Quelle: Variety
Man muss als Filmfan in den letzten Wochen schon auf dem Mond gelebt haben, um nicht mitzubekommen, dass Marvel und Sony einen einzigartigen Deal vereinbart haben, der den Einsatz von Spider-Man innerhalb des Marvel Cinematic Universe (also an der Seite der Avengers) ermöglicht und gleichzeitig ein Reboot der Spider-Man-Reihe in Zusammenarbeit von Marvel und Sony vorsieht.
Was bedeutet das im Einzelnen? Zunächst einmal ist The Amazing Spider-Man 3 vom Tisch und weder Regisseur Marc Webb noch Peter-Parker-Darsteller Andrew Garfield werden in die neue Version involviert sein. Namen wie Logan Lerman (Vielleicht lieber morgen) und Dylan O’Brien ("Teen Wolf") sind bereits als potenzielle Kandidaten gefallen, sind jedoch nicht mehr als Gerüchte. Marvel sucht auf jeden Fall nach einem jüngeren Darsteller für die Figur, die vielleicht, vielleicht aber auch nicht Peter Parker sein wird. Denkbar ist auch Miles Morales, der dunkelhäutige Teenager, der 2011 in den Comics nach dem Tod von Peter Parker in dessen Fußstapfen als Spider-Man trat. Welcher Charakter es auch immer sein wird, er wird zunächst in Marvels Captain America: Civil War debütieren, der am 5.05.2016 in die deutschen Kinos kommen soll. Das lässt für die Besetzung der Figur natürlich nicht sehr viel Zeit. Ein Jahr später, im Juli 2017, kommt dann der neue Spider-Man-Film in die Kinos – in Sonys Vertrieb.
Interessant an dem Deal ist, dass er weder eine direkte Erfolgsbeteiligung noch eine Vergütung von einem Studio an das andere beinhaltet. Marvel darf Spider-Man "kostenfrei" in den MCU-Filmen einsetzen und hilft Sony in kreativer Hinsicht beim Wiederaufbau des Spider-Man-Franchises. Doch weder wird Sony am Einspiel der MCU-Filme mit Spidey beteiligt, noch profitiert Marvel direkt vom Erfolg der Solo-Filme von Spider-Man. Tatsächlich profitieren beide Studios auf eine andere Art und Weise. Marvel hat mit Spider-Man eine große neue Attraktion innerhalb des MCU und Sony kann so das angeschlagene Image der Filmreihe reparieren.
So weit, so gut. Doch eine zusätzliche, fast beiläufige Meldung des Industrieblatts Variety macht mich etwas stutzig. So arbeitet Sony angeblich unabhängig vom Spider-Man-Reboot weiterhin an den Spin-Offs aus dem Spidey-Universum: Sinister Six, Venom und dem unbetitelten Ableger mit einer weiblichen Hauptfigur. Diese Projekte entstammen eigentlich noch aus der Zeit, als Sony große Pläne für The Amazing Spider-Man hatte, bevor das Franchise in gewisser Hinsicht implodierte. So sollte Sinister Six, in dem es um die Vereinigung von sechs Bösewichten aus der Spider-Man-Welt geht, bereits im November 2016 in die Kinos kommen. Drew Goddard war als Regisseur vorgesehen. Eingeleitet wurde Sinister Six ja bereits durch die Schlussszenen von The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro. Vorgesehen war, dass Andrew Garfields Spider-Man im Sinister-Six-Spin-Off in einer Nebenrolle auftreten würde und dann die Sinister Six gegen ihn in The Amazing Spider-Man 3 antreten würden.
Derweil hat Alex Kurtzman als potenzieller Regisseur an einem Film über den Antihelden (und gelegentlichen Antagonisten) Venom gearbeitet, der eigentlich 2017 starten sollte. Darüber hinaus wollte Sony auch unbedingt einen Welt aus dieser Film mit einer weiblichen Hauptfigur. Dieses Projekt sollte Lisa Joy ("Westworld", "Burn Notice") aufziehen. Meine Annahme war, dass mit dem Ende von The Amazing Spider-Man 3 und dem Franchise-Reboot diese Pläne in sich zusammengefallen seien, doch offensichtlich ist dem nicht so. Marvels Kevin Feige, der für Sony das Spider-Man-Reboot produzieren wird, soll an diesen Spin-Offs nicht beteiligt sein, was natürlich zur Frage führt, ob diese Spin-Offs trotzdem innerhalb des MCU stattfinden werden und in welcher Beziehung sie zu den neuen Spider-Man-Filmen stehen. Dass Sony auf die Idee kommt, Paul Giamatti als Rhino oder Dane DeHaan als Green Goblin zurückzubringen, wage ich sehr stark zu bezweifeln. Ich hoffe, dass Sony durch diese Nebenprojekte die Chance auf einen guten, kohärenten Neuanfang für Spidey nicht vermasselt.