Links: Troy Kotsur in CODA © 2021 Apple Inc.
Mitte: Zendaya in Dune © 2021 Warner Bros. Pictures
Rechts: Will Smith in King Richard © 2021 Warner Bros. Pictures
Quelle: Academy of Motion Picture Arts and Sciences
In der Nacht von Sonntag auf Montag wurden in Los Angeles zum 94. Mal die Oscars verliehen – zum Glück wieder im Dolby Theatre und nicht im Bahnhofsgebäude von Los Angeles wie letztes Jahr. Nach dem massiven Quoteneinbruch im vergangenen Jahr war die Academy sehr darum bemüht, sich wieder mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen und Relevanz zurückzugewinnen. Die dafür unternommenen Schritte, wie die Verleihung von Oscars in acht offenbar "minderwertigeren" Kategorien eine Stunde vor der offiziellen Zeremonie oder die Einführung eines sogenannten Fan-Oscars, über den man über Twitter abstimmen konnte, wirkten fragwürdig bis verzweifelt.
Auf Papier könnte man sagen, dass die Academy Erfolg hatte. Die Verleihung erreichte rund 50% mehr Zuschauer als im Vorjahr. Ob es nun daran lag, dass Oscars für beste Filmmusik oder besten Schnitt nicht live verliehen wurden oder daran, dass Zack-Snyder-Jünger Army of the Dead zum Sieg des Fan-Oscars gepusht haben, sei dahingestellt. Die Academy wollte eine medienwirksame Verleihung und die hat sie auch bekommen, doch vermutlich nicht auf die Weise wie beabsichtigt. Denn obwohl einige Sieger der Oscarnacht Geschichte geschrieben haben, redeten die meisten im Anschluss nur über eine Sache: Will Smiths Ohrfeige, die er Chris Rock verpasst hat, nachdem dieser auf der Bühne einen geschmacklosen Witz auf Kosten von Smiths Ehefrau Jada Pinkett Smith gemacht hatte. Falls Ihr die Szene, die innerhalb weniger Minuten um die Welt ging, tatsächlich nicht gesehen habt, voilà:
Noch schräger wurde die Sache natürlich dadurch, dass Smith nur wenige Minuten später selbst auf der Bühne stand, um den Oscar für seine Performance in King Richard entgegenzunehmen. Er entschuldigte sich in seiner Rede bei der Academy und den Anwesenden, nicht jedoch bei Rock. Das folgte erst später über Instagram. Rock hat keine Anzeige erstattet und die Academy hat eine interne Ermittlung wegen Smiths Verhalten eröffnet.
Leider hat die ganze Aktion das Ereignis so überschattet, dass über die zum Teil historischen Sieger kaum noch geredet wird. Große Überraschungen gab es bei den Oscars diesmal nicht. Wer als Favorit in die Nacht ging, hat auch gewonnen. Es gab natürlich einige Kategorien, in denen das Rennen noch sehr offen war.
CODA, der als Underdog ins Oscar-Rennen ging und erst in den letzten Wochen plötzlich zum Favoriten aufgestiegen ist, wurde zum ersten Film eines Streaming-Diensts, der den Hauptpreis bei den Oscar gewonnen hat. Wer hätte gedacht, dass diese Ehre ausgerechnet Apple und nicht Netflix zuteilwerden würde? Die beiden Netflix-Filme im Rennen, The Power of the Dog und Don’t Look Up, gingen nahezu gänzlich leer aus. Lediglich The Power of the Dog gewann den Regie-Oscar für Jane Campion. Sie ist die dritte Frau in der Academy-Geschichte, die als Regisseurin ausgezeichnet wurde und es ist das erste Mal seit der Auszeichnung von Mike Nichols für Die Reifeprüfung vor über 50 Jahren, dass ein Film nur den Regie-Oscar und sonst nichts gewonnen hat. The Power of the Dog hat elf seiner zwölf Nominierungen verloren und ist damit gleichauf mit Die Farbe Lila und Am Wendepunkt als größter Oscarverlierer. Beide waren jeweils für elf Oscars nominiert und gewannen keinen.
CODA hat hingegen in allen drei Kategorien gewonnen, in denen der Film nominiert war. Er wurde zum ersten Film seit über 80 Jahre, der bei nur drei Nominierungen den "Bester Film"-Preis holen konnte und zum ersten Film in der gesamten Academy-Geschichte seit es den Schnitt-Oscar gibt, der ohne Nominierungen für den Schnitt und die Regie den Hauptpreis gewonnen hat. Außerdem ist es der erste Film mit einem überwiegend gehörlosen Cast, der als "Bester Film" prämiert wurde. Troy Kotsur wurde zum ersten gehörlosen männlichen Darsteller, der einen Oscar gewinnen hat. Nach Nomadland hat die Academy zum zweiten Nal in Folge einen von einer Frau (Siân Heder) inszenierten Film in der Königsklasse zum Sieger gekürt. Nach Ben-Hur und Depated – Unter Feinden ist CODA das dritte oscarprämierte Remake in der Academy-Geschichte.
Rein quantitativ war Dune der große Abräumer der Oscarnacht mit sechs Auszeichnungen (er war zehnmal nominiert), allesamt in technischen Kategorien, von denen viele nicht einmal live verliehen wurden. Damit reiht er sich neben Filmen wie Gravity und Mad Max: Fury Road ein, die ebenfalls die technischen Kategorien dominierten. Vielleicht schneidet der zweite Teil ja noch besser ab.
Neben CODA und Dune hat The Eyes of Tammy Faye als einziger weiterer Film mehr als einen Oscar gewonnen. Kurios ist, dass keiner dieser drei Filme für seine Regie nominiert war. Von den fünf Filmen, die um die beste Regie im Rennen waren, gewannen vier (The Power of the Dog, Belfast, Drive My Car, West Side Story) jeweils einen Oscar und einer (Licorice Pizza) gar keinen.
Billie Eilishs "No Time to Die" machte sie zur zweitjüngsten Oscargewinnerin der "Bestes Filmlied"-Kategorie nach Markéta Irglová für "Falling Slowly" aus Once. Sie ist außerdem die jüngste Person, die einen Oscar, einen Golden Globe und einen Grammy gewonnen hat.
Unten findet Ihr alle Gewinner auf einen Blick (Nominierungen hier nachzulesen)