Links: Three Billboards Outside Ebbing, Missouri © 2017 Fox Searchlight
Rechts: "GLOW" © 2017 Netflix
Quelle: Screen Actors Guild
Zahlreiche Kritikerpreise (zu denen auch die Golden Globes gehören) geben jedes Jahr ganz gut die Stimmungslage im Oscar-Rennen wider, doch wenn’s ans Eingemachte geht, zählen die Auszeichnungen der Kritikerverbände letztlich nichts, denn es besteht keine nennenswerte Überschneidung mit Academy-Mitgliedern, deren Stimmen letztlich ausschlaggebend für die Oscars sind.
Anders sieht es allerdings bei Industriepreisen aus, die von diversen, branchenspezifischen Verbänden und Gewerkschaften verliehen werden. Da sich die Academy aus Vertretern der Filmindustrie, also Schauspielern, Regisseuren, Produzenten, Autoren, Kameraleuten usw., zusammensetzt, sind die Auszeichnungen, die im Vorfeld direkt von der Filmindustrie verliehen werden, deutlich bessere Prädiktoren des späteren Ausgangs bei den Oscars.
Die Großen Vier sind in diesem Zusammenhang die Schauspielergewerkschaft Screen Actors Guild (SAG), die Regiegewerkschaft Directors Guild of America (DGA), die Produzentengewerkschaft Producers Guild of America (PGA) und die Drehbuchautorengewerkschaft Writers Guild of America (WGA). Diese zeichnen jedes Jahr jeweils die besten Leistungen im Film und Fernsehen aus und sind unmittelbar relevant im Hinblick auf die späteren Oscarnominierungen und -gewinner.
Die vermutlich wichtigste (im Hinblick auf die Oscars) dieser vier Gewerkschaften ist die Screen Actors Guild. Dies liegt darin begründet, dass Schauspieler die größte Gruppierung unter Academy-Mitgliedern ausmachen. Das bedeutet, dass das, was der SAG gefällt, in der Regel auch innerhalb der Academy großen Anklang findet.
Jedes Jahr verkündet die SAG als erste der vier großen Gilden ihre Nominierungen und die diesjährigen Anwärter enthalten so einige Überraschungen. Unten findet Ihr zunächst einmal die SAG-Nominierungen im Bereich Kino:
Bester Hauptdarsteller
Timothée Chalamet (Call Me by Your Name)
James Franco (The Disaster Artist)
Daniel Kaluuya (Get Out)
Gary Oldman (Die dunkelste Stunde)
Denzel Washington (Roman Israel, Esq. – Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit)
Beste Hauptdarstellerin
Judi Dench (Victoria & Abdul)
Sally Hawkins (Shape of Water – Das Flüstern des Wassers)
Frances McDormand (Three Billboards Outside Ebbing, Missouri)
Margot Robbie (I, Tonya)
Saoirse Ronan (Lady Bird)
Bester Nebendarsteller
Steve Carell (Battle of the Sexes – Gegen jede Regel)
Willem Dafoe (The Florida Project)
Woody Harrelson (Three Billboards Outside Ebbing, Missouri)
Richard Jenkins (Shape of Water – Das Flüstern des Wassers)
Sam Rockwell (Three Billboards Outside Ebbing, Missouri)
Beste Nebendarstellerin
Mary J. Blige (Mudbound)
Hong Chau (Downsizing)
Holly Hunter (The Big Sick)
Allison Janney (I, Tonya)
Laurie Metcalf (Lady Bird)
Bestes Ensemble
The Big Sick
Get Out
Lady Bird
Mudbound
Three Billboards Outside Ebbing, Missouri
Bestes Stunt-Team
Baby Driver
Dunkirk
Logan – The Wolverine
Planet der Affen – Survival
Wonder Woman
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Der klare Gewinner hier ist Three Billboards Outside Ebbing, Missouri. Das bissig-schwarzhumorige Drama vom Regisseur von Brügge sehen…und sterben? gewann bereits den begehrten Publikumspreis beim Toronto International Film Festival im September und gilt seitdem as einer der größten Oscarfavoriten dieses Jahr. Der beste Vergleich zum letzten Jahr ist vermutlich Manchester by the Sea, mit dem Three Billboards sogar einen Darsteller teilt (Lucas Hedges). Three Billboards erhielt, wie schon Manchester by the Sea im Vorjahr, vier SAG-Awards-Nominierungen. Es ist eben ein echter Schauspielerfilm. Andere Filme, die in den letzten Jahren vier SAG-Nominierungen vorweisen konnten, waren u. a. Silver Linings und Lincoln.
Lady Bird kam auf drei Nominierungen. Beide Filme erhielten auch die begehrteste aller Nominierungen – für ihr Ensemble. Diese hat sich über die Jahre als der zuverlässigste Prädiktor des "Bester Film"-Oscars bewährt. Nur ein einziger Film in der gesamten Geschichte der SAG Awards hat bei den Oscars in der "Bester Film"-Kategorie gewonnen, ohne zuvor für sein Ensemble nominiert gewesen zu sein und das war Braveheart vor 22 Jahren. Dieses Jahr glaubten viele, La La Land könnte die zweite Ausnahme werden, doch Moonlight setzte sich bei den Oscars durch. Wenn Ihr Euch also die Nominierungen für das beste Ensemble oben anschaut, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich der nächste große Oscargewinner darunter befindet.
Sehr überraschend ist es deshalb, dass weder Steven Spielbergs Die Verlegerin, der einen sehr namhaften Cast hat, noch Oscarfavorit Call Me By Your Name es unter die Ensemble-Nominierungen geschafft haben. Die Verlegerin erhielt tatsächlich keine einzige Nominierung, was besonders überraschend ist, da die Schauspielergewerkschaft Meryl Streep eigentlich liebt. Sie wurde von der SAG für mehr Auszeichnungen nominiert als irgendein anderer Schauspieler oder Schauspielerin. Es ist jedoch denkbar, dass nicht alle stimmberechtigten Wähler den erst kürzlich fertggestellten Film rechtzeitig sehen konnten.
Verwunderlich ist auch das Fehlen von Daniel Day Lewis für Der seidene Faden als "Bester Hauptdarseller". Für seine Siegeschancen ist es ein schlechtes Zeichen. Seit es die SAG Awards gibt, hat noch nie ein Schauspieler oder eine Schauspielerin in der Hauptrolle den Oscar gewonnen, ohne zuvor zumindest von der Schauspielergewerkschaft nominiert gewesen zu sein. Bei den Nebenrollen gab es bislang zwei Ausnahmen: Christoph Waltz für Django Unchained und Marcia Gay Harden für Pollock. Insgesamt stimmen sowohl die SAG-Nominierungen als auch die Sieger mit den Oscars meist überein.
Schauen wir uns doch die Statistik in den einzelnen Kategorien an: In den letzten zehn Jahren wurden nur 9 der 50 "Bester Hauptdarsteller"-Nominees der SAG später bei den Oscars nicht nominiert. In der Kategorie "Beste Hauptdarstellerin" waren es 1 von 50. Bei "Bester Nebendarsteller" lag die Trefferquote bei 40 von 50 und in "Beste Nebendarstellerin" verpassten lediglich 8 der letzten 50 SAG-Nominees eine entsprechende Oscarnominierung. Zusammengefasst: von den 200 von der Screen Actors Guild nominierten Schauspielerin in den letzten zehn Jahren, erhielten ganze 162 später eine Oscarnominierung. Das entspricht einer Übereinstimmung von etwa 80%. Das bedeutet, dass jedes Jahr im Schnitt 16 der SAG-Nominees später auch eine Oscarnominierung bekommen und die verbleibenden vier ausgetauscht werden. Letztes Jahr waren es sogar 17 von 20. Nur Emily Blunt (Girl on the Train), Hugh Grant (Florence Foster Jenkins) und Amy Adams (Arrival) haben den Sprung von den SAG-Nominierungen zu den Oscars nicht geschafft. Dieses Jahr sind vermutlich Judi Dench, Steve Carell, Daniel Kaluuya und Denzel Washington am meisten bedroht und könnten durch Meryl Streep (Die Verlegerin), Tom Hanks (Die Verlegerin), Michael Stuhlbarg (Call Me By Your Name) und Daniel Day Lewis (Der seidene Faden) ersetzt werden.
Auch im Hinblick auf die Oscargewinner werden die SAG Awards sehr relevant sein. In den 23 Jahren der Screen Actors Guild Awards haben nur 25 von 92 Schauspielern einen Oscar gewonnen, ohne zuvor den SAG Award für die gleiche Performance gewonnen zu haben. Letztes Jahr war Casey Affleck (Manchester by the Sea) ein solches Beispiel, nachdem er den SAG Award als "Bester Hauptdarsteller" zuvor an Denzel Washington für Fences verlor.
Denzel Washington hat dieses Jahr übrigens seine 5. SAG-Nominierung erhalten und zog mit Leonardo DiCaprio gleich als meistnominierter Schauspieler in der Haupt- oder Nebenrolle. Judi Dench erhielt ihre sechste Nominierung als "Beste Hauptdarstellerin" – auch das ist ein Rekord. Keine andere Schauspielerin wurde so häufig für die Hauptrolle nominiert, ohne gewonnen zu haben. Außerdem ist sie mit 83 Jahren die älteste Schauspielerin, die je als "Beste Hauptdarstellerin" nominiert wurde.
Natürlich gab die SAG auch Nominierungen im Serienbereich bekannt, die Ihr Euch unten anschauen könnt:
Bester Darsteller einer Dramaserie
Jason Bateman ("Ozark")
Sterling K. Brown ("This Is Us")
Peter Dinklage ("Game of Thrones")
David Harbour ("Stranger Things")
Bob Odenkirk ("Better Call Saul")
Beste Darstellerin einer Dramaserie
Millie Bobby Brown ("Stranger Things")
Claire Foy ("The Crown")
Laura Linney ("Ozark")
Elisabeth Moss ("The Handmaid’s Tale")
Robin Wright ("House of Cards")
Bestes Ensemble einer Dramaserie
"The Crown"
"Game of Thrones"
"The Handmaid’s Tale"
"Stranger Things"
"This Is Us"
Bester Darsteller einer Comedyserie
Anthony Anderson ("Black-ish")
Aziz Ansari ("Master of None")
Larry David ("Lass es, Larry!")
Sean Hayes ("Will & Grace")
William H. Macy ("Shameless")
Marc Maron ("GLOW")
Beste Darstellerin einer Comedyserie
Uzo Aduba ("Orange Is the New Black")
Alison Brie ("GLOW")
Jane Fonda ("Grace and Frankie")
Julia Louis-Dreyfus, ("Veep – Die Vizepräsidentin")
Lily Tomlin ("Grace and Frankie")
Bestes Ensemble einer Comedyserie
"Black-ish"
"Lass es, Larry!"
"GLOW"
"Orange is the New Black"
"Veep – Die Vizepräsidentin"
Bester Darsteller in einer Miniserie oder einem TV-Film
Benedict Cumberbatch ("Sherlock)
Jeff Daniels ("Godless)
Robert De Niro ("The Wizard of Lies")
Geoffrey Rush ("Genius")
Alexander Skarsgard ("Big Little Lies")
Beste Darstellerin in einer Miniserie oder einem TV-Film
Laura Dern ("Big Little Lies")
Nicole Kidman ("Big Little Lies")
Jessica Lange ("Feud: Bette & Joan")
Susan Sarandon ("Feud: Bette & Joan")
Reese Witherspoon ("Big Little Lies")
Bestes Stunt-Team
"Game of Thrones"
"GLOW"
"Homeland"
"Stranger Things"
"The Walking Dead"
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Hier führen "Stranger Things", "GLOW" und "Big Little Lies" mit jeweils vier Nominierungen. Netflix ist auf jeden Fall der große Sieger der diesjährigen SAG Awards mit insgesamt 19 (!) Nominierungen für Serien und Filme (bei letzteren ist Netflix mit Mudbound vertreten). Erstmals wurde übrigens Kevin Spacey für "House of Cards" nicht nominiert, was natürlich zu erwarten war, nachdem der Oscarpreisträger in Hollywood rasant in Ungnade gefallen ist. In Vergangenheit gewann Spacey sogar den SAG Award als Frank Underwood in der Netflix-Serie. Robin Wright erhielt jedoch ihre vierte SAG-Nominierung für die Serie.
Die Sieger werden in einer von Kristen Bell moderierten Verleihung am 21. Januar bekanntgegeben werden und uns eine noch genauere Vorschau auf die nächsten Oscars geben. Ein klein wenig bitter muss es für Bell schon sein, nachdem ihre Comedyserie "The Good Place" zu Unrecht gänzlich übergangen wurde.