Shelley Duvall, den meisten Filmfans am besten als Wendy Torrance, die leidgeplagte Ehefrau von Jack Nicholsons Jack Torrance, aus Stanley Kubricks Stephen-King-Verfilmung Shining bekannt, ist letzte Nacht im Schlaf bei sich zu Hause in Blanco, Texas an Komplikationen von Diabetes gestorben. Erst vor vier Tagen feierte Duvall ihren 75. Geburtstag.
Duvall hatte nie vor, Schauspielerin zu werden. Im Alter von 20 traf die gebürtige Texanerin den Regisseur Robert Altman auf einer Party, während er in Texas seinen Film Nur Fliegen ist schöner (OT: Brewster McCloud) drehte. Altman und mehrere Crew-Mitglieder waren von Duvalls einzigartigem Aussehen und ihrer Frohnatur so angetan, dass sie prompt in einer größeren Nebenrolle in dem Film besetzt wurde und erstmals in ihrem Leben Texas verlassen hat. Duvall wurde zu Altmans großer Entdeckung und Muse. Zwischen 1970 und 1980 drehten sie sieben Filme gemeinsam, darunter Klassiker wie McCabe & Mrs. Miller, Diebe wie wir (OT: Thieves Like Us) und Nashville. Für die Hauptrolle in Altmans Drama Drei Frauen (OT: 3 Women) wurde Duvall bei den Filmfestspielen von Cannes als beste Darstellerin ausgezeichnet und erhielt eine BAFTA-Nominierung. Duvall absolvierte 1977 auch einen kurzen Auftritt in Woody Allens Oscarfilm Der Stadtneurotiker (OT: Annie Hall).
Duvalls letzter Film unter Altmans Regie war die Comicstrip-Adaption Popeye mit Robin Williams in der Titelrolle, in der Duvall Popeyes Freundin Olive Oyl verkörpert hat. Popeye kam 1980 in die Kinos. Im selben Jahr ist auch der Film erschienen, der Duvalls Karriere und Psyche nachhaltig prägen sollte. Auch wenn Shining inzwischen als ein Meilenstein des Horrorkinos und einer von Kubricks besten Filmen gilt, waren die ursprünglichen Reaktionen auf die Stephen-King-Adaption gemischt und King selbst hasste bekanntlich die Verfilmung, die deutlich von einem Roman abgewichen ist. Der Film war kommerziell erfolgreich, doch Duvall brachte er vor allem Kummer und Stress. Für ihre Performance wurde sie absurderweise für eine Goldene Himbeere nominiert. Die Nominierung wurde mehr als 40 Jahre später nachträglich zurückgerufen, mit Berufung auf neue Erkenntnisse, dass Duvalls Performance von Kubricks Behandlung am Set beeinflusst war.
Für Duvall waren die Dreharbeiten zu Shining der reine Albtraum. Kubrick isolierte sie gezielt vom Rest des Casts und der Crew, stritt sich mit ihr häufig und ließ sie manche Szenen mehr als hundertmal wiederholen. Laut Duvall musste sie die letzten neun Monate der einjährigen Dreharbeiten fünf bis sechs Tage die Woche jeweils zwölf Stunden am Tag hysterisch weinen. Der Schauspielerin sind vor Stress büschelweise Haare ausgefallen.
Was ihre große Stunde hätte werden können, ruinierte mehr oder weniger Duvalls Karriere. Im Jahr nach Shining war sie noch in Terry Gilliams Time Bandits zu sehen, im späteren Verlauf ihrer Karriere spielte sie jedoch hauptsächlich Nebenrollen in kleineren Produktionen. Anfang der 2000er zog sie sich komplett aus der Filmindustrie und der Öffentlichkeit zurück und meldete sich erst 2016 mit einem Fernsehinterview zurück, in dem sie im desolaten Zustand offen von ihren psychischen Problemen erzählte. Für den Horrorfilm The Forest Hills kehrte sie letztes Jahr nach mehr als 20 Jahren Pause ein letztes Mal vor die Kameras zurück.
Quelle: Variety