Erste US-Hardcover-Ausgabe von "The Shards" © 2023 Alfred A. Knopf, Cover-Design von Chip Kidd
Quelle: Deadline
Rund zwölf Jahre nach seinem Roman "Imperial Bedrooms" meldete sich Kult-Autor Bret Easton Ellis mit seinem 736 Seiten langen "The Shards" (in Deutschland beim Verlag Kiepenheuer & Witsch am 17. Januar erschienen) dieses Jahr wieder zurück. Man konnte nur hoffen, dass der 59-Jährige kein zahnloses Alterswerk vorlegt, sondern noch einmal die bissige Stärke seiner Werke "Unter Null" und "American Psycho" erreichen wird.
Diese Hoffnung wandelt sich nach Lektüre des umfangreichen Buches nun in ein breites Grinsen, denn Ellis' Mischung aus autofiktionaler Coming-of-Age-Geschichte und blutrünstigem Serienkiller-Thriller präsentiert den kontroversen Schreiber definitiv zurück mit alter Kraft. In einer Reihe mit "Die Informanten" und "Unter Null" stehend (die präferierte Reihenfolge des Autoren beim Lesen dieser Bücher lautet übrigens "The Shards", "Die Informanten" und abschließend "Unter Null"), berichtet der Erzähler hier rückblickend von seinem Abschlussjahr an der renommierten Buckley-School in Kalifornien Anfang der Achtziger.
Ein dekadentes Leben mit dem privilegierten Freundeskreis bei ständiger Abwesenheit der Eltern, emotional unbefriedigender Sex und viel Drogenkonsum prägen diese Zeit des noch minderjährigen Bret, der später Autor werden möchte und im Verlauf sogar von einem skrupellosen Filmproduzenten einen Auftrag für ein Drehbuch erhält – gegen eine körperliche Gefälligkeit. Trotz der von extern als moralisch verwahrlost empfundenen Erwachsenenwelt, nehmen die Teenager in ihrem dauerbetäubten Zustand ihre Tage zwischen Schule, exzessiven Partys und Kinobesuchen als recht unbeschwert wahr, bis schließlich der sadistische, als "Trawler" bekannte Killer auf der Bildfläche auftaucht und auch vor Brets Peer-Group nicht Halt macht. Im Verdacht steht für ihn sofort der neu an die Buckley gewechselte, mysteriöse Robert Mallory. Doch ist an Brets Vermutung wirklich etwas dran, oder leidet er schlicht unter Paranoia?
Wie die US-Kollegen von Deadline frisch enthüllt haben, arbeitet HBO jetzt zusammen mit Ellis in der Funktion als Drehbuchautor und ausführender Produzent sowie Nick Hall (u.a. Nicolas Winding Refns "Too Old to Die Young") und Brian Young (Informers) an einer Serienadaption des Stoffes. Weitere Informationen zu Starttermin, Länge oder Besetzung sind bislang nicht bekannt.
So sehr ich mich über eine derartige Umsetzung der großartigen und zu Recht in vielen Publikationen hochgelobten Vorlage freuen würde, so sehr sehe ich die Herausforderungen, vor denen die Beteiligten hier stehen. Da wären natürlich explizite Szenen von Sex und Gewalt zu nennen, die aber heutzutage mit etwas Vorsicht bei der Inszenierung durchaus in einem solchen Format möglich sein sollten. Problematischer ist da schon die offene und sich in Momenten oft einfach treiben lassende Erzählung. Sicher gibt es in Zusammenhang mit dem "Trawler" auch richtigen Nervenkitzel in "The Shards" und gelegentlich fühlt man sich sogar an Giallo- oder Slasherfilme wie Dario Argentos Tenebre erinnert. Doch findet man hier keinen sehr strengen Spannungsbogen, der schlicht von A über B zu C führt, vor.
Das Buch verbringt z.B. auch einfach viel Zeit mit Filmfan Bret im Kino, der sich unglaublich auf den Start von Kubricks Shining freut, den Oscar-Gewinner Die Stunde des Siegers harsch kritisiert und auch jeden Exploitation-Streifen aus dem Jahr zu kennen scheint. Das macht – wenn man mit dem Medium etwas anfangen kann – in der Vorlage große Freude, könnte bei einer Adaption allerdings einen echten Meister wie Quentin Tarantino verlangen, der in Once Upon a Time in Hollywood ja schon sehr erfolgreich einfach seine Liebe zur Traumfabrik verfilmt hat.
Wir werden sehen, wie sich "The Shards" letztlich entwickelt. Zumindest um den Soundtrack muss man sich bei der Serie keine Gedanken machen, denn den bringt das Buch bereits selbst mit: So findet neben Künstlern wie The Cars, Peter Gabriel, The Cure oder The Psychedelic Furs besonders prominent der Ohrwurm "Icehouse" der australischen Band Flowers Erwähnung. Das Musikvideo zu diesem zeigen wir Euch nun als kleine Einstimmung:
Wer von Euch hat "The Shards" bereits gelesen und würde auch gern eine Aufbereitung als Serie sehen?
