Robert Pattinson und John David Washington in Tenet © 2020 Warner Bros. Pictures
Quellen: Variety, The Independent
Christopher Nolan wurde schon lange die Rolle des Retters des Kinos zugeschrieben. Kaum ein Filmemacher von seinem Renommee hat in den letzten Jahren so viel für das Erlebnis von Kinofilmen auf der (möglichst) großen Leinwand getan wie er. Während viele auf den 3D-Zug aufgesprungen sind, versuchte Nolan, immer mehr von seinen Filmen mit IMAX-Kameras einzufangen und den Zuschauern ein bombastisches, bildgewaltiges und vor allem möglichst reales und CGI-freies Erlebnis zu präsentieren.
Doch während der Corona-Pandemie wurden die Hoffnungen in Nolan und seinen neusten Film Tenet gesetzt, buchstäblich die Retter der angeschlagenen Kinobranche zu werden. Während alle Filme vor der Pandemie in den Herbst oder ins nächste Jahr geflohen sind, blieb Tenet lange standhaft im Sommer, und wurde bislang lediglich zweimal um jeweils zwei Wochen nach hinten verschoben – auf ausdrücklichen Wunsch Nolans hin, der fest daran glaubt, dass die Kinos möglichst bald einen großen neuen Film brauchen.
Ob Tenet nun der Messias für die Kinos werden wird oder nicht, kann man noch nicht sagen, doch er wird es ganz sicher nicht Mitte August werden. Weil die USA den Ausbruch der Corona-Pandemie nicht in den Griff kriegt und die Infektionszahlen seit zwei Wochen explodieren, ist an eine Wiederaufnahme des regulären Kinogeschäfts nicht zu denken. Daher hat Warner Bros. anstelle einer weiteren zweiwöchigen Verschiebung Tenet von seinem Kinostart am 12. August entfernt und auf unbestimmte Zeit verschoben. Der neue Starttermin soll sehr bald angekündigt werden und wird auf jeden Fall noch dieses Jahr sein. Warner-Vorsitzender Toby Emmerich hat außerdem Folgendes erklärt:
Wir behandeln Tenet nicht wie einen traditionellen weltweit zeitgleichen Start, und unsere kommenden Marketing- und Auswertungspläne werden dies widerspiegeln.
Im Klartext: Warner wird vermutlich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und den Film international vor Nordamerika vertreiben müssen. Es ist wirklich nicht absehbar, wann es in den USA mit den Kinos weitergehen kann. Eine der Voraussetzungen, dass Tenet anlaufen kann, war, dass der Film in mindestens 3400 Kinos in den USA und in Kanada gespielt werden kann, darunter in Schlüsselmärkten wie New York und Los Angeles. Doch gerade in Kalifornien wurde kürzlich erneut die Schließung der Kinos auf unbestimmte Zeit angeordnet und die Lage ist wirklich düster.
In Europa nimmt das Kinogeschäft wiederum langsam und stetig Fahrt auf, doch es gibt das Problem der fehlenden Neuware. Es ist eine üble Zwickmühle, in der Warner sich befindet. Einerseits besteht Nolan auf einer möglichst baldigen Veröffentlichung des Films, andererseits wehrt er sich auch gegen eine deutlich frühere internationale Auswertung wegen der Piraterie, aber auch, weil die Geheimnisse des Films im Internet schnell gespoilert werden würden. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass Nolans Filme in der Regel mehr als 50% ihrer Umsätze außerhalb von Nordamerika machen und die Lage der Kinos in Europa wirklich desolat ist. Wie der Leiter einer britischen Kinokette gesagt hat:
Wenn die Kino-Community keine neuen Filme in den nächsten Monaten bekommt, wird es keine Kino-Community mehr geben. Die meiste, wenn nicht alle, großen Studiofilme spielen 70-80% ihrer Gesamteinnahmen international ein und es fühlt sich an, als hätte man es vergessen.
Das bringt es absolut auf den Punkt. Laut Industrie-Analysen muss Tenet weltweit jedoch $800 Mio einspielen, alleine um seine Kosten (inklusive Marketing) wieder einzunehmen. Im aktuellen Markt ist diese Summe kaum vorstellbar.
Erschwerend kommt jedoch hinzu, dass der zweitgrößte Kinomarkt der Welt nach den USA, China, aktuell ebenfalls nicht bespielbar wäre. Zu den zahlreichen Auflagen bei der Wiedereröffnung der Kinos im Land gehört, dass keine Filme gezeigt werden dürfen, die länger als zwei Stunden sind. Dank der südkoreanischen Filmbewertungsstelle wissen wir aber, dass Tenet zwei Stunden, 29 Minuten und 59 Sekunden lang ist, und somit in China nicht laufen dürfte. Mit seiner Laufzeit liegt der Film im Mittelfeld für Nolan, dessen längster Film Interstellar (169 Minuten) bleibt. Tenet ist nur eine Minute länger als Inception.
Zusammengefasst: Möglicherweise bekommen wir Tenet deutlich früher zu sehen bekommen als US-Amerikaner, aber vermutlich auch nicht in den nächsten Wochen. Vielleicht wäre es auch klüger, die Rolle des Kinoretters nicht einem einzelnen Riesenfilm aufzubürden, sondern zunächst mit mittelgroßen Filmen wie beispielsweise A Quiet Place 2, anzufangen.
Die für den 31. Juli geplante Wiederaufführung von Nolans Inception zum zehnjährigen Jubiläum des Films ist von der neuen Tenet-Verschiebung diesmal vorerst nicht betroffen.
Glaubt Ihr, dass Tenet wirklich noch dieses Jahr anlaufen wird?
