie nie wieder zeigen. Ganz ehrlich, ich habe auch etwas Humor für mich in diesem Kommentar gesehen, aber man kann sich vorstellen, wenn das ein empfindlicherer Punkt gewesen wäre, den er getroffen hätte – und das tat er häufig.
So wie er einmal einen Regisseur angeschrien hat: "Oh my fucking God! Steckt ihm das Hemd in die Hose, er sieht aus wie ein kleiner fucking Junge." Es fiel mir schwer, "männliches Gewicht" bei der Serie aufrechtzuerhalten, wegen des Stresses, des Zeitmangels zum Training und eines unvorhersehbaren Zeitplans für angemessene Ernährung.
Till war gerade einmal 25, als er in der Hauptrolle der Serie besetzt wurde, und als junger und noch nicht mit allen Wassern gewaschener Schauspieler ist man selbstverständlich schwer getroffen, wenn der eigene Chef am Set mit einem so umgeht. Till gab im Interview auch zu, dass es zwar Phasen gab, in denen Lenkov und er ein freundliches Verhältnis zueinander hatten, er insgesamt viel Body-Shaming, emotionalen Missbrauch und Mobbing von ihm erfahren musste. Laut Till soll Lenkov selten selbst am Set gewesen sein, war aber letztlich für die Atmosphäre verantwortlich und hat ein feindseliges Arbeitsumfeld erschaffen.
Till erzählte außerdem, dass er sich erstmals 2017 und dann noch einmal dieses Jahr bei der Chefetage von CBS Lenkovs Verhalten beklagt hat, jedoch aus seiner Sicht fruchtlos:
Ich denke, sie hielten mich für einen verrückten Schauspieler, der mehr Geld will. Letzten Endes haben sie das nicht ernst genommen.
Eine interne CBS-Quelle bestreitet das allerdings und sagt, dass es Tills Beschwerden waren, die zur internen Untersuchung und Lenkovs Entlassung führten. Im Mai hat Till einen fünfseitigen Brief an die Leiterin der Personalabteilung von CBS geschrieben und Lenkovs inakzeptables Verhalten gegenüber ihm und seiner Schauspielkollegin Meredith Eaton bei "MacGyver" geschildert.
Derweil hat Lenkovs Anwalt Tills Vorwürfe kategorisch zurückgewiesen und erklärt, das Lenkov den Schauspieler von Anfang an unterstützt haben soll.
Eine von Lenkovs Mitarbeiterinnen hat in einem Interview, das noch kurz vor seiner Entlassung im Mai geführt wurde, erzählt, dass er beim Dreh von "MacGyver" in Atlanta ihr gegenüber regelmäßig am Telefon ausfallend geworden ist:
Manchmal musste ich das Telefon von meinem Ohr fernhalten, weil es so laut war. Es ist einfach explosive Wut, schreiend, fast inkohärent manchmal. Es gab keinen Weg, zu deeskalieren. Ich war noch nie bei einer Serie, bei der die Leute so schnell kamen und gingen. Wir konnten sie nicht dazu bringen zu bleiben. Es ist ein toxisches Umfeld, und es beginnt ganz oben.
Eine weitere Quelle, die an einer von Lenkovs Serien 2019 gearbeitet hat und sie wegen der untragbaren Umstände verlassen hat, erklärte:
Jeder lebt in Angst. Es ist ein miserables Umfeld.
Ein anderer von Lenkovs ehemaligen Kollegen ergänzte:
Ich habe mich fast jeden Tag wegen des emotionalen Drucks und der Angstübergeben. Ich habe mich nie sicher bei der Arbeit gefühlt, ich habe mich dort nie ruhig gefühlt.
Justin Rettke, der als vier Staffeln lang als Script Coordinator bei "Hawaii Five-0" gearbeitet hat, erzählte, dass die Nachwirkungen von Lenkovs Schreckensherrschaft lange angehalten haben, nachdem er den Job gewechselt hat:
Es hat fast ein Jahr gedauert, bis die Albträume aufgehört haben. Die Zeit mit Peter zu verbringen war es, als ob man versuchen würde, eine Bombe ohne Anleitung zu entschärfen. Man wusste nie, welchen Draht man durchschneiden soll. Man konnte nie wissen, wann er hochgehen würde.
Es gab nicht ausschließlich negative Meinungen über Lenkov. Linda Sutton, die vier Staffeln lang als Szenenbildnerin bei "Hawaii Five-0" gearbeitet hat, erklärte:
Ich war sehr überrascht, als ich gehört habe, was passiert ist, weil ich nie den Eindruck hatte, dass er ein toxisches Arbeitsumfeld erschaffen hat. Er war der Boss, und wir haben alle als Team zusammengearbeitet, um den Look zu erschaffen, den er sich vorgestellt hat. Aber es war alles sehr freundlich. Ich fand es angenehm, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Es lohnt sich auf jeden Fall, sich den ganz oben verlinkten Artikel von Vanity Fair durchzulesen, in dem weitere Vorwürfe (u. a. wegen Sexismus) gegenüber Lenkov beleuchtet werden, und versucht wird zu erklärten, weshalb CBS so lange nichts unternommen hat.