© 2022 Walt Disney Studios
Quelle: Deadline
Marvel, Star Wars, Avatar, Pixar, Indiana Jones. Kein Studio besitzt die Rechte an so vielen großen Filme, Franchises und Marken wie Disney und von 2016 bis 2019 dominierte das Studio die weltweiten Kino-Einspielergebnisse. Doch mit dem Beginn der Pandemie endete auch die Herrschaft des Hauses von Mickey Mouse. Von den drei Milliardenhits, die seit 2020 veröffentlicht wurden, stammte keiner von Disney. Das wird sich mit Avatar: The Way of Water zwar bald schon ändern, doch insgesamt sah es für Disney nicht rosig aus in letzter Zeit. Obwohl das Studio massive Investitionen in seine Streaming-Plattform Disney+ pumpt und ihre Abonnentenzahlen stetig steigen, schreibt der Streamer auch Verluste in Milliardenhöhe. Von den Marvel-Filmen post-Endgame konnten lediglich die neuen Abenteuer bereits etablierter Helden als große weltweite Hits überzeugen.
Was ist passiert? Der Verwaltungsrat des Studios sah die Schuld offenbar bei CEO Bob Chapek, der Anfang 2020 für Bob Iger übernommen hat. Iger führte Disney seit 2005 und leitete mit dem Erwerb von Pixar, Marvel, Lucasfilm und 20th Century Fox die erfolgreichste Phase in der Geschichte des Studios ein. Chapek hatte mit Corona natürlich ein schweres Los, doch seine Entscheidung, viele potenzielle Kinohits wie Mulan, Soul, Black Widow oder Rot direkt zu Disney+ zu schicken, teilweise sogar ohne Aufpreis, statt wie Paramount mit Top Gun: Maverick oder Universal mit Minions 2 günstigere Umstände abzuwarten, wurde viel kritisiert und kostete dem Studio vermutlich stattliche Einnahmen.
Der Board of Directors verlor das Vertrauen in Chapek, entließ ihn kurzfristig diesen Monat und bat Iger, seine alte Position wieder aufzunehmen, um das Studio aus der Krise zu führen. Gleich in seiner ersten Woche als (alter) neuer CEO erbte Iger von Chapek einen der größten Animationsflops in Disneys Studiogeschichte. Strange World lief am für Familienfilme eigentlich lukrativen Thanksgiving-Wochenende in den USA an, an dem schon Hits wie Die Eiskönigin, Coco und Vaiana gestartet sind. In den ersten fünf Tagen spielte er in Nordamerika mickrige $18,9 Mio ein. Sogar der von Corona noch gebeutelte Encanto spielte letztes Jahr mehr als $40 Mio im selben Zeitraum ein. International kamen lediglich weitere $9 Mio aus 43 Ländern hinzu, wobei der Film in keinem seiner Märkte wirklich zündete.
Trotz Weihnachten sind die Aussichten düster, denn in Frankreich wird der Film direkt bei Disney+ veröffentlicht, um das französische Gesetz zu umschiffen, das eine lange Pause zwischen Kinostart und Streaming-Release vorschreibt. Weil die Hauptfigur des Films zudem ein gleichgeschlechtliches Love Interest hat, verzichtet Disney auf die Veröffentlichung des Films in mehr als 20 Ländern, in denen LGBTQ-Rechte nicht gerade auf dem Vormarsch sind, statt sich Zensurforderungen zu beugen. Respekt an Disney dafür, doch auch das kostet dem Film potenzielle Einnahmen. Da Strange World je nach Quelle zwischen $135 Mio und $180 Mio kostete und die teure Marketingkampagne noch obendrauf kommt, wird von Industriebeobachtern aktuell geschätzt, dass der Film einen Verlust von rund $147 Mio für Disney einfahren könnte. Man sollte nämlich bedenken, dass nur ein Teil der Kinoeinnahmen überhaupt an das Studio zurückfließt.
Der Kassenflop von Strange World erinnert an den vergleichbaren Disney-Flop Der Schaztplanet, der vor fast exakt 20 Jahren ebenfalls am Thanksgiving-Wochenende gestartet ist und durch sein Box-Office-Fiasko maßgeblich zum Ende der handgezeichneten Animationsfilme des Studios beigetragen hat. Für Disney ist Strange World außerdem schon die zweite animierte Box-Office-Enttäuschung dieses Jahr nach Lightyear.