Wunder: Marc Forster inszeniert ein Spin-Off des Tränendrüsendrückers

Jacob Tremblay und Julia Roberts in Wunder © 2017 Lionsgate

Quelle: Deadline

Warum gehen wir ins Kino? Viele Zuschauer wollen von wuchtigen Bildern, einer spannenden, wendungsreichen Geschichte oder atemberaubender Action auf der Leinwand beeindruckt werden. Doch immer wieder wollen die Zuschauer einfach emotional berührt werden. Sie wollen realitätsnahe Schicksale von echten Menschen mit echten Gefühlen erleben; sie wollen mitfühlen, lachen, aber auch weinen. Das ist der Grund, weshalb die Serie "This Is Us – Das ist Leben" so erfolgreich ist.

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Nur wenige Filme haben in den letzten Jahren so viele Menschen zum Weinen gebracht wie das Drama Wunder von Stephen Chbosky. Die Adaption des weltweiten Bestsellers von R.J. Palacio erzählte die Geschichte des zehnjährigen Auggie (Jacob Tremblay), der in Folge einer seltenen Erkrankung ein stark deformiertes Gesicht hat. Nachdem seine Eltern (Julia Roberts und Owen Wilson) ihn seine Kindheit lang zu Hause unterrichtet haben, wird er schließlich an eine Privatschule geschickt und wird wegen seines Aussehens zunächst von vielen Mitschülern gemieden und gemobbt, schließt aber auch erste Freundschaften. Es ist eine Geschichte von Liebe, Freundschaft und Akzeptanz, und obwohl der Film als Tränendrüsendrücker gelegentlich emotional etwas manipulativ ist, tut er das dennoch mit solch einer Sympathie für seine Hauptfigur und ist zudem so gut gespielt, dass er einfach funktioniert, auch für einen Zyniker wie mich.

Als der Film Ende 2017 in die Kinos kam, traf er den Nerv (oder viel eher die Tränendrüsen) der Zuschauer. Produziert für nur $20 Mio, spielte er weltweit mehr als $300 Mio ein und wurde zu einem der größten Hits für Lionsgate außerhalb der Twilight– und Panem-Franchises. In Deutschland sahen ihn 2018 mehr als 1,3 Millionen Zuschauer im Kino.

Es ist heutzutage besonders erfreulich, wenn ein Film solchen Erfolg hat, ohne eine Comicverfilmung, ein effektreicher Blockbuster oder Teil eines Franchises zu sein. Doch immer wenn ein solcher Film zum großen Hit wird, kann kein Studio der Versuchung widerstehen, den Erfolg mit einer Fortführung zu wiederholen. Und so seltsam es zunächst einmal klingt: Wunder wird demnächst ein Spin-Off bekommen.

Ganz n den Haren herbeigezogen der neue Film jedoch nicht, sondern basiert auf der Graphic-Novel-Vorlage "White Bird: A Wonder Story" von Palacio selbst, die erst letztes Jahr veröffentlicht wurde. Auggie und seine Familie spielen darin keine Rolle, dafür aber Julian Albans, der 11-jährige Junge, der im ersten Film den armen Auggie besonders gemobbt hat und später von seiner Mutter von der Schule genommen wurde. In White Bird soll nun endlich auch er lernen, ein besserer Mensch zu sein, und seine Großmutter aus Paris soll ihm dabei helfen. Sie besucht ihren Enkel und erzählt ihm eine herzzerreißende Geschichte von Mitgefühl und Mut. Als sie noch ein kleines Mädchen war, endete ihr märchenhaftes Leben mit der Besetzung Frankreich durch die Nazis. Als junges jüdisches Mädchen wird sie von einer Familie auf dem Land vor den Nazis versteckt, und der Junge, den sie und ihre Mitschüler einst gemieden haben, wird zu ihrem besten Freund und Retter.

Die Geschichte liest sich, als müssten die Zuschauer wieder einen guten Vorrat an Taschentüchern einpacken, wenn der Film in die Kinos kommt. Mark Bomback (Planet der Affen – Survival) adaptiert die Graphic Novel als Drehbuch, und der Deutsch-Schweizer Marc Forster wird Regie führen. Forster ist immer am besten, wenn er menschennahe Geschichten inszeniert wie Wenn Träume fliegen lernen, Der Drachenläufer oder Christopher Robin, im Gegensatz zu seinen Blockbuster-Versuchen wie Ein Quantum Trost oder World War Z (letzterer war solide, aber vor allem dank Nachdrehs ohne Forster).

Ich gebe es zu, dass ausgerechnet ein Drama wie Wunder jetzt ein eigenes Filmuniversum (!) bekommt, klingt bizarr. Aber wenn dabei am Ende wieder ein schöner Film herauskommt – warum nicht?

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