© Academy of Motion Picture Arts and Sciences
Quelle: Academy of Motion Picture Arts and Sciences
Als der Corona-Lockdown Anfang April noch seinen Höhepunkt hatte und es nicht absehbar war, wann es wieder so etwas wie ein normales Leben geben wird, witzelte ich, dass wenn es so weitergeht, die Nominierungen für den "Bester Film"-Oscar nächstes Jahr Bad Boys for Life, Birds of Prey und Der Unsichtbare lauten würden, weil die Auswahl der Academy auf die ersten zweieinhalb Monate des Jahres begrenzt sein würde.
Doch Spaß beiseite: Der Chaos, den Corona dieses Jahr anrichtete, hat natürlich unweigerlich Auswirkungen auf die prestigeträchtigsten Filmpreise der Welt. Traditionell starten die meisten Oscaranwärter im Herbst und im Winter, nachdem sie zuvor bei Festivals wie Cannes, Venedig und Toronto gespielt wurden. Doch der Ausfall von Cannes, die Verschiebung vieler Sommerfilme in den Herbst, und die Verzögerung bei der Fertigstellung der potenziellen Oscarkandidaten bringen die Pläne durcheinander. Als Folge hat die Academy of Motion Pictures Arts and Sciences (AMPAS), deren mehr als 9000 Mitglieder für die Oscars abstimmen, eine Verschiebung der Oscarverleihung und eine Verlängerung der Qualifikationszeitraums um jeweils zwei Monate angekündigt. Die 93. Academy Awards werden nun am 25. April 2021 in Los Angeles verliehen, später im Jahr als je zuvor. Die Nominierungen für die 93. Oscars werden am 15. März bekanntgegeben werden.
Es ist erst das vierte Mal in der 92-jährigen Geschichte der Oscars, dass die Verleihung verschoben wird. Zuvor gab es kürzere Verschiebungen 1938 (aufgrund eines schlimmen Hochwassers in Los Angeles), 1968 (wegen der Beisetzung des ermordeten Bürgerrechtlers Dr. Martin Luther King Jr.), und 1981 (nach dem Attentat auf Ronald Reagan).
Als Reaktion auf die Verschiebung der Oscars hat das britische AMPAS-Pendant die nächste BAFTA-Verleihung, die als starker Prädiktor der Academy Awards gilt, bis zum 11.04.2021 verschoben.
Der Zeitraum, in dem die Filme, die für die Oscars eingereicht werden können, sich qualifizieren können, wurde bis zum 28. Februar verlängert, dem ursprünglich geplanten Termin der Oscarverleihung. In einem regulären Jahr kommen alle Filme in Frage, die zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember eines Kalenderjahres in den USA gelaufen sind. Die übliche Häufung von Oscar-Hoffnungsträgern im Dezember könnte sich also bis Februar nächsten Jahres verschieben.
Zuvor hat die Academy auch die rigiden Regeln gelockert, nach denen sich Filme für die Oscars qualifizieren können. Eine zentrale Voraussetzung, die die Filme bislang erfüllen mussten, um überhaupt für die Oscars in Frage zu kommen, war, dass sie sieben Tage lang in mindestens einem Kino in Los Angeles County gezeigt werden mussten. Für die kommenden Oscars wurde diese Regel außer Kraft gesetzt. Filme, die wegen Corona direkt über Video-On-Demand veröffentlicht wurden, können sich qualifizieren, vorausgesetzt, es war bei ihnen ursprünglich ein Kinostart geplant und sie werden innerhalb von 60 Tagen nach dem Streaming- oder Video-On-Demand-Release auf der exklusiven Academy-Streaming-Plattform für die Wähler zur Ansicht bereitgestellt werden. Um sich über eine Kinoveröffentlichung zu qualifizieren, reicht es, wenn der Film zwischen dem 1. Januar 2020 und dem 28. Februar 2021 sieben Tage lang in einem Kino in Los Angeles, New York, San Francisco, Chicago, Miami oder Atlanta gelaufen ist. So wird auf unterschiedliche Kinoöffnungen in den USA reagiert. Die Academy hat aber betont, dass die Lockerungen für die Video-On-Demand- und Streaming-Filme lediglich dieses Jahr wegen der besonderen Umstände gelten.
Die kommenden Oscars werden zudem die letzten sein, für die den Mitgliedern noch tatsächliche DVD-Screener von Filmen verschickt werden. Künftig werden alle Filme nur über die Streaming-Plattform der Academy bereitgestellt werden.
Eine massive Veränderung betrifft die Anzahl der Filme, die ab 2022 (94. Oscars) in der "Bester Film"-Kategorie nominiert werden können. Diese wurde wieder auf zehn festgelegt. Die Academy wechselte bereits 2009 von fünf zu zehn Nominees nach dem Aufschrei wegen der Auslassung von WALL-E und The Dark Knight bei den vorigen Oscars. Zwei Jahre später wurde die Regel dahingehend revidiert, dass die Anzahl der oscarnominierten Filme in der Königsklasse zwischen fünf und zehn schwanken durfte. Die Voraussetzung war, dass jeder der nominierten Filme bei mindestens 5% der Wähler auf Platz 1 ihrer "Bester Film"-Favoriten gelandet ist. Erst bei der Bekanntgabe der Nominierungen erfuhr man, wie viele Filme nominiert wurden. Faktisch waren es seitdem in jedem Jahr acht oder neun Nominees. Kommendes Jahr wird dieses Verfahren zum letzten Mal Anwendung finden; ab 2022 wird es wieder zehn Nominees geben. Die Erweiterung der Anzahl der nominierten Filme ist Teil der neuen Initiative der Academy, genannt Academy Aperture 2025, zur größeren Repräsentation, Inklusion und Vielfalt, die die Oscars künftig widerspiegeln sollen.
Bereits ab den kommenden 93. Oscars werden zwei Kategorien zu einer kombiniert. Aus "Best Sound Editing" ("Bester Tonschnitt") und "Best Sound Mixing" ("Bester Ton") wird lediglich eine beide Disziplinen umfassende Ton-Kategorie, auf expliziten Wunsch der Tontechniker-Branche selbst. Die Unterscheidung zwischen den beiden Aspekten des Filmtons ist seit dem Aufkommen des digitalen Filmemachens immer geringer geworden. Und ganz ehrlich, wie viele Leute, die keine Filmton-Experten sind, können den Unterschied zwischen den beiden Kategorien benennen bzw. heraushören? Nicht ohne Grund gewinnt meist (wenn auch nicht immer) ein Film in beiden Kategorien.
Ferner, um in der Kategorie "Beste Filmmusik" wählbar zu sein, muss der Score eines Originalfilms mindestens zu 60% ganz neu bzw. explizit für den Film geschrieben worden sein. Bei Franchise-Filmen muss der Anteil sogar 80% betragen.
In der Kategorie "Bester internationaler Film" (früher: "Bester fremdsprachiger Film") werden bei den kommenden Oscars erstmals alle Academy-Mitglieder dazu eingeladen, in der Vorrunde schon abzustimmen. Alle eingereichten Filme werden über den Academy Screening Room als Streams bereitgestellt werden. Um abstimmen zu dürfen, müssen die Wähler jedoch eine Mindestanzahl an eingereichten Filmen gesehen haben. Wie viele von inzwischen jährlich rund 90 eingereichten Filmen sie dafür sehen müssen, ist nicht bekanntgegeben worden.
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