John David Washington und Zendaya in Malcom & Marie © 2020 Netflix/M&M Production, LLC
Quelle: Deadline
Im März hat Corona die Film- und Serienindustrie weltweit monatelang lahmgelegt. Jedenfalls beinahe, denn es sprossen auch zahlreiche Lockdown-thematische Filme und Serien (wie beispielsweise "Love in the Time of Corona") aus dem Boden, wobei die Macher Regie aus der Ferne führten und die Darsteller sich selbst daheim filmten. Doch es gab auch einige wenige kreative Filmemacher, die einen Weg gefunden haben, kleine kammerspielartige Filme in der Zeit zu inszenieren, darunter auch Sam Levinson, der Schöpfer der gefeierten und aufsehenerregenden HBO-Serie "Euphoria". Deren zweite Staffel sollte eigentlich im zweiten Quartal des Jahres gedreht werden, doch die Produktion wurde auf unbestimmte Zeit aufgeschoben. Gerade weil in der Serie körperliche Nähe und Intimität eine sehr große Rolle spielen, ist es noch nicht absehbar, wann sie weitergedreht werden kann und welche Auswirkungen Corona auf ihre Inhalte haben wird.
In der Zwischenzeit hatte Levinson jedoch eine Eingebung von einem kleinen Film, dessen Drehbuch er im Sommer in nur sechs Tagen fertiggestellt hat. Für die beiden Hauptrollen konnte er zwei der aktuell begehrtesten jungen Stars Hollywoods verpflichten: John David Washington, den Star von Christopher Nolans Tenet, und Schauspielerin und Sängerin Zendaya, die für ihre Rolle in Levinsons "Euphoria" mit einem Emmy ausgezeichnet wurde und demnächst im Sci-Fi-Epos Dune im Kino zu sehen sein wird. In der zweiten Junihälfte drehte Levinson mit dem beiden das Drama Malcolm & Marie im umweltfreundlichen und gut belüftbaren Caterpillar House in Kalifornien ab. Der Streifen wurde in Schwarzweiß und auf 35mm-Film gedreht, was für die heutige Zeit natürlich höchst ungewöhnlich ist. Bei den Dreharbeiten kam eine ellenlange Liste von Sicherheitsvorkehrungen zum Einsatz, die ich hier nicht auflisten werde, die Ihr aber bei Interesse hier auf Englisch nachlesen könnt.
Malcolm & Marie war der erste Film, der in den USA während der Pandemie komplett fertiggestellt wurde. In dem Film spielt Washington einen Filmemacher, der mit seiner Freundin (Zendaya) von der erfolgreichen Premiere seines neuen gefeierten Films nach Hause zurückkehrt und davon ausgeht, dass sein Film ein großer kommerzieller und Kritikerhit werden wird. Der Abend entwickelt sich aber anders als erwartet, als Enthüllungen über ihre Beziehung ans Licht kommen und ihre Liebe auf eine harte Probe stellen.
Das klingt alles nach einem potenziell guten Film, jedoch nicht gerade nach etwas für breite Zuschauermassen. Netflix sah jedoch großes Potenzial darin, basierend alleine auf einem 20-minütigen Zusammenschnitt von Szenen, der beim Toronto International Film Festival gezeigt wurde. Tatsächlich waren nach dieser Vorschau zahlreiche Studios, Streamer und Fernsehsender heiß auf den Film, darunter HBO, Amazon, Searchlight Pictures, MGM, Apple, A24 und Focus Features, doch Netflix bekam für schlappe 30 Millionen US-Dollar den Zuschlag und wird den Film weltweit exklusiv veröffentlichen. Ob er es noch rechtzeitig für die nächsten Oscars schafft, ist nicht bekannt, ich gehe aber davon aus.
Es stellt sich die Frage, weshalb Netflix für ein Schwarzweiß-Kammerspiel eine so stattliche Summe hinlegt, ohne sogar den kompletten Film gesehen zu haben. Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens ist jeder halbwegs interessante Content aktuell heiß begehrt, einfach weil er in der Corona-Zeit Mangelware ist. Zweitens sind Washington und Zendaya zwei sehr gefragte Schauspieler, die dabei sind, groß herauszukommen. Drittens wird der Film mit Marriage Story verglichen, der Netflix dieses Jahr sechs Oscarnominierungen eingebracht hat. Und viertens führt alleine schon dieser Kauf zur massiven Berichterstattung und macht neugierig auf den Film.