Disneys Schneewittchen ist ein massiver Kassenflop

Disneys Achterbahnfahrt an den Kinokassen geht weiter: Nach einem katastrophalen Jahr 2023, als das Studio ausgerechnet zu seinem 100. Jubiläum vier der fünf größten Kassenflops des Jahres verbuchte, konnte es sich mit einem phänomenalen Jahr 2024 wieder rehabilitieren. Mit Alles steht Kopf 2, Deadpool & Wolverine und Vaiana 2 hatte Disney nicht nur die drei erfolgreichsten Filme, sondern auch die einzigen drei Milliardenhits des letzten Jahres. Allein das Trio hat zusammengerechnet mehr als vier Milliarden US-Dollar in die weltweiten Kinokassen gespült. Alles steht Kopf 2 löste das Remake von Der König der Löwen als umsatzstärksten Animationsfilm aller Zeiten ab; Deadpool & Wolverine wurde mühelos zum erfolgreichsten R-Rated-Film überhaupt. Mufasa: Der König der Löwen, Planet der Affen – New Kingdom und Alien: Romulus waren weitere Hits des Studios, das kaum eine große kommerzielle Enttäuschung im letzten Jahr hatte.

Doch die feierliche Stimmung bei Disney hielt nicht lange an. Dieses Jahr sieht es wieder ganz anders aus. Captain America: Brave New World hat zwar die niedrigsten Erwartungen gerade so erfüllt, von einem großen Erfolg kann angesichts des $180-Mio-Budgets (ohne Marketingkosten) und eines Einspiels von knapp über $400 Mio auch nicht die Rede sein. Im Vergleich zu Disneys neustem Film sieht der Marvel-Film jedoch geradezu wie ein Mega-Blockbuster aus. Die Realverfilmung von Schneewittchen, der 1937 als erster US-amerikanischer abendfüllender Animationsfilm Filmgeschichte schrieb, ist jetzt schon auf bestem Wege, einer der größten Kassenflops des Jahres zu werden. In Deutschland belegte der Film vergangenes Wochenende nach einem Rückgang von nur 22% gegenüber seinem Startwochenende zum zweiten Mal in Folge die Spitze der Kinocharts. Doch lasst Euch davon nicht täuschen: Die Einspielergebnisse des Films sind miserabel und die Kosten waren astronomisch hoch.

In den USA brach der Film an seinem zweiten Wochenende um katastrophale 66% ein und verlor den Kampf um die Chartspitze gegen Jason Stathams R-Rated-Actioner A Working Man. Nach zwei Wochen hat der Film weltweit gerade einmal $143 Millionen eingenommen. Mit dem Minecraft-Film als Familien-Konkurrenz am Horizont, wird er sogar im besten Szenario nicht mehr als $225-250 Mio einspielen. Von Filmen wie Cruella und Mulan abgesehen, die während der Pandemie erschienen sind, wird Schneewittchen die umsatzschwächste moderne Realverfilmung eines Zeichentrickfilms von Disney sein. Sogar Tim Burtons Dumbo nahm $353 Millionen ein und galt seinerzeit als eine Riesen-Enttäuschung.

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Es wird teuer für Disney. Weil die Produktion wegen der Hollywood-Streiks vorletztes Jahr angehalten werden musste und ein Set in Großbritannien niedergebrannt ist, sind die Produktionskosten des Films auf horrende $270 Millionen angestiegen. Hinzu kommen noch $111 Millionen an Marketingausgaben und $29 Millionen an Tantiemen, die Disney zahlen muss – insgesamt also rund $410 Millionen. Sogar einschließlich der weltweiten Heimkino-Auswertung, der TV-Lizenzen und Streamingrechte und der Merchandise-Einnahmen wird der voraussichtliche Verlust des Films von den Finanzexperten des Branchenblatts Deadline auf etwa $121 Millionen geschätzt. Das ist vergleichbar mit Disneys Geistervilla, der $117 Mio im Minus war, aber immerhin etwas besser als Wish und Indiana Jones und das Rad des Schicksals, die jeweils $131 Mio bzw. $143 Mio Miese gemacht haben.

Was ist schiefgegangen? Auch wenn einige Internet-Trolle, die mit Review-Bombing den Film kurzzeitig an die Spitze der am schlechtesten bewerteten Filme bei IMDb katapultierten, am liebsten die gesamte Schuld auf die vermeintliche Fehlbesetzung der Hauptfigur durch Rachel Zegler schieben würden, ist der Sachverhalt viel komplizierter. Trotz der Kontroverse um die Besetzung der Meerjungfrau Arielle spielte ihr Realfilm vorletztes Jahr weltweit fast $600 Mio ein – mehr als das Doppelte von Schneewittchen. Ja, manche engstirnigen Kinogänger:innen haben den Film sicherlich deswegen boykottiert, doch es ist nicht nur Zeglers Aussehen, das vielen sauer aufgestoßen ist, sondern auch ihre pro-Palästina-Position im aktuellen Gazastreifen-Konflikt sowie ihre etwas abfälligen Bemerkungen über den Originalfilm. Ihre Bemühungen, ihre Besetzung als Latina in der Rolle zu rechtfertigen oder ihre Kommentare über den Zeichentrickfilm zu relativieren, gingen nach hinten los. Gleichzeitig haben sich auch einige Zuschauer wegen der israelischen Schauspielerin Gal Gadot geweigert, den Film zu sehen.

Dann gab es natürlich die Zwerge-/magische-Kreaturen-Kontroverse. Disney hat versucht, alle Seiten zu beschwichtigen, und tat sich damit keinen Gefallen. Ein Film kann eine Kontroverse vielleicht verkraften, doch bei Disney braute sich der perfekte Sturm aus Kontroversen zusammen, die jegliche objektive Bewertung des Films vergraben haben.

Doch auch das erklärt nicht vollumfassend den Flop des Films. Nicht nur sind viele Kinogänger:innen der Flut an diesen Realverfilmungen überdrüssig, die Realadaptionen älterer Disney-Zeichentrickfilme haben im Schnitt auch schlechter abgeschnitten als die Neuadaptionen von Filmen aus Disneys Renaissance. Deswegen sind Der König der Löwen, Aladdin und Die Schöne und das Biest die kommerziell erfolgreichsten Filme dieser Trendwelle, während Schneewittchen, Dumbo und Cinderella weit unten auf der Liste zu finden sind.

Letztlich sind die aufgebauschten Kontroversen um Schneewittchen aus meiner Sicht ziemlicher Quatsch von Leuten, die einen 88 Jahre alten Zeichentrickfilm auf ein Podest stellen. Doch ist Schneewittchen ein guter Film? Nein. Wie die meisten Realverfilmungen von Disney fehlt ihm die Magie der Vorlage, die in einer CGI-Flut ertränkt wird. Daran sind weder Zegler noch Gadot oder die Zwerge schuld. Dann lieber doch einen der beiden Schneewittchen-Filme von 2012 wieder anschauen, die trotz all ihrer Makel unterhaltsamer sind.

Quelle: Deadline

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