© 2020 Universal Pictures
Quellen: The Wall Street Journal, The Hollywood Reporter
Aktuell haben Hollywood-Studios die Wahl zwischen zwei Optionen: Entweder sie verschieben ihre Filme nach hinten in eine ungewisse Zukunft und hoffen, dass der Kinobetrieb wieder normal anlaufen wird, oder sie verzichten auf eine Kinoauswertung und schicken ihre geplanten Kinofilme direkt in den Stream. Letztere Option wurde von den meisten Studios für die Filme genutzt, die kurz vor dem Ausbruch der Corona-Krise angelaufen sind. Es gibt jedoch bereits eine große Ausnahme. Als erstes Studio hat Universal beim Animations-Sequel Trolls World Tour den geplanten Kinostart gestrichen und den Film direkt in den Video-On-Demand-Verleih gebracht. Der Film wurde zum großen Testlauf für alle Studios, um zu beurteilen, ob sich das Modell rentiert. Und offenbar tut es das noch viel mehr, als man vermutet hätte.
Als Trolls World Tour am 10. April in den USA digital veröffentlicht wurde, zerschmetterte er alle bisherigen Video-On-Demand-Startrekorde. An seinem ersten Wochenende soll er gut $40 Mio eingenommen haben. Knapp drei Wochen später, so berichtet das Wall Street Journal, hat er bereits $95 Mio alleine in den USA umgesetzt hat. Im selben Zeitraum spielte der erste Trolls etwa $118 Mio an den nordamerikanischen Kinokassen ein. Doch hier kommt der Knackpunkt: Von den Kinoeinnahmen eines Films gehen nur etwa 50% an das Studio zurück. Beim digitalen Verleih behält das Studio jedoch gut 80%. Trolls World Tour hat also bereits $76 Mio an reinen Einnahmen für Universal beschert, etwa so viel wie der erste Trolls während seiner gesamten Laufzeit in den USA und in Kanada.
Natürlich hat der erste Film weitere $193 Mio außerhalb von Nordamerika eingespielt, von denen jedoch ein noch geringerer Prozentsatz an Universal ging. Wie die VOD-Einnahmen des Sequels außerhalb der USA sind, wurde noch nicht berichtet. In Deutschland wurde der Film vergangenen Donnerstag digital veröffentlicht. Es sieht aber wirklich danach aus, als hätte Universal eine Goldgrube entdeckt und diese könnte wegweisend für die Zukunft Hollywoods sein.
Jeff Shell, der CEO von NBCUniversal, erklärte gegenüber dem Wall Street Journal:
Die Ergebnisse von Trolls World Tour haben unsere Erwartungen übertroffen und die Rentabilität von Premium Video-On-Demand bewiesen. Sobald die Kinos wiedereröffnen, gehen wir davon aus, dass wir künftig Filme in beiden Formaten veröffentlichen werden.
Mit anderen Worten werden künftig weniger Universal-Filme den Umweg über die Kinos nehmen, denn so kann das Studio einen größeren Teil vom Kuchen behalten. Franchises wie Jurassic World oder Fast & Furious werden sicherlich weiterhin Kinostarts sein, doch eben mittelgroße Filme wie Trolls World Tour werden vielleicht aus den Kinos verschwinden.
Die empörte Reaktion des nationalen Kinoverbandes ließ nicht lange auf sich warten. Dessen Chef John Fithian erklärte:
Universal hat keinen Grund, die unüblichen Umstände in einer präzedenzlosen Zeit als Sprungbrett zu nutzen, um echte Kinoveröffentlichungen zu übergehen. Kinos bieten ein beliebtes, gemeinsam geteiltes Erlebnis, das nicht kopiert werden kann – ein Erlebnis, an dem viele der VOD-Zuschauer dieses Films teilgenommen hätten, wenn sie nicht zu Hause feststecken würden und verzweifelt neue Filme bräuchten, um es mit ihren Familien zu schauen. Wir sind zuversichtlich, dass wenn die Kinos wiedereröffnen, die Studios weiterhin von weltweiten Kinoeinnahmen profitieren werden, gefolgt von traditioneller Heimkinoveröffentlichung.
Warner Bros. folgte inzwischen in Universals Fußstapfen und wird den Animationsfilm Scooby! im Mai digital veröffentlichen. Disney wird mit Artemis Fowl das Disney+-Angebot erweitern und die Plattform für Abonnenten attraktiver machen.
Ich lebe für das Kinoerlebnis und habe wirklich sehr geringe Lust, Filme über Video-On-Demand daheim zu schauen. Aber ich bin auch Realist. Universal hat mit dem Release von Trolls World Tour die Schleusentore geöffnet und diese können nicht mehr geschlossen werden. Filmproduktion ist ein Geschäft und wenn die Studios glauben, dass bei VOD mehr Geld zu holen ist, werden sie verstärkt darauf setzen. Natürlich sind die Umstände aktuell außergewöhnlich und gerade Familienfilme erfreuen sich sehr großer Beliebtheit im Heimkino, denn irgendwie müssen die Eltern ja ihre Kinder bespaßen, die die ganze Zeit daheim sind. Das wird sich irgendwann ändern, aber dennoch wurde jetzt eine grundlegende Bereitschaft etabliert, Premium-Preise zu zahlen, um brandneue Filme daheim zu schauen. So sehr die Kinobesitzer es sich auch wünschen würden, diese Erkenntnis werden sich die Studios nicht wegdenken.