Lee Sun-kyun und Cho Yeo-jeong in Parasite © 2019 NEON
Bong Joon-hos Cannes-Sieger Parasite, Martin Scorseses dreieinhalbstündiges Netflix-Epos The Irishman und Quentin Tarantinos geschichtsrevisionistischer Once Upon a Time in Hollywood haben sich im diesjährigen Oscar-Rennen eindeutig als Kritikerlieblinge herauskristallisiert, mit Noah Baumbachs Scheidungsdrama Marriage Story dicht hinter dem Trio. Die Nase knapp vorne hat Parasite, ein Film, bei dem es im Gegensatz zu den anderen drei kaum polarisierte Meinungen gibt. Wer ihn gesehen hat, ist in aller Regel auf Anhieb begeistert. So wie Cats aktuell die Kritiker und die Zuschauer in ihrer Ablehnung vereint, so gelingt dies Parasite in ihrer Zuneigung.
Leider bedeutet ein Liebling der Kritikerpreise zu sein, nicht zwingend, dass man auch bei den Oscars den Hauptpreis gewinnt. Filme wie The Social Network, Boyhood oder Roma können ein Lied davon singen. In ihren jeweiligen Jahren haben die drei nahezu alle denkbaren Auszeichnungen der US-amerikanischen Filmkritikerverbände abgeräumt. Als es jedoch um die Industriepreise ging, zeigten The King’s Speech, Birdman und Green Book jeweils eindeutig ihre Stärke.
Dennoch kann es natürlich nicht schaden, wenn ein Film bereits im Vorfeld bei den Kritikerpreisen abräumt und so seine Sichtbarkeit im Oscar-Rennen erhöht. Dass es zwei Jahre in Folge bei einem nicht-englischsprachigen Film der Fall ist, ist außerordentlich selten. Doch gerade Parasite hat es verdient wie kein anderer. Nicht häufig kommt es vor, dass mein persönlicher Lieblingsfilm des Jahres auch allgemein vergleichbar gut wegkommt. Umso mehr freut es mich also für Parasite.
Zwei weitere prestigeträchtige Auszeichnungen, die die schwarzhumorige Tragikomödie aus Südkorea einheimsen konnte, waren die Preise der Filmkritikerverbände von Los Angeles und Washington, D.C. Bei beiden gab es jeweils drei Nennungen, wobei er bei beiden sowohl als Film als auch für Bong Joon-hos Regie prämiert wurde.
Die Los Angeles Film Critics Association (LAFCA) gehört neben dem New York Film Critics Circle (NYFCC) und der Chicago Film Critics Association (CFCA) zu den wichtigsten und angesehensten Filmkritikerverbänden der USA. Die LAFCA setzt sich aus über 60 im Großraum Los Angeles tätigen Filmkritikern zusammen und zeichnet seit 1975 die besten Leistungen der Filmschaffenden des jeweiligen Jahres aus. Im Gegensatz zu ihrem Ostküstenpendant prämiert LAFCA häufiger Filme und Leistungen noch weiter abseits des Mainstreams. The Irishman räumte den Hauptpreis in New York ab und stand auch in Los Angeles hoch im Kurs, musste sich aber dreimal mit dem zweiten Platz begnügen. Sehr erfreulich ist die Nennung von Lupita Nyong’o als zweitplatzierte in der Darstellerin-Kategorie, nachdem sie in New York bereits gewonnen hat. Alle Gewinner und Zweitplatzierte könnt Ihr unten sehen:
Bester Film
Parasite
2. Platz – The Irishman
Beste Regie
Bong Joon-ho (Parasite)
2. Platz – Martin Scorsese (The Irishman)
Bester Hauptdarsteller
Antonio Banderas (Leid und Herrlichkeit)
2. Platz – Adam Driver (Marriage Story)
Beste Hauptdarstellerin
Mary Kay Place (Diane)
2. Platz – Lupita Nyong’o (Wir)
Bester Nebendarsteller
Song Kang-ho (Parasite)
2. Platz – Joe Pesci (The Irishman)
Beste Nebendarstellerin
Jennifer Lopez (Hustlers)
2. Platz – Shuzhen Zhao (The Farewell)
Bestes Drehbuch
Noah Baumbach (Marriage Story)
2. Platz – Bong Joon-ho und Jin Won-han (Parasite)
Beste Kamera
Claire Mathon (Porträt einer jungen Frau in Flammen und Atlantique)
2. Platz – Roger Deakins (1917)
Bestes Szenenbild
Once Upon a Time in Hollywood
2. Platz – Parasite
Bester Schnitt
Apollo 11
2. Platz – Der schwarze Diamant
Beste Filmmusik
Dan Levy (Ich habe meinen Körper verloren)
2. Platz – Thomas Newman (1917)
Bester fremdsprachiger Film
Leid und Herrlichkeit
2. Platz – Porträt einer jungen Frau in Flammen
Bester Dokumentarfilm
American Factory
2. Platz – Apollo 11
Bester Animationsfilm
Ich habe meinen Körper verloren
2. Platz – A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando
Bester Nachwuchs
Joe Talbot, Jimmy Fails und Jonathan Majors (The Last Black Man in San Francisco)
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Die Washington, D.C. Area Film Critics Association (WAFCA) gibt neben den Siegern zuvor auch die Nominierungen in zahlreichen, zum Teil recht kreativen Kategorien bekannt. So zeichnet der Verband u. a. gesondert Stimm- und Motion-Capture-Performances aus, was in heutiger Zeit nur angemessen ist. Once Upon a Time in Hollywood erhielt gleich zehn Nominierungen und wurde zweimal ausgezeichnet. The Irishman ging trotz neun Nominierungen komplett leer aus. Dafür verwandelte Parasite drei seiner sieben Nominierungen in gewonnene Auszeichnungen. Jordan Peeles Horrorstreifen Wir wurde sowohl für seine brillante Musik als auch für die Performance der Hauptdarstellerin Lupita Nyong’o ausgezeichnet. Das ist ein sehr gutes Zeichen für sie, denn seit den allerersten Preisen des Verbands 2002 hat keine einzige Gewinnerin in der Kategorie eine Oscarnominierung später verpasst. Interessant ist übrigens auch, dass Jennifer Lopez für die Stripperinnen-Tragikomödie Hustlers sowohl in Los Angeles als auch in Washington mit dem Nebendarstellerin-Preis ausgezeichnet worden ist.
Unten findet Ihr alle Nominierungen und Sieger (in grün) der WAFCA auf einen Blick: