Foto: Mitglieder der Schauspielergewerkschaft demonstrieren Anfang Juni als Zeichen der Solidarität zusammen mit den Drehbuchautoren in der Nähe von Paramount Studios © 2023 TaurusEmerald
Quelle: Variety
Die Räder stehen still in Hollywood: Das Worst-Case-Szenario ist eingetreten und nachdem die Verhandlungen der US-Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA mit Alliance of Motion Picture and Television Producers (AMPTP) trotz verlängerter Deadline gescheitert sind, rief die SAG-AFTRA unter der Präsidentschaft von Fran Drescher ("Die Nanny") gestern zum Streik auf.
Was bedeutet das faktisch? Alle Schauspielerinnen und Schauspieler, die Mitglieder der Gewerkschaft ist, müssen mit sofortiger Wirkung ihre Arbeit niederlegen. Nicht nur dürfen sie keine Filme oder Serien mehr drehen, auch an jeglichen Werbemaßnahmen wie Premierenfeiern, Interviews anlässlich ihrer Projekte, Presse-Junkets, Fernsehauftritten oder Preisverleihungen dürfen sie nicht teilnehmen. Auch über soziale Medien dürfen die Schauspieler ihre Filme und Serien für die Dauer des Streiks nicht bewerben. Das versetzt Hollywood einen schweren Schlag, denn Studios sind auf ihre Stars angewiesen, um ihre Filme und Serien zu vermarkten. Lediglich für dem Dreh einiger kleiner Independent-Produktionen, an denen SAG-AFTRA-Mitglieder beteiligt sind, können unter Umständen Ausnahmegenehmigungen ausgestellt werden.
Es ist das erste Mal seit 1980, dass Schauspieler in Hollywood streiken und das erste Mal seit 1960, dass die Drehbuchautoren und die Schauspieler zeitgleich streiken, was die Film- und Serienindustrie mehr oder weniger komplett lahmlegt. Die Autorengewerkschaft WGA streikt bereits seit Mai und eine Einigung ist noch lange nicht in Sicht.
Auf die unmittelbar bevorstehenden Filme und Serien werden die Streiks vermutlich keine nennenswerten Auswirkungen haben, doch die Konsequenzen für die Filme, die im Herbst, Winter und in den nächsten Jahren starten sollen, werden massiv sein. Man kann sich auf Startverschiebungen, aber auch komplett abgesagte Projekte einstellen. Serien werden später mit ihren neuen Staffeln zurückkehren und Serienstaffeln werden vermutlich auch verkürzt werden.
Zu den Filmen, deren Produktion wegen des Streiks mit sofortiger Wirkung eingestellt wurde, gehören Deadpool 3, Gladiator 2 und Mortal Kombat 2. Die zweite Staffel von Amazons "Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht" konnte einige Wochen vor Streikbeginn noch abgedreht werden, während die Dreharbeiten zu zweiten "House of the Dragon"– und zur dritten "Industry"-Staffel ungehindert weitergehen werden, weil ihre Darsteller größtenteils unter den Equity-Verträgen der britischen Schauspielergewerkschaft stehen und damit nicht der SAG-AFTRA untergeordnet sind. Roland Emmerichs Gladiatorenserie "Those About to Die" drehte hastig alle Szenen mit SAG-Mitglied Anthony Hopkins in den letzten Wochen ab und kann jetzt mit dem restlichen europäischen Cast weitergedreht werden.
Was fordern die Schauspieler eigentlich? Ein großer Streitpunkt ist der Einsatz künstlicher Intelligenz und computergenerierter Darsteller als Ersatz für echte Schauspieler am Set. Das möchte die SAG unterbinden. Außerdem verlangt die Schauspielergewerkschaft größere Tantiemen und mehr Transparenz bei der Auswertung der Filme und Serien im Stream.
Zudem fordert SAG-AFTRA höhere Löhne und bessere Vorsorge- und Sozialleistungen sowie eine Regulation der Casting-Prozesse. Seit Covid werden von Schauspielern immer häufig statt Live-Vorsprechen selbstgemachte Bewerbungsvideos verlangt, für die sie zum Teil viel Geld zahlen müssen. Die Gewerkschaft verlangt, dass die Produktionen dafür aufkommen.
Die Fronten beider Seiten haben sich verhärtet und die Auswirkungen eines lange andauernden Doppel-Streiks können verheerend sein. Für beide Parteien geht es um die Zukunft der gesamten Industrie und Arbeitspraxis. Erste Reaktionen auf die Streikankündigung gab es bereits von beiden Seiten. George Clooney bezeichnete den Schauspielerstreik als großen Wendepunkt in Hollywood, während Disney-CEO Bob Iger die Forderungen der Autoren und Schauspieler im Angesicht steigender Herausforderungen der Industrie und einer angespannten finanziellen Lage als unrealistisch bezeichnet hat.