Jared Leto in Suicide Squad (2016) © Warner Bros. Pictures
Quelle: David Ayer Twitter
Der sagenumwobene Snyder Cut von Justice League ist real und kommt nächstes Jahr bei HBO Max. Doch Justice League war nicht der einzige DC-Film, der auf Geheiß des Studios und gegen den Wunsch des Regisseurs komplett zerschreddert und umstrukturiert wurde. Auch David Ayer musste diese bittere Erfahrung mit seinem bis dato größten Studiofilm Suicide Squad machen. Das inkohärente Endergebnis ist neben Catwoman bis heute der schlechteste DC-Film, den ich je gesehen habe (und das schließt Batman & Robin ein, der zumindest unfreiwilligen Unterhaltungswert hatte). Im Gegensatz zu Justice League war Suicide Squad jedoch ein großer kommerzieller Erfolg. Sich der vernichtenden Kritiken dennoch bewusst, entschied sich Warner jedoch gegen eine direkte Fortführung, sondern engagierte den damals noch von Disney gefeuerten James Gunn für The Suicide Squad, der sich irgendwo zwischen Sequel und Soft Reboot bewegt und nächstes Jahr in die Kinos kommen soll.
Doch bei Ayer sitzt der Stachel noch tief, denn er hat viel Kritik für einen Film einstecken müssen, der laut seiner Aussage überhaupt nicht seiner Vision entsprach, auch nicht die im Heimkino veröffentlichte 13 Minuten längere Fassung. Nach der Ankündigung von Zack Snyder’s Justice League dauerte es keine 24 Stunden, bis sich der Hashtag #ReleaseTheAyerCut auf Twitter verbreitete. Den Fans war schließlich ein Triumph gelungen, wieso dann nicht auch der nächste?
Ayer selbst reagierte zunächst sehr vorsichtig: (aus dem Englischen)
Es ist nicht meine Entscheidung oder mein Werk. Ich liebe Warner Bros. – es war immer mein "Heimatstudio". Ich respektiere und unterstütze den unglaublichen Weg, den das DCU unter ihrer Leitung nimmt. Mein Cut von Suicide Squad könnte vielleicht immer ein Gerücht bleiben. Und das ist auch ganz okay so.
It is simply not my call or my IP. I love WB – it’s always been my ‘home studio’ I fully respect and support the incredible path the DCU is taking under their stewardship. My cut of Suicide Squad may always be just a rumor. And that’s just fine. https://t.co/Prlp8bPgy4
— David Ayer (@DavidAyerMovies) May 21, 2020
Doch so ganz okay ist es für Ayer doch nicht, denn die erneute Welle an Unterstützung und Bitten um den Ayer Cut öffnete bei ihm offensichtlich die Schleusentore. In den letzten Tagen hat Ayer unentwegt über Twitter über seine Version des Films und seinen Frust über das Endprodukt, das er nicht zu verantworten hatte, beschrieben. Ich versuche, das hier chronologisch zusammenzufassen.
Nur einen Tag nach seiner sehr diplomatischen Antwort veröffentlichte Ayer ein neues, bislang ungesehenes Bild von Jared Leto als Joker mit verbranntem Gesicht aus dem Film, dessen Szenen zum Großteil entfernt wurden. Ayer selbst äußerte vor wenigen Wochen sein Bedauern um Letos großartige verlorene Performance.
Dream pic.twitter.com/OmdjvMoYGc
— David Ayer (@DavidAyerMovies) May 23, 2020
Auf die Frage hin, ob seine Schnittfassung wirklich existiert, antwortete Ayer einem Fan auf Twitter:
Klar existiert sie. Und sie ist fast fertig, abgesehen von einigen visuellen Effekten.
Claro que existe. Y esta casi completa menos unos efectos visuales. https://t.co/pRsEpRTvEJ
— David Ayer (@DavidAyerMovies) May 24, 2020
In einem weiteren Tweet wurde Ayer schon deutlich expliziter bezüglich seines Frusts über die Handhabung seines Films:
Meine Schnittfassung wäre leicht fertigzustellen. Es wäre unglaublich erlösend für mich. Es ist ermüdend, dass einem in den Arsch für einen Film getreten wird, der von Edward mit den Scherenhänden bearbeitet wurde. Der Film, den ich gemacht habe, wurde nie gesehen.
This is a good question. My cut would be easy to complete. It would be incredibly cathartic for me. It’s exhausting getting your ass kicked for a film that got the Edward Scissorhands treatment. The film I made has never been seen. https://t.co/FkeHAlNoV0
— David Ayer (@DavidAyerMovies) May 25, 2020
Im Gegensatz zu Zack Snyder, der sich aufgrund einer persönlichen Tragödie von der Post-Production von Justice League zurückziehen musste, war Ayer bis zum Schluss dabei, auch wenn er irgendwann nicht mehr das Sagen bei der finalen Schnittfassung hatte. Daher wäre es tatsächlich einfacher, seinen Cut zu beenden und zu veröffentlichen als Snyders von Justice League.
Apropos Justice League – Ayers Suicide Squad sollte direkt den Weg für Justice League bereiten, in Absprache mit Snyder. Ayer erklärte:
Wir haben die Geschichten aufeinander abgestimmt – Squad war die Rampe für JL, der ein viel ambitionierteres zweiteiliges Filmprojekt war, mit beeindruckenden Maßstäben. Squad war die Vorspeise zu Zacks Epos. "Beste Planung", wie man so schön sagt.
We synced up storylines – Squad was the on-ramp for JL – which was a much more ambitious two part movie arc with impressive scope. Squad was the appetizer for Zack’s epic. ‘Best laid plans’ as they say. https://t.co/vqpeGwiKda
— David Ayer (@DavidAyerMovies) May 28, 2020
Vor zwei Tagen sprach Ayer noch ausführlicher über seinen Film und wie er im Zuge der Enttäuschung von Batman v Superman und des Erfolgs von Deadpool verändert wurde. Dabei nannte Ayer den ersten Comic-Con-Trailer von 2015 zu Suicide Squad als beste Repräsentation seiner ursprünglichen Vorstellungen für den Film.
Dieser Trailer hat den Ton und die Intention des Films, den ich gemacht habe, genau getroffen. Methodisch. Vielschichtig. Komplex, wunderschön und traurig. Nachdem die BvS-Kritiken die Führung (des Studios) traumatisiert haben, und dem Erfolg von Deadpool, wurde mein gefühlvolles Drama in eine Komödie geprügelt.
Die Folterszene von Joker wurde neu gedreht, weil der Ton "zu düster" war – mein erster Akt war ein normal konstruierter Film. Ich war von Nolan inspiriert. Es gab echte Szenen mit unglaublichen Performances zwischen Jared und Margot. Joker war furchteinflößend. Harley war komplex.
Stellt Euch vor, wenn Todd Phillips' Film Joker neu gedreht und umgeschnitten worden wäre, weil er zu düster war – Das ist EXAKT das, was mit Suicide Squad passiert ist. Jeder, der sagt, dass mein Cut nicht funktioniert hat, ist es mir schuldig, es mir direkt ins Gesicht zu sagen.
This trailer nailed the tone and intention of the film I made. Methodical. Layered. Complex, beautiful and sad. After the BVS reviews shell shocked the leadership at the time, and the success of Deadpool – My soulful drama was beaten into a “comedy” https://t.co/vrMw8QE2iZ
— David Ayer (@DavidAyerMovies) May 30, 2020
Hier ist der besagte Comic-Con-Trailer, der einen deutlich melancholischeren Ton anschlägt als die späteren Trailer, die den Film vor allem als DCs Antwort auf Guardians of the Galaxy darstellen wollten:
Zu den vielen kritisierten Aspekten des Films gehörte die Darstellung des Jokers durch Jared Leto. Das Marketing stellte ihn als eine der Hauptfiguren des Films und den Widersacher des Suicide Squad dar. Im Endeffekt war er aber keine zehn Minuten lang in der Kinofassung zu sehen und hat so gut wie keine essentielle Rolle für die Handlung gespielt. Sein Beitrag war absolut irrelevant und man hat sich gewundert, wieso er überhaupt in dem Film war. Auch das hat Ayer gestern adressiert:
Ich habe ein perfekt kohärentes Drehbuch geschrieben. Und Joker war gehaltvoll und mehrdimensional. Ihr wurdet angelogen.
I wrote a perfectly coherent script. And Joker was rich and dimensional. You have been lied to. It’s okay to be angry. ❤️ https://t.co/LVNzXccS5X
— David Ayer (@DavidAyerMovies) May 31, 2020
Derweil hat sich Adam Beach, dessen Charakter Slipknot im Film auch nur absurd wenig Screentime hat, Ayer angeschlossen und von seiner ungesehenen Einführungsszene geschrieben:
Es gab eine Eröffnungssequenz darüber, wie ich für das Suicide-Squad-Programm geschnappt wurde, die ziemlich cool war.
https://twitter.com/adamruebenbeach/status/1264666515472707584
So viel zum aktuellen Stand der Dinge. Bedenkt, diese Zusammenfassung deckt nur die letzten neun Tage ab, und wenn Ayer so weitermacht, wie bisher, gibt es in einer Woche sicherlich noch viele andere Updates zu berichten. Im Gegensatz zu Ayers ursprünglichen Aussage, es sei "ganz okay", wenn seine Fassung nur ein Gerücht bleibt, ist es für ihn offensichtlich alles andere als okay und er befeuert die Fans mit der Aussicht auf eine Version, die seinen Film rehabilitiert. In dem Film, den ich gesehen habe, funktionierte abgesehen von Robbie als Harley Quinn und Will Smith als Deadshot nahezu gar nichts, es müsste also schon eine radikal andere Fassung sein, damit sich der Film noch irgendwie retten kann.
Es bleibt abzuwarten, ob die Fans eine ähnlich unermüdliche Kampagne für die Veröffentlichung des Ayer Cut von Suicide Squad aufziehen werden, wie sie es bei Justice League taten. Der #ReleaseTheSnyderCut-Kampagne haben sich irgendwann auch die Darsteller des Films wie Ben Affleck, Gal Gadot und Jason Momoa angeschlossen. Bei Suicide Squad könnte es daher nicht schaden, wenn sich Leto, Robbie oder Smith für die neue Version aussprechen würden. Aber auch dann könnte ich mir vorstellen, dass Warner und HBO Max erst abwarten werden, wie das Justice-League-Experiment verläuft, bevor irgendeine Entscheidung über den Ayer Cut getroffen wird.