Olivia Munn in X-Men: Apocalypse © 2016 20th Century Studios
Quelle: Variety
Mehr als $900 Mio Einspiel weltweit, ein Golden Globe als "Bester Film", vier Oscars und leidenschaftliche Begeisterung von Queen- und Filmfans weltweit. Bohemian Rhapsody hätte die Sternstunde von Bryan Singers Karriere werden können, stattdessen wurde der Film zu seinem Untergang.
Als Bohemian Rhapsody im Winter 2018/2019 durch die Oscar-Saison fegte und zahlreiche Preise abräumte, insbesondere für Hauptdarsteller Rami Malek, fiel schnell auf, dass Bryan Singer nicht nur bei keiner Preisverleihung zugegen war, sondern auch in keiner Dankesrede auch nur eines Wortes erwähnt wurde. Das war kein Zufall. Singer wurde zwei Wochen vor Drehende von Bohemian Rhapsody von Fox gefeuert, nachdem er schlicht und ergreifend nicht mehr am Set aufgetaucht war. Dexter Fletcher (Rocketman) beendete die Dreharbeiten an seiner Stelle, Singer wurde jedoch weiterhin offiziell als einziger Regisseur geführt, da er den deutlich größeren Teil des Films inszeniert hat. Dennoch wirkte es während der Oscar-Saison so, als sei Bohemian Rhapsody ein Film ohne Regisseur, eine cineastische unbefleckte Empfängnis sozusagen.
Nach seiner Entlassung wurde berichtet, dass er schon zuvor seltsames Verhalten am Set zeigte und mehrfach abwesend war, sodass sein Kameramann Newton Thomas Sigel zeitweise die Regie übernehmen musste. Außerdem soll er heftig mit Rami Malek aneinander geraten sein. Malek wollte zwar nicht genauer darauf eingehen, beschrieb aber seine Zusammenarbeit mit Singer als "unangenehm".
Doch dieses Fehlverhalten Singers war keine einmalige Sache. Nicht lange nach Maleks Äußerung, erklärte auch Sophie Turner, dass ihre Erfahrung mit Singer am Set von X-Men: Apocalypse nicht angenehm gewesen sei.
Jetzt meldete Turners Co-Star Olivia Munn zu Wort. Munn, die in dem Film die Mutantin Psylocke verkörperte, erklärte gegenüber Branchenblatt Variety, dass Singer beim Dreh zehn Tage lang wegen angeblicher Schilddrüsenprobleme verschwunden sei und die Crew dazu ermuntert habe, einfach ohne ihn weiterzudrehen. Munn beklagte, dass obwohl dieses Verhalten allen negativ aufgefallen sei, einschließlich der Studiobosse, ihm trotzdem die Regie von Bohemian Rhapsody anvertraut wurde. Munn erzählte: (aus dem Englischen)
Als wir X-Men gedreht haben, habe ich noch nie zuvor in einem so gigantischen Film mitgewirkt. Ich wusste nicht, was richtig und was falsch ist, aber ich wusste, dass es seltsam ist, dass Bryan Singer sich einfach abmelden und sagen konnte, er hätte Schilddrüsenprobleme.
Anstatt zu einem Arzt in Montreal zu gehen, einer hochentwickelten, modernen Stadt, sagte er, er müsse zurück nach Los Angeles. Und er war etwa zehn Tage lang weg, wie ich mich erinnere. Und er sagte: "Macht weiter. Dreht weiter". War waren am Set, und ich erinnere mich an eine große Szene, die wir vor uns hatten. Wir kamen gerade vom Mittagessen und dann kam einer von Bryans Assistenten auf uns zu und zeigte uns ein Handy mit seiner Nachricht. Er schrieb an die Schauspieler: "Hey Leute. Ich habe gerade zu tun. Aber macht einfach weiter und fangt an, ohne mich zu drehen".
Und wir dachten uns "OK". Ich habe nie gedacht, es sei normal, aber es war mit nicht klar, dass andere Leute auch dachten, es sei nicht normal. Und die anderen Leute, die das dachten, waren Leute auf hohen Ebenen des Studios, Leute, die darüber entscheiden, ob man diese Person anstellt.
Also stellt man fest, dass es wirklich seltsam ist und nicht okay. Aber diese Person darf trotzdem weitermachen. Fox gibt ihm trotzdem Bohemian Rhapsody, und wir wissen alle, was dann passiert ist.
Was ich sagen will, ist, dass noch bevor das ganze #MeToo-Zeug enthüllt wurde – Sachen, die wirklich schrecklich und widerlich sind – gab es einfach Fehlverhalten, mit dem die Leute davongekommen sind. Und niemand auf der ganzen Welt ist so talentiert, dass er oder sie andere Leute und ihre Zeit nicht respektieren darf. Und es gibt so viele talentierte Leute, die nur auf ihre Chance warten.
Wie es sich beim guten Journalismus gehört, kontaktierte Variety Singers Pressevertreter. Diese äußerten sich folgendermaßen zu den Anschuldigungen:
Er war bei Ärzten in Montreal und dann kehrte er zu den Ärzten in Los Angeles zurück. Und soweit wir uns erinnern können, betraf das nur zwei Drehtage.
Jeder kann nun für sich selbst entscheiden, ob Singer ein unschuldiger Sündenbock und Pechvogel ist, oder ob die mehrfachen Aussagen über sein unprofessionelles, bizarres Verhalten doch Bestand haben könnten.
Zu Singers unprofessionellem Verhalten kamen in der Zeit vor und nach Bohemian Rhapsody Vorwürfe sexueller Belästigung hinzu, die jedoch nicht bewiesen wurden. Sogar nach dem Bohemian-Rhapsody-Skandal bot Prodzuzent Avi Lerman ihm eine satte Gage von bis zu $10 Mio für die Regie der Comicverfilmung Red Sonja an. Erst als die Stimmung gegen Singer immer weiter ins Negative kippte, wurde das Angebot zurückgeboten und der Film auf Eis gelegt. Aktuell hat Singer keine neuen Regieprojekte in Aussicht.