Joaquin Phoenix in Napoleon © 2023 Apple Studios/Sony Pictures
Quellen: Total Film, Sky News
Hightech-Riese Apple positioniert sich allmählich als erste Anlaufstelle von Regielegenden, die ihre benötigten gigantischen Budgets für die kompromisslose Umsetzung ihrer ambitionierten Visionen woanders nicht bekommen, aber dennoch auf eine reguläre Kinoauswertung bestehen. Sowohl Martin Scorsese als auch Ridley Scott hatten dank Apple jeweils rund 200 Millionen US-Dollar, um ihre neusten Epen Killers of the Flower Moon und Napoleon umzusetzen, Filme, die so im traditionellen Studiosystem nie verwirklicht werden könnten, da ihre kommerziellen Aussichten die astronomischen Budgets einfach nicht rechtfertigen. Zum Glück ist Kassenerfolg für Apple nur nebensächlich und Prestige noch wichtiger. Nachdem Apple TV+ letztes Jahr mit CODA zum ersten Streamer überhaupt wurde, der den "Bester Film"-Hauptpreis bei den Oscars gewonnen hat, hat Apple mit Killers of the Flower Moon wieder einen starken Kandidaten im Rennen.
Ridley Scotts Napoleon wird bei den Oscars hingegen keine große Rolle spielen, außer vielleicht in einigen technischen Kategorien. Die Reaktionen auf die Filmbiografie des französischen Kaisers und Feldherrn mit Oscarpreisträger Joaquin Phoenix in der Rolle sind gemischt und bestenfalls leicht positiv. Bei den Kinogängern kommt der Film besser an. Dieses Wochenende eroberte er in vielen Ländern die Spitze der Kinocharts, denn schließlich dreht niemand mehr heutzutage klassische historische Schlachtengemälde so opulent wie Scott. Zumindest sieht man beim bildgewaltigen Film, wo die 200 Millionen hingeflossen sind.
Während Killers of the Flower Moon mit einer Laufzeit von 206 Minuten das Sitzfleisch ganz schön beansprucht, ist Napoleon dagegen fast schon knackige 158 Minuten lang. Allerdings hatte auch Scott ursprünglich eine erheblich längere Fassung des Films, die zu einem späteren Zeitpunkt erscheinen soll. Im August sprach er sogar von einer viereinhalbstündigen Schnittfassung, kürzlich korrigierte er die Laufzeit der Langfassung als vier Stunden und zehn Minuten. Scott erzählte: (aus dem Englischen)
Ich arbeite daran. Heute Morgen waren es vier Stunden und zehn Minuten. Wir zeigen Sony erst die Kinofassung, die dann auch laufen wird, und das Tolle ist, dass die Langfassung im Stream zu sehen sein wird, die ganzen vier Stunden und zehn Minuten.
Laut Scott profitiert besonders Vanessa Kirbys Charakter Joséphine von der verlängerten Fassung. Diese soll u. a. ihr Leben vor Napoleon zeigen.
Im Laufe seiner Karriere hat Scott schon häufig erweiterte Fassungen seiner Filme später veröffentlicht. Manche von ihnen, wie der Director’s Cut oder der Final Cut von Blade Runner und natürlich der Director’s Cut von Königreich der Himmel gelten als mit Abstand die besten Versionen ihrer Filme, während man andere wie bei Black Hawk Down oder Der Marsianer auch getrost vernachlässigen kann.
In einem Interview mit Sky News beteuerte Scott jedoch, dass er nicht die vierstündige Napoleon-Fassung als seinen Director’s Cut bezeichnen würde, sondern die Kinofassung: (aus dem Englischen)
Ich denke, dass die zweieinhalbstündige Version der Director’s Cut ist, das ist die Wahrheit. Ich habe früh gelernt, bei allen Filmen die ich je gedreht habe, aber auch schon vorher als Werbefilmer. Kommuniziere ich, was ich kommunizieren will und wie knapp kann ich etwas kommunizieren und dennoch alles sagen, was ich sagen will.
Ein häufiger Kritikpunkt an Scotts Napoleon ist, dass der Film lediglich an der Oberfläche des Charakters kratzt und wie eine Checkliste seiner größten Triumphe (und Niederlagen) wirkt. Vielleicht können zusätzliche eineinhalb Stunden dieses Problem beheben. Wann die Langfassung von Napoleon erscheinen wird, steht noch nicht fest und Scott wollte sich dazu bislang nicht äußern, es wird jedoch angenommen, dass sie exklusiv bei Apple TV+ im Stream zu sehen sein wird.